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Gliederung

 

 

1. Einführung S. 3

 

2. Begriffsklärung S. 3

2.1 Minimale Cerebrale Dysfunktion (MCD) S. 3

2.2 Hyperaktivität (HA) und Hyperkinetisches Syndrom (HKS) S. 4

 

3. Ursachen S. 5

3.1 Organische Ursachen S. 5

3.2 Störungen in der Entwicklung S. 6

3.3 Psychische Ursachen S. 6

3.4 Soziologische Ursachen S. 7

 

4. Möglichkeiten der Heilung S. 7

 

5. Prophylaxen S. 9

 

6. Pille oder nicht? S.10

 

7. Zusammenfassung S.11

 

 

 

1. Einführung

 

Diese Hausarbeit soll einen ersten Überblick über das Thema der Hyperaktivität bieten. Sie geht deshalb nicht ausführlich auf die einzelnen Entwicklungsmodelle ein, sondern setzt diese als Grundkenntnisse voraus.

Dieses Thema ist für mich persönlich eine Herausforderung. Viele Realschullehrer, Auszubildende wie examinierte Lehrer, sehen für sich nicht die Notwendigkeit sich auch auf speziellen Bereichen der Pädagogik und Psychologie fortzubilden. Auch ich sah anfangs nicht diese Notwendigkeit, doch brachten das Studium und meine Lebensabschnittspartnerin, sie studiert das Lehramt Grund- und Hauptschule, mich zu der Einsicht, daß ich mich auch später in der Realität mit diesem Thema und dort besonders an einer Gesamtschule auseinandersetzen muß. Nun sind für mich die Ansätze klar geworden und ich kann nun besser versuchen in meiner Aufgabe als Lehrer und später auch als Vater auf das Kind als individuelle Persönlichkeit einzugehen und mit ihm Auswege zu erarbeiten.

 

 

 

2. Begriffsklärung

 

Zuerst muß ich hier einige Begriffe erklären, die immer auftauchen, wenn man sich mit dem Thema Hyperaktivität auseinandersetzt. Diese Begriffe werden zwar von mir einzeln erläutert, doch sind ihre Inhalte immer im Zusammenhang zueinander zu sehen. Im individuellen Fall kann die Gewichtung durchaus bei einer Komponente überwiegen, doch sind alle vertreten und sei sie noch so schwach. Was die genaue Definition der Begriffe schwierig macht sind unterschiedliche Meinungen, die von Extremen bis hin zu starken Vermischungen führen. Ich nehme an, daß das an der Unerforschtheit dieses Gebietes liegt. Es gibt nur wenige Statistiken, zumeist hat jeder Vertreter eine eigene, und zu wenige medizinische Untersuchungen, auch hier wird nur versucht die eigene These zu untermauern, die viel Spielraum für Spekulationen und Streitgespräche lassen. Auch darf man nicht die Vielfalt dieser Krankheit außer Acht lassen, die eine Bestimmung der Symptome und ihrer Ursachen erschwert. Ich beschränke mich deshalb auf eine Begriffserklärung.

 

 

2.1 Minimale Cerebrale Dysfunktion (MCD)

 

"Strauss und Werner prägten 1941 den Begriff <<Minimal Brain Damage>> (Minimaler Hirnschaden) für eine Gruppe von Kindern mit übermäßiger motorischer Unruhe, bei denen sie einen Hirnschaden vermuteten. Da es in den folgenden Jahrzehnten jedoch nicht möglich war, dieses wissenschaftlich zu untermauern und die vorhandene allgemeine Verwirrung über Symptome und Geschichte dieses Krankheitsbildes zu beseitigen, wurde der Begriff <<Minimaler Hirnschaden>> 1963 von einer besonderen Abteilung der amerikanischen Gesundheitsbehörde durch die weitergreifende Kategorie <<Minimal Brain Dysfunction>> (Minimale Cerebrale Dysfunktion) ersetzt." (Voss, R. u. Wirtz, R., 1990, S. 48) "Man versteht darunter eine Ausreifungsstörung des kindlichen Gehirns, die sich darin zeigt, daß die für bestimmte Fähigkeiten verantwortlichen Hirnzellverbände nicht altersgerecht heranreifen und ihre Verknüpfung untereinander nur unzulässig und lückenhaft zustande kommt." (Schweizer, Chr. und Prekop, J., 1991, S. 9) Diese Hirnschädigung ist nicht als eine partielle Zerstörung des Hirns zu sehen. Die Ursachen dieser Ausreifungsstörungen können unterschiedlichster Art sein und "[...] reichen von ererbter Veranlagung über störend einwirkende und die Ausreifung hemmende Faktoren in der Schwangerschaft, während und unmittelbar nach der Geburt bis hin zu ungenügendem und ungeeignetem Einüben der Sinne und Motorik in der ersten Lebenszeit." (Schweizer, Chr. und Prekop, J., 1991, S. 9) In den Zitaten der verschieden Kompetenzen wird auch ihre Meinung, die z.T. gegensätzlich ist, deutlich. Reinhard Voss, ein Diplompädagoge und Privatdozent für Schulpädagogik, neigt dazu "[...] Abschied zu nehmen von einer bequemen, wohl aber für einen Großteil von auffälligen Kindern nicht zutreffenden medizinischen Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten."( Voss, R. u. Wirtz, R., 1990, S. 50) Die Medizinerin Christel Schweizer und ihre Arbeitskollegin Jirina Prekop, Doktorin der Philosophie, schließen sich insoweit an, daß man diese Krankheit nicht auf eine Ursache reduzieren darf, sondern mehrere nicht organische Faktoren berücksichtigen muß. In dem Kapitel Ursachen werde ich näher auf die Faktoren eingehen. So wage ich nun einen Versuch der Definition:

 

Die Minimale Cerebrale Dysfunktion ist eine partielle Störung oder auch eine Schwäche im Heranreifungsprozeß des Hirns. Sie kann einerseits angeboren sein, durch Vererbung wie durch Unregelmäßigkeiten während der Schwangerschaft, und/ oder durch ungenügendes Einüben der Sinne nach der Geburt erworben werden. Sie kann folglich die direkte wie auch indirekte Ursache eines unnatürlichen Verhaltens des Kindes sein. Eine MCD kennt als Äußerungen die Hyperaktivität wie auch phlegmatische bis depressive Passivität.

 

 

2.2 Hyperaktivität (HA) und Hyperkinetisches Syndrom (HKS)

 

"Diese Begriffe sind weniger eindeutig als die minimale cerebrale Dysfunktion (MCD); denn diese Begriffe überlagern sich. Versuchen wir daher zunächst einmal sie >sprachlich< nachzuvollziehen:

 

>>Hyper<< kommt aus dem Griechischen und heißt >>über<< - >>übermäßig<<. >>Aktivität<< leitet sich von einem lateinischen Wortstamm ab, der sowohl Bewegung wie äußeres Handeln, In-Bewegung-Bringen - Tätigsein ausdrückt.

 

>>Kinetisch<< ist wiederum aus dem Griechischen entliehen und heißt >>auf Bewegung beruhend<< bzw. Bewegungsenergie.

 

>>Hyperaktiv<< würde also bedeuten: übermäßiger Drang zur Tätigkeit.

 

>>Hyperkinetisch<< aber übermäßiger Drang zur Bewegung." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 11)

 

Eine Hyperaktivität setzt ein Zielgerichtetes Tun voraus, wie Umherlaufen im Klassenraum und sich mit den Klassenkameraden unterhalten, während die Hyperkinesie kein Ziel hat, sondern aus motorischen Stereotypien besteht, wie hin und her wackeln mit dem Oberkörper oder einzelnen Körperteilen bis hin zu einem Tic, wie Zwinkertic. Beide Arten verwischen oft oder wechseln sich ab. Wenn z.B. einem hyperaktivem Kind der Freiraum für eine Zielgerichtete Bewegung genommen wird, sucht es sich einen Weg um seinem Drang nachgeben zu können und flüchtet eventuell in eine Hyperkinesie. Aber auch umgekehrt ist dies möglich, wenn dem hyperkinetischen Kind Möglichkeiten zu zielgerichtetem Tun aufgezeigt werden. Genauso bedingen sich diese beiden Formen mit der MCD.

Voss sieht dies etwas anders. "Die Bezeichnung <<Hyperkinetisches Syndrom>> verwenden Ärzte und Psychologen für Kinder und Jugendliche, die durch eine überstarke Aktivität, starke Impulsivität und Erregbarkeit sowie nicht situationsgerechte Gefühlsäußerungen auffallen, die sich schlecht in die Altersgruppe eingliedern oder Leistungs- und Entwicklungsstörungen zeigen.[...] Neben dem Etikett <<Hyperkinetisches Syndrom>> (HKS) wird u.a. der Begriff <<Minimale Cerebrale Dysfunktion>> (MCD) gebraucht. Die Verwendung des Begriffs Syndrom weist bereits darauf hin, daß es sich auch im medizinischen Sinne nicht um eine einheitliche <<Erkrankung>> handelt, sondern daß eine Vielzahl verschiedener Störungen, die sich in ähnlicher Weise äußern, zu einem Komplex zusammengetragen wird."(Voss, R. u. Wirtz, R., 1990,S. 23) Schweitzer und Prekop reduzieren dieses Syndrom auf ein Symptom, nämlich die Unruhe, und gehen davon aus, "Daß hierfür viele Faktoren in Frage kommen und meist mehrere zugleich [...]". (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 12) Aber "Wann ein Kind als <<hyperaktiv>> oder <<verhaltensgestört>> gilt, kann allgemeingültig nicht geklärt werden. Es fehlen eindeutig diagnostische Kriterien [...]". (Voss, R. u. Wirtz, R., 1990,S. 43)

 

Oft erleidet man im Zusammenhang des Begriffs der Hyperaktivität den Trugschluß ein hyperaktives Kind mit einem "kleinen Tyrannen" zu verwechseln. "Tatsächlich ist der kleine Tyrann unruhig und hyperaktiv. Der Unterschied zwischen beiden ist aber unverkennbar. Er liegt in der suchtartigen Abhängigkeit vom Herrschenmüssen. Das herrschsüchtige Kind wird deshalb unruhig, weil es die Verhältnisse in seinem magischen Imperium stets im Auge behalten und beeinflussen muß. Das hyperaktive Kind aber muß nicht >>herrschen<<. Es verlangt auch nicht danach.

 

Kurz und gut: Jeder >>kleine Tyrann<< ist unruhig - sprich: hyperaktiv. Aber nicht jedes hyperaktive Kind ist ein kleiner Tyrann!" (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S.13)

 

 

 

3. Ursachen

 

Die Ursachen für eine unnatürliche Unruhe des Kindes sind vielfältig. Sie bedingen sich oft gegenseitig und/ oder es ist nicht mehr eindeutig zu erkennen welche Ur-sache wirklich urig ist, ähnlich der Frage aus der Philosophie "War zuerst das Huhn oder das Ei?". In jedem Falle sollte man als Laie keine voreiligen Schlüsse ziehen, sondern sollte einem Fachmann mit jahrelanger Erfahrung in diesem Bereich einen genauen Lebenslauf des Kindes schildern und ihm die Diagnose überlassen.

 

 

3.1. Organische Ursachen

 

Wie schon erwähnt gehört zu den organischen Ursachen die MCD. Daneben gehören aber auch Allergien zu dieser Gruppe. Die wohl berühmteste ist "[...] die sog. Phosphatüberempfindlichkeit [...], die sich erst im Laufe der Kindheit herausbildet und zu erkennen gibt." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 60) Die Allergie kann aber im Prinzip gegenüber jedem Stoff im täglichen Umfeld des Kindes bestehen. Mir selbst ist ein Fall aus meiner Zivildienstzeit bekannt. Damals leistete ich meinen Zivildienst in der Kindertagesstätte Kleine Strolche e.V. Lübeck ab. Im Vorhortbereich war dort ein kleiner Junge von ca. fünf Jahren, der schon immer sehr aktiv war. An manchen Tagen war es aber kaum auszuhalten. Im Laufe der Zeit und nach ausgiebigen Beobachtungen eines Verdachts stellte sich heraus, daß er immer besonders Unruhig war, wenn er zuvor Schokolade gegessen hat. Die Erzieherinnen nehmen deshalb eine Allergie gegenüber einem Stoff in der Schokolade an und reagieren entsprechend darauf. Einer Allergie kann grundsätzlich mit einer Diät begegnet werden, doch sollte auch eine entsprechende psychologische Betreuung nicht fehlen.

Ebenfalls gehören dazu "[...] eine organische Störung im Sinne von Stoffwechselstörung auf einer bestimmten Stufe im ZNS* [Zentralnervensystem] und Körper [...]" und ein embryofatales Alkoholsyndrom, daß bedeutet daß die "[...] Mutter vor und während der Schwangerschaft [...] alkoholkrank war." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 61) Eine organische Ursache zieht immer eine psychologische Folge nach sich, wie Ratlosigkeit oder Passivität, die auf jeden Fall parallel behandelt werden sollte. Denn "Allzu schnell werden verschiedene Symptome auf die Diagnose <<Kindliche Verhaltensstörung>>, <<Minimale Cerebrale Dysfunktion>> (MCD) oder <<Hyperkinetisches Syndrom>> (HKS) reduziert. In der Folge wird die <<organische Erkrankung>> mit Psychopharmaka behandelt." (Voss, R. u. Wirtz, R., 1990, S. 43)

 

 

3.2. Störungen in der Entwicklung

 

Ähnlich wie die organischen Ursachen haben die Störungen in der Entwicklung des Kindes ihren Ursprung im frühen Säuglingsalter, aber auch schon vor der Geburt. Da die Beziehung zwischen Mutter und Kind zu diesem Zeitpunkt eine der Engsten ist orientiert, lernt das Kind von der Mutter. Es lernt mit seinen Sinnen vorsichtig wahrzunehmen. Dabei werden nicht alle Sinne gleichzeitig benutzt, sondern nur ein Sinn, entweder der Körpersinn (Tasten), mit dem es den beruhigenden Rhythmus der Mutter aufnimmt oder den Hörsinn, durch welchen es die Stimmen der Mutter und des Vaters wahrnimmt. Gerade in den letzten Schwangerschaftsmonaten gewinnen diese Sinne an Wichtigkeit. Durch eine Frühgeburt kann dieser Prozeß des ersten Wahrnehmens, Lernens und vorallem die Geborgenheit des Kindes stark gestört werden. "Es konnte auch durch seine Bewegungen das Fruchtwasser in wiegendes Schwingen bringen und erfuhr so doch noch, daß es sich durch die Rückkoppelung auf die nächste Wahrnehmung verlassen kann. Das frühgeborene Kind entbehrt im Inkubator all diese und muß sich in die motorischen Stereotypien einbringen, um sich überhaupt auf etwas verlassen zu können." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 83) Dies gilt auch für ein vernachlässigtes Neugeborenes. Es braucht das Schaukeln der Mutter im Arm und die beruhigenden Stimmen der Eltern damit "[...] es nach Überwinden des Geburtsschocks (s. S. 21) seine Symbiose mit der Mutter noch fortsetzen kann." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 98) Auch später sollten dem Säugling seine Aktivitäten reflektiert werden, wie nachplappern. Aber auch durch Reizüberflutung kann die Entwicklung gestört werden. Wenn der Säugling nun zaghaft versucht zum ersten Mal mehrere seiner Sinne auf eine Rassel zu konzentrieren, sollte man ihn lassen und nicht durch ein Überangebot verwirren. "Seine Aufmerksamkeit ist zunächst auf einen einzelnen Gegenstand fixiert, der auf vielfältige Weise und ausgiebig wahrgenommen wird. Um die Aufmerksamkeit des Säuglings nicht zu zersplittern, darf man ihm nicht mehr Gegenstände der gleichen Art und schon überhaupt nicht mehr Gegenstände zugleich anbieten." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 100) Wie ein roter Faden ziehen sich diese Ereignisse durch das Leben des Kindes und gehen nacher in kommunikative Spiele, Märchen, Abzählreime und anderes über, was Mütter und Väter eigentlich schon immer mit ihren Kindern spielten.

 

 

3.3. Psychische Ursachen

 

Hierzu gehören alle Ursachen, die auf das Kind einen psychischen Druck ausüben, die es aber nicht verarbeiten kann. Jetzt versucht das Kind auf andere Weise diesen Druck zu kompensieren und kann so in eine Hyperaktivität, seltener einer Hyperkinesie, geraten. Die Bandbreite reicht von Rollenproblemen in der Familie über geschiedene Eltern bis hin zum Tode der Oma. "Eine solche kindliche Auffälligkeit ist ein Notsignal des Kindes. Ein Versuch, in der krankmachenden Lebenssituation zu überleben.

Verhaltensauffälligkeiten sind <<gesunde>> Reaktionen auf eine gestörte Lebenswelt. [...] Das Leiden unserer Kinder ist nicht nur Spiegel unseres eigenen Leidens - es ist unser eigenes Leiden. In einem anderen Umgang mit dem Leiden unserer Kinder steckt auch die Chance zu einem anderen Umgang mit uns selbst." (Voss, R. u. Wirtz, R., 1990, S. 71)

 

 

3.4. Soziologische Ursachen

 

Nicht nur organische Ursachen, Störungen in der Entwicklung und psychische Ursachen, also relativ offensichtliche und greifbare Ursachen, gehören zu den Verursachern. Ein Lebensstil kann genauso beeinflussen. Zwar wird es einige Mühen kosten einen direkten Zusammenhang zu beweisen, doch reicht auch schon ihr Einfluß. Dieser Einfluß fördert und begünstigt eine unnatürliche Unruhe. "Für schicksalhaft und im individuellen Leben des betroffenen Kindes in gewisser Weise unvermeidlich betrachten wir auch die Unruhe, die dem Kind entsteht unter den heutigen ungünstigen und kinderfeindlichen Lebensbedingungen, die einer Umwelt- und Innenverschmutzung gleichkommen. Unter Umweltverschmutzung verstehen wir auch die Überflutung mit Reizen, die vom Kind nicht zu verarbeiten sind, die Schnellebigkeit und Oberflächlichkeit unserer Zeit, die Einschränkung der Möglichkeiten zur Kanalisierung des kindlichen Bewegungsdrangs, und für eine Innenverschmutzung halten wir die zunehmende Bindungs- und Liebesunfähigkeit, die zum Zerfall von Familienstrukturen und zum Verlust des inneren Halts führt." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 75) Für mich sind die Montagmorgende in Schule und Kindergarten immer wieder ein Paradebeispiel. Jungen, meist lauter, und Mädchen toben durch den Raum als "Batman", "Power Ranger" oder "Superman". Was mich vor ein paar Tage erstaunte war der Ausruf eines Mädchens, daß auf mich zusprang, "Ich bin Batman!". Die Massenmedien haben also auch die Mädchen für Actionhelden gewinnen können. Die Kinder sind nach dem Wochenende immer unausgeglichener als sonst.

 

 

 

4. Möglichkeiten der Heilung

 

"Rhythmus vermittelt dem labilen, hyperaktiven Kind Sicherheit. Er hilft seine Aufmerksamkeit auf künftig Eintreffendes zu richten. Weil im Rahmen des Rhythmus Vorausgedachtes zuverlässig eintrifft, entsteht Sicherheit, und es lohnt sich für das Kind zu warten." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 115) Diesen Rhythmus führt man von einem Jahresrhythmus über Monats-, Wochen- und Tagesrhythmen ein. Für den jeweiligen Abschnitt des Rhythmus sollte ein typisches Beispiel erwählt und mit dem Kind zelebriert werden, z.B. Ostern mit Eiersuche und Osterschmuck basteln im Frühling und Weihnachten mit Backen von Keksen im Dezember. Im Tagesablauf sollte auf jeden Fall ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aktivität und Ruhe bzw. Konzentration bestehen. Hierbei sollte auf sinnvolle Kombinationen geachtet werden, die auch die individuellen Bedürfnisse des Kindes berücksichtigen. Es ist z.B. sinnvoll "Am Vormittag Kindergarten oder Schule [Aktivität und Konzentration], vor dem Mittagessen [Ruhe] Austoben im Garten [Aktivität], am Nachmittag Spiele mit den Nachbarskindern [Aktivität], am besten in Absprache mit den Nachbarsfamilien zu festgesetzten und begrenzten Zeiten, und je nach Bedürfnissen der Nachbarn müßte das Kind auch deren Wunsch auf einen Mittagsschlaf [Ruhe] respektieren können. Pflegen lieber Gewohnheiten am Abend [Aktivität], geregelte Zeiten des Zubettgehens... [Ruhe] Die Makierungen im Tagesablauf und der Tagesablauf selbst werden durch Regeln gesichert." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 119) Vor und nach einer Phase der Konzentration bzw. der Ruhe ist es sinnvoll ein Phase der Aktivität zu gestalten, damit die Aufmerksamkeit des Kindes zum einen nicht durch den unausgelasteten Bewegungsdrang abgelenkt wird und zum anderen um den Bewegungsdrang nicht zu sehr zu unterdrücken und unbewußt als eine Art von Belohnung einzusetzen. Eine rhythmische Aktivität, wie z.B. Musizieren oder auch rhythmische Bewegungsspiele, kann diesen Tagesablauf fördern. Die oben bereits angesprochenen "Regeln vermitteln Sicherheit und sichern Zusammenleben und Beziehungen. Sie sorgen dafür, daß die Lebensenergien der Beteiligten nicht unnötig aufeinanderprallen, nicht zerfließen und verlorengehen, nicht vergiftet werden, sondern harmonisch aufeinander bezogen und sinnvoll gerichtet sein können." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 121) Diese Regeln werden zumeist von den Eltern im Alleingang aufgestellt, aber genauso können in einem Familienrat Regeln erarbeitet werden. Nicht nur die Kinder haben Regeln zu lernen und zu befolgen auch die Eltern müssen für Ihr Erziehungskonzept Regeln aufstellen und sich selbst, begleitend zu der Therapie ihres Kindes, in eine therapeutische Behandlung begeben, wie Supervisionen und Seminare zur konkreten Problematik der Hyperaktivität. Leider scheuen viele Eltern davor zurück und suchen die Schuld ausschließlich bei Ihrem Kind. Dabei haben diese Therapien meist nur die Aufgabe zu Reflektieren, sich in das Kind hineinversetzen zu können und Lösungsansätze zu erarbeiten. Die Regeln sind nicht von spezieller Natur.

"<<Goldene Regeln>> einer Lehrerin im Umgang mit einem <<Zappelphilipp>>" (Voss, R. u. Wirtz, R., 1990, S. 102)

"Es sind allgemeingültige Regeln, die in jeder Erziehung anwendbar sind. Die Reihenfolge dieser Regeln stellt keine Rangordnung dar, sie durchdringen und beeinflussen einander, man kann sie nicht isoliert voneinander betrachten.

 

 

Die Eltern müssen ihr Erziehungkonzept mit einer großen Treue durchführen. "Ein >>J-ein<< kann das Kind nicht einordnen. Weil bei einem >>J-ein<< das Kind weder weiß, woran es ist, noch was von ihm verlangt ist, verhält es sich auf Kosten der Sicherheit unschlüssig." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 123) Neben den Regeln und Rhythmen muß mit dem Kind seine Körperbeherrschung und Selbstkontrolle eingeübt werden. Das soll dem Kind helfen allmälich sich selbst zu steuern. So sind

[...]

"Selbstkontrolle über die Köperlage und die Bewegung sowie bewußtes Vermeiden unnötiger Bewegungen und Warten lernen

[und]

Anpassung (der Reaktion, der Kraftdosierung, des Tempos, der Bewegungsproduktion an bestimmte Tätigkeiten), Geschicklichkeit

[...]" (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 125)

fast immer spielerisch einübbar, dies gilt auch für Konzentration, Rhythmus und Umgang mit Enttäuschung. Nicht nur spielerisch, sondern auch sportlich und handwerklich muß das Kind diese Komponenten einüben, um eine vielfältige Alltagssituation zu haben und später eine Transferleistung erbringen zu können. Diese Komponenten helfen einem Kind, das nicht organisch bedingt unter einer unnatürlichen Unruhe leidet, aber auch dem Kind mit einer organischen Ursache können sie helfen sich zu heilen bzw. einen glücklicheren Zustand für sich zu erreichen. Wenn ein Kind medikamentös behandelt wird, kann man doch nicht auf eine begleitende Therapie und die o.g. Komponenten verzichten. Bei einer medikamentösen Behandlung werden je nach Einzelfall auf Psychostimulantien und Neuroleptika, wie Ritalin oder Atosil zurückgegriffen (vgl Voss, R. u. Wirtz, R., 1990, S. 33). Grundsätzlich ist zu sagen, daß eine Behandlung der anorganischen Ursachen keine sofort sichtbaren Erfolge zeigt. Hier kommt es auf langfristige kleine Erfolge an, die mit dem Kind in Zusammenarbeit mit seinem Umfeld erarbeitet werden müssen. Im Gegesatz dazu steht die Behandlung bei organischen Ursachen. Erfolge sind fast sprichwörtlich "von einen auf den anderen Tag" sichtbar.

 

 

 

5. Prophylaxen

 

Was für die "Möglichkeiten der Heilung" gilt, gilt auch für die Prophylaxe. Vor der Geburt sollte die Mutter mit Rhythmen ihrem Kind Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. "Die Schwangerschaftsgymnastik allein und auch der gelegentliche Einkaufsbummel genügen nicht [, bei einer unkomplizierten Schwangerschaft]." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 95) Dem Kind müssen ständig Rhythmen, durch Spaziergänge oder Schaukelstuhl, vermittelt werden. Zu den Rhythmen gehören auch Streicheln des Kindes durch die Bauchdecke, auch von Vater und Geschwistern, wie auch das Vorsingen und sogar das Gespräch. So wird eine innige Bezieung zum Kind aufgebaut, durch Bestimmen und Erwiedern von Rhythmen auf beiden Seiten. "Wir möchten betonen, daß der Rhythmus, von dem wir sprechen, nichts Selbstzweckmäßiges ist, sondern eingebettet ist in die innige Beziehung zum Kind." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 96) So sollte Rhythmus ein Teil im Leben des Kindes sein. Schwierig wird es, wenn diese Gewohnheit plötzlich zerstört wird, wie z.B. wie oben schon angesprochen durch eine Frühgeburt. Dem Kind fehlen nun die notwendigen Rhythmen, damit seine ersten Orientierungspunkte im Leben und damit die Sicherheit und Geborgenheit die ein Neugeborenes braucht. Doch seit neuestem gibt es Hoffnung. "Es sind Bemühungen im Gange, das Kind mit dem Inkubator (Brutkasten) rhythmisch zu bewegen. Man gibt dem Kind Kleidungsstücke der Mutter in den Inkubator, damit das Kind wenigstens den vertrauten Körpergeruch der Mutter wahrnemen kann. [...]"(Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 97) Ähnlich sieht es für ein Neugeborenes aus, das Termingerecht geboren wurde. Das Kind muß jetzt lernen die Signale der Mutter außerhalb ihres Körpers wiederzufinden, wie Herzschlag, Atmung, Stimme und Geruch. "Das bedeutet für das gesunde Neugeborene, daß es nach Überwinden des Geburtsschocks (s. S. 21) seine Symbiose mit der Mutter noch fortsetzen kann!" (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S. 98) Die Mutter muß ihrem Kind helfen sich in den neuen, eigenen Körper einzugewöhnen. Soetwas kann durch die tägliche Körperpflege, Wickeln oder auch durch Streicheln und Abzählreime ("Herr Nasemann") trainiert werden. Dem Kind wird auch später noch sein eigener Köper und sein Verhalten reflektiert. Es ist also gar nicht so lächerlich, wenn Omas in die Babysprache zurückfallen, nur sollte dies rechtzeitig eingestellt werden, um die sprachliche Entwicklung des Kindes nicht zu stören. Später, wenn das Kind Situationen mit mehreren Sinnen gleichzeitig erfassen kann, sorgen Abzählreime und Kommunikative Spiele für Rhythmus. Diese Abschnitte sind zugleich Loslösungsprozesse, die aber vorsichtig und entwicklungsgemäß vorgenommen werden sollten, damit das Kind nicht z.B. einer ständigen Reizüberflutung ausgesetzt ist. Zusammenfassend kann man folgende Punkte beachten:

"[...]

1. Die symbiotische Bindung mit der Mutter (schon im Mutterleib beginnend) wird leiblich/seelisch ausgelebt.

2. Die Bindung wird stufenweise zugunsten der Loslösung zurückgenommen, wobei die Loslösung noch im geschützten Rahmen sich vollzieht.

3. Der Bewegungsdrang des Kindes wird unter Wahrnehmung zuverlässigen Körperkontaktes geordnet und zu bwußtem Erleben der Bewegung und seiner zielgerichteten Aktivitäten gelenkt.

4. Das Kind wird vor Streß und damit vor Tätigkeiten und Reizen geschützt, die es noch nicht verarbeiten kann. (Die Reifung seiner Verarbeitungsmöglichkeiten ist ein Prozeß, der zu Vielfalt und Wachstum führt - demzufolge hat der Schonraum, in dem sich das Kind bewegt und bewähren kann, eine dynamische Größe.)

5. In die Erlebniswelt des kindes werden Regelmäßigkeiten (Rituale und Regeln) eingeführt.

6. Das Kind bekommt Gelegenheit, Einfühlungsvermögen und Rücksichtnahme für den anderen zu erwerben, um dadurch seine Körperaktivität und Aufmerksamkeit zu steuern. Diese Fähigkeit erwirbt es dadurch, daß es Bei- und Widerstand bei seinen Kontaktpersonen wahrnimmt." (Schweizer, Chr. u. Prekop, J., 1991, S.104)

 

Abschließend möchte ich noch daraufhinweisen, daß das Kapitel "Störung in der Entwicklung" schon Hinweise zur Prophylaxe gibt.

 

 

 

6. Pille oder nicht?

 

Viele betroffene Eltern stellen sich diese Frage wenn ihnen gewahr wird, daß sie ein hyperaktives Kind haben. Ein hyperaktives Kind stellt eine Belastung dar; für eine Umwelt, die nicht darauf eingestellt ist. Weder Eltern, Lehrer noch so mancher Psychologe ist in der Lage dieser Situation souverän zu begegnen, wie die Geschichte von Roswitha Wirtz, Koautorin von Reinhard Voss, beweist. Meist versucht man der einen Ursache auf den Grund zu gehen, doch dies ist der falsche Ansatz. Bei dieser organischen und/ oder psychischen Krankheit müssen alle Aspekte bedacht und von den jeweiligen Kompetenzen behandelt werden. Ärzte, Psychologen und Pädagogen müssen Zusammenarbeiten. Die organischen Ursachen sind lange nicht so häufig vertreten wie gern behauptet wird und Fälle in denen wirklich zu Medikamenten gegriffen werden muß sind selten. "Da nach Esser und Schmidt bei weniger als einem Prozent aller Kinder mit einer <<echten MCD>> [direkt, nicht durch andere Ursachen ausgelöst] zu rechnen ist, empfehlen sie vorsichtig mit einer solchen Diagnose zu sein und die Verantwortlichkeit von Eltern und Umwelt für die Entstehung von <<Verhaltensstörungen>> stärker zu beachten. Selbst bei Kindern, die wegen Verhaltensauffälligkeiten Psychiatern vorgestellt wurden, zeigte sich bei nur etwa einem Prozent die Diagnose MCD als berechtigt." (Voss, R. u. Wirtz, R., 1990, S. 50) Oftmals ist es eine Allergie, der nur ungenügend oder gar nicht nachgegangen wird. Aber ob das Kind nun berechtigt oder unberechtigt Pillen bekommt: Sein Verhalten ändert sich. Gerade das ist das Gefährliche für entnervte Eltern. So wie man eben eine Pille gegen Fieber nimmt, nimmt man eine gegen das Unruhig sein. "Ich war froh. Joachim veränderte sich nach der Einnahme schlagartig. Von Minute zu Minute konnten wir der Besserung seines Verhaltens zuschauen.[...] Wir waren glücklich." (Voss, R. u. Wirtz, R., 1990, S.24) Sicher kann man den Gedankengang dieser Eltern nachvollziehen, doch werden sie in ihrer Entscheidung beeinflußt. Ihnen wird auch von Freunden und Ärzten meist zu diesem Entschluß geraten. Es stellt sich demnach auch als ein soziologisches Problem dar. Die Eltern müssen immer wieder bei der Lehrerin vorsprechen, sich bei Nachbarn entschuldigen und so manche andere Sache regeln, weil ihr Kind hyperaktiv und damit nicht in das pflegeleichte Bild der Gesellschaft paßt. Es kann den Eltern nur geraten werden, sich intensiv um eine eindeutige und möglichst objektive Diagnose zu bemühen.

 

 

 

7. Zusammenfassung

 

Das Thema "Das hyperaktive Kind" müßte eigentlich "Unnatürliche Unruhe bei Kindern" heißen, da die Komplexität dieses Themas globaler Natur ist. Sie erstreckt sich von den Erscheinungsformen über Diagnose und Heilmethoden.

Ich persönlich würde nur dann zur Pille greifen, wenn ich alles dafür getan hätte zu beweisen, daß mein Kind nicht organisch bedingt hyperaktiv ist. Leider stellt das sich als schwierig heraus, da dieses Gebiet noch zu wenig erforscht, zu wenige eindeutige Diagnose gegeben werden können. Die wenigen Spezialisten und Selbsthilfegruppen sollen ersteinmal gefunden werden, doch eine gänzlich objektive Diagnose wird man nicht bekommen.

 

 

 

Literaturverzeichnis

 

 

 

 

Voss, R. und Wirtz, R. Keine Pillen für den Zappelphilipp

Reinbek: Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, 1992

 

Schweizer, Chr. und Prekop, J. Was unsere Kinder unruhig macht...,

Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 1991