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Inhaltsverzeichnis

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  1. Einleitung 1
  2. Mehrheitswahl und Verhältniswahl 2
    1. Einteilung von Wahlsystemen 2
      1. Entscheidungsregel und Repräsentationsprinzip 2
  3. Die formale Beschreibung von Wahlsystemen 3
    1. Dimensionen und Variablen von Wahlsystemen nach Lijphart 4
    2. Schwellenwerte 5
  4. Charakteristika und Kritik der Mehrheitswahl 6
    1. Verschiedene Mehrheitswahlsysteme 7
  5. Charakteristika und Kritik der Verhältniswahl 8
  6. Empirische Beispiele aus drei ausgewählten EU – Staaten 10
    1. Großbritannien 10
    2. Irland 11
    3. Niederlande 12
  7. Fazit 13
  8. Literatur 14

 

 

 

  1. Einleitung
  2.  

    Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit den Wahlen zu den Parlamenten. Als Grundlage der Analyse – des theoretischen, ersten Teils der Arbeit - von Wahlsystemen dienen die Werke von NOHLEN, LIJPHART und JESSE. Der zweite Teil beschäftigt sich mit empirischen Beispielen aus drei der fünfzehn untersuchten EU – Staaten, entscheidend werden hierbei die Werke von STEFFANI und ISMAYR sein. Ziel der Arbeit wird es nun sein, die Wahlsysteme hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Parlaments zu untersuchen; Welche Auswirkungen haben Wahlsysteme auf die Zusammensetzung des Parlaments?; Was sind die entscheidenden Faktoren und Komponenten und wie wirken sich diese auf die Mandatsverteilung aus?; Ist die auftretende Disproportionalität nur auf das angewendete Verrechnugsverfahren zurückzuführen?; Inwieweit ist es gerechtfertigt einen monokausalen Zusammenhang zwischen Mehrheitswahl und einem Zwei-Parteien-System respektive zwischen Verhältniswahl und einem Mehr-Parteien-System herzustellen?; Oder spielen andere Faktoren eine ebenso große Rolle, d.h. müssen wir von multikausalen Zusammenhängen ausgehen?

    Diese Reihe von Untersuchungskriterien kann natürlich nur marginal angerissen werden. So wird gewährleistet, daß Kernaussagen, d.h. tendentielle Auswirkungen von Wahlsystemen auf die Parlamentszusammensetzung, ausgearbeitet werden können, ohne aber auf wichtige Details verzichten zu müssen.

    Einleitend sollen nun noch zwei Definitionen folgen, die den thematischen Einstieg erleichtern sollen:

    -"Technisch gesehen beinhalten Wahlsysteme den Modus, nach welchem die Wähler ihre Partei- und/oder Kandidatenpräferenz in Stimmen ausdrücken und diese in Mandate übertragen werden."

    -"Wahlsysteme sind Verfahren, mittels derer die Stimmenanteile der Parteien in Mandate umgesetzt werden."

     

     

  3. Mehrheitswahl und Verhältniswahl
  4.  

    Die Einteilung eines Wahlsystems in die beiden großen Schubladen der Mehrheitswahl bzw. der Verhältniswahl gestaltet sich äußerst schwierig, da unter den Wissenschaftlern oft keine Einigkeit herrscht, welche Gesichtspunkte für die Einteilung herangezogen werden sollen.

     

    1. Die Einteilung von Wahlsystemen
    2.  

      "Traditioneller Weise werden Mehrheitswahl und Verhältniswahl wie folgt definiert: Mehrheitswahl ist, wenn der Kandidat, der die (absolute oder relative) Mehrheit erzielt, gewählt ist. Verhältniswahl ist, wenn die politische Repräsentation möglichst exakt die Verteilung der Stimmen auf die Parteien widerspiegelt." Nach Nohlen sind beide Definitionen durchaus richtig, aber aufgrund verschiedener Definitionskriterien – zum einen die Entscheidungsregel und zum anderen das Wahlergebnis (die Repräsentation) – ist diese Definition für sich genommen nicht zulässig, betrachtet man hingegen jede Definition getrennt, dann besitzen beide sehr wohl Gültigkeit. Nohlen bedient sich nun den obig genannten Kriterien, um Wahlsysteme klassifizieren zu können, nämlich der Entscheidungsregel und dem Repräsentationsprinzip.

       

      1. Entscheidungsregel und Repräsentationsprinzip

 

Nohlen nimmt innerhalb der Entscheidungsregel eine weitere Unterscheidung vor, er trennt in Majorz und Proporz.

 

Majorz – Regel: Derjenige, der die meisten Stimmen auf sich vereint (relativ oder absolut) gewinnt das Mandat. Falls absolute Mehrheiten vorausgesetzt werden, entscheidet meistens eine Stichwahl.

Proporz-Regel: Die Proporz-Regel versucht die Gültigkeit jeder Stimme zu berücksichtigen, so daß möglichst die exakte Widerspiegelung des Wählerwillens im Parlament gewährleistet ist, d.h. die Mandate auf höchster Ebene werden proportional zu den Stimmenanteilen einer Partei verteilt.

Für NOHLEN ist die Entscheidungsregel die Methode, wie Stimmen in Mandate übertragen werden und betrifft die disaggregierte Situation in den Wahlkreisen.

 

Das Repräsentationsprinzip hingegen zielt auf die nationalen Ergebnisse ab. Das Ziel des Repräsentationsprinzips der Verhältniswahl ist "(...) die möglichst getreue Wiedergabe der in der Bevölkerung bestehenden sozialen Kräfte (...)", das der Mehrheitswahl, eine parlamentarische Mehrheit, die sich auf eine Stimmenminderheit stützt.

Das Repräsentationsprinzip der Verhältniswahl bezweckt also eine Übereinstimmung von Stimmen- und Mandatsanteil, während das der Mehrheitswahl eine Mehrheitsbildung fördern will und deswegen eine Disproportion von Stimmen- und Mandatsanteil in Kauf nimmt.

 

Übersicht über die Kriterien (nach Nohlen):

 

 

Entscheidungsregel

Repräsentationsregel

Mehrheitswahl

Mehrheit siegt

Mehrheitsbildung

Verhältniswahl

Anteil entscheidet

Abbild der Wählerschaft

 

 

Wahlsysteme sollten also danach bewertet werden, "(...) inwieweit sie den ihnen aufgegebenen Repräsentationsprinzipien gerecht werden, und nicht primär danach, ob sie Funktionen des konkurrierenden Repräsentationsprinzips erfüllen."

Nohlen erhebt das Repräsentationsprinzip zum Definitionskriterium, da das Repräsentationsprinzip unzweifelhaft "(...) größere Bedeutung hat (...), oder: weniger die Regel, nach der entschieden wird, als das Ergebnis, welches im Prinzip zu erwarten ist."

 

3. Die formale Beschreibung von Wahlsystemen

 

Wie in der Einleitung bereits angerissen scheint die Frage nach der Disproportionaltität eines Wahlsystems ein zentraler Aspekt. Die Disproportionalität eines Wahlsystems ist nicht nur auf das Verrechnungsverfahren, sondern auch auf mehrere Variablen zurückzuführen, die LIJPHART eingehend untersucht hat.

 

3.1. Die Dimensionen und Variablen von Wahlsystemen nach LIJPHART

 

Nach LIJPHART gibt es verschiedene Dimensionen und Variablen von Wahlsystemen, "(...) with major consequences for the proportionality of election outcomes and for party systems." Im folgenden sollen diese kurz vorgestellt werden:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

    1. Schwellenwerte

 

Wie oben erwähnt gibt es nach Lijphart zwei verschiedene Schwellenwerte: Den gesetzlichen und den effektiven. In Ländern bei denen es einen nationalen, gesetzlichen Schwellenwert gibt, wie zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland, ist dieser zugleich der effektive. Bei anderen Systemen muß der effektive Schwellenwert erst errechnet werden. Dieses Verfahren soll nun kurz vorgestellt werden. Der effektive Schwellenwert setzt sich zusammen aus:

 

a) Dem "lower threshold" bzw. "threshold of inclusion" bzw. "representation", der den kleinsten Anteil der Stimmen darstellt, den eine Partei braucht, um im günstigsten Fall einen Sitz zu erhalten: Oder anders ausgedrückt, ist dieser überschritten so besteht die Möglichkeit, einen Sitz zu erringen: [50% / 2M].

 

b) Dem "upper threshold" bzw. "threshold of exclusion", der den größten Anteil der Stimmen darstellt, der nötig ist, um, im ungünstigsten Fall, einen Sitz im Parlament zu erringen: Oder anders formuliert, ist dieser überschritten so beträgt die Wahrscheinlichkeit einen Sitz zu erringen 100%: [50%/ (M+1)].

Daraus ergibt sich dann die Formel:

 

Teff= [50%/(M+1)] + [50%/2M]

 

Diese Formel gibt also an, wie viele Stimmen durchschnittlich nötig sind, um einen Sitz im Parlament zu erringen.

 

 

  1. Charakteristika und Kritik der Mehrheitswahl

 

Die Hauptaufgabe dieses Wahlsystems ist es, stabile Parlamentsmehrheiten hervorzubringen. Generell werden diese Systeme nach ihrem Verrechnungssystem eingeteilt. Die verschiedenen Arten der Übertragung von Stimmen in Mandate führen zu einem unterschiedlichen Erfolgswert der Stimmen, da nur die Stimmen zählen, die auf den siegreichen Kandidaten abgegeben wurden. Gleichzeitig bringen die Stimmen, die ein Kandidat oder eine Partei erreicht und die über die geforderte Mehrheit hinausgehen, nichts ein.

Nohlen verbindet die Mehrheitswahl nicht unbedingt mit einer Personenwahl, obgleich "(...) die Bindung des Abgeordneten an den Wahlkreis bzw. diejenige zwischen Wähler und Gewählten größer (...)" sei. Zudem sei der Abgeordnete unabhängiger von seiner Partei, da – im Gegensatz zur Wahl durch Proporz – keine Listen von der Partei festgelegt werden, "(...) auf die Parteien bestimmenden Einfluß hätten."

 

 

4.1. Verschiedene Mehrheitswahlsysteme

 

Im folgenden sollen verschiedene Typen der Mehrheitswahl vorgestellt werden:

 

 

 

 

Nohlen nennt als theoretische Vorzüge von Mehrheitswahlsystemen vor allem die Verhütung der Parteienzersplitterung, da der effektive Schwellenwert, obwohl sie keine gesetzlichen Schwellenwerte haben, weitaus höher ist als in Systemen bei denen durch Proporz entschieden wird. Weitere Vorzüge seien "(...) die Förderung der Parteienkonzentration in Richtung auf die Herausbildung eines Zweiparteiensystems (...)", dadurch resultieren stabile "(...) Regierungen in Form von Mehrheitsregierungen." Ein weiterer Vorteil sei, so Nohlen, daß der Wahlauftrag des Wählers mit dem Regierungsauftrag korreliert, da Koalitionsgespräche nicht nötig seien. Lijphart nennt bei seiner Kritik an Mehrheitswahlsystemen vor allem die geringen Chancen für kleine Parteien in das Parlament einzuziehen: " All majoritarian systems make it difficult for small parties to gain representation (...)." Zudem fördern Mehrheitswahlsysteme die größeren Parteien, da der oben genannte Erfolgswert der Stimmen unterschiedlich ist, so daß Wähler, aus Angst vor der Verschwendung ihrer Stimme, gelegentlich nach ihrer Zweitpräferenz abstimmen.

 

  1. Charakteristika und Kritik der Verhältniswahl

 

Das Schlüsselelement der Verhältniswahl ist der "multimember constituency", d.h. ein Wahlkreis mit mehr als einem zu vergebenden Mandat. Die Hauptaufgabe dieses Systems ist ein möglichst genaues Abbild der Wählerschaft im Parlament, d.h. die Mandate werden so proportional wie möglich zu den Stimmen verteilt. Sie werden im Gegensatz zu Mehrheitswahlsystemen nach ihren Verrechnungsebenen eingeteilt bzw. nach verschiedenen Verrechnugsverfahren. Die verschiedenen Einteilungskriterien der Verhältniswahl werden im folgenden an Autoren (Nohlen und Lijphart) personalisiert referiert.

Die drei Haupttypen bei Lijphart sind die einstufigen ("one tier") und zweistufigen ("two tier"), sowie die von ihm benannten Zwischensysteme ("intermediate systems").

 

Die einstufigen Systeme verwenden meistens das Höchstzahlverfahren nach d´Hondt, bzw. verschiedene andere Divisorenverfahren, wie zum Beispiel das modifizierte Divisorverfahren nach Sainte Lague oder auch das largest- remainder- Verfahren, sowie das Verfahren der single-transferable-vote. Die Verfahren d´Hondt und Sainte Lague bevorzugen beide die größeren Parteien. Die Divisorenreihen geben den Ausschlag, wie exakt proportional das Verhältnis von Stimmen und Mandaten ist, der Vorteil bei diesem Verfahren ist die Einfachheit, d.h. alle Mandate können auf einen Schlag vergeben werden. Das largest – remainder- Verfahren (Wahlzahlverfahren und anschließend Restmandatsverfahren) ermöglicht eine nahezu vollständig proportionale Abbildung der Stimmen im Parlament, dabei wird eine Wahlzahl gebildet und eine Partei erhält einen Sitz, wenn die Stimmenanzahl einer Partei so hoch ist wie die Wahlzahl, die gesamten Sitze im Parlament ergeben sich dann aus der Häufigkeit wie oft diese Wahlzahl in den tatsächlich abgegebenen Stimmen für eine Partei enthalten ist. Nohlen nennt verschiedene Typen:

V= Stimmen, M= Sitze

 

HARE (V/M), HAGENBACH-BISCHOFF (Droop) (V/(M+1)), modifiziertes

Wahlzahlverfahren bzw. IMPERIALI (V/(M+2))

 

 

Die Divisorenverfahren und das largest -remainders-Verfahren sind Listenwahlsysteme, im Gegensatz dazu steht das System der single-transferable-vote, bei dem sich der Wählerwille nicht in Parteipräferenzen ausdrücken muß. Der Wähler gibt seine Präferenz für den Abgeordneten ab, indem er eine Rangfolge seiner Wunschabgeordneten aufstellt und diese durchnumeriert. Gewählt ist der, der die sogenannte "Droop quota" erreicht hat.

 

Während, wie oben erwähnt, Nohlen die Verhältniswahlsysteme lediglich nach den Verrechnungsverfahren klassifiziert, ordnet Lijphart nach Verrechnungsebenen. Zu den zweistufigen Systemen gehören solche Systeme, die ihre Stimmen auf eine höhere Ebene umrechnen, er nennt: "remainder-transfer" und "adjustment seats" als Modi der Systeme mit zweistufigem Verrechnungsverfahren.

"remainder transfer": 1. Entscheidung nach Wahlzahlverfahren (verschiedene Möglichkeiten)

2.entstehende Restmandate bzw. Reststimmen werden auf eine höhere

Ebene (z.B. Wahlkreisverband oder nationaler Wahlkreis) verrechnet.

 

 

"adjustment-seats" : Ausgleichssitze, d.h. auf einer höheren Ebene als dem eigentlichen

Wahlkreis sind Ausgleichssitze möglich, die mit den angehäuften

Stimmen aus den unteren Wahlkreisen verteilt werden.

Schließlich nennt er noch die "intermediate Systems" , zu diesem Typus zählen

  1. "limited vote", d.h. die relative Mehrheit entscheidet über den Gewinn des Mandates. Im Gegensatz zu den Mehrheitswahlsystemen treten in einem solchen Wahlkreis aber mehrere Kandidaten (auch von der gleichen Partei) an und es werden auch mehr Sitze vergeben als dem Wähler an Stimmen zustehen.
  2. "single non-transferable vote": Hier hat der Wähler lediglich eine Stimme – also genau wie in Mehrheitswahlsystemen – aber es sind Mehrmannwahlkreise, wodurch die einzelne Stimme noch mehr an Gewicht erhält und das Problem der "verlorenen" Stimme wird dadurch noch relevanter.

 

 

  1. Empirische Beispiele aus drei ausgewählten EU – Staaten
  2.  

    Im nun folgenden zweiten, empirischen Teil der Arbeit werde ich versuchen, die Wahlsysteme von drei ausgewählten Ländern der EU, unter den erarbeiteten Gesichtspunkten zu betrachten. Die Beispiele werden idealtypisch gewählt, um somit die Aussagekraft des im Fazit verwendeten Disproportionalitätsmodells möglichst präzise herauszuarbeiten. Kurz um, es werden Wahlsysteme aufgezeigt, deren Einordnung relativ klar und stringent erscheint.

     

     

    6.1. Großbritannien

     

    Für Großbritannien ist das relative Mehrheitswahlrecht charakteristisch, d.h. in jedem der Wahlkreise (constituencies; derzeit 659) wird der Kandidat gewählt, der die meisten gültigen Stimmen auf sich vereinen kann. Das gesamte Wahlgebiet weist so viele Wahlkreise auf, wie Sitze auf höchster Ebene zu vergeben sind. Die Vorteile dieses Wahlsystems liegen unzweifelhaft in seiner Einfachheit was die Stimmgebung und Stimmauswertung betrifft. Oft wurde in der Literatur auch die Bindung zwischen dem jeweiligen Kandidaten und der Wähler als positiv gewertet, da sie enger erscheint als in Listenwahlsystemen. Des weiteren ergeben solche Abstimmungsmodi klare Mehheitsverhältnisse im Parlament und der Regierungsauftrag kommt direkt der stärksten Partei zu. Negativ bei diesem Wahlsystem ist, daß praktisch alle Stimmen für die zweit- und schlechter plazierten Kandidaten verloren gehen, daraus resultiert auch die enorme Disproportionalität, d.h. der Unterschied zwischen Stimmenanteil (auf das ganze Land bezogen) und Mandatsanteil ist höher als in irgendeinem anderen europäischen Land: "1979 gewannen die Konservativen mit 43,9% der abgegebenen Stimmen 53,4% aller Unterhausmandate, 1983 mit 42,4% der abgegebenen Stimmen gar 61,1% der Mandate." Auffallend bei diesem Wahlsystem ist, daß ein relativ geringer Stimmenvorsprung über alle Wahlkreise einen deutlich größeren Vorsprung an Mandaten bewirken kann. Die Möglichkeit des Regierungswechsels ist in diesem Wahlsystem besonders gegeben, da sich "(...) Popularitätsverluste der Regierungspartei verhältnismäßig stark in Mandatsverlusten (...) niederschlagen."

     

    1. Irland
    2.  

      In Irland gilt das Wahlsystem mit übertragbarer Einzelstimme, d.h. jeder Wähler hat nur eine Stimme, die Abgeordneten werden auf der Grundlage des Verhältniswahlrechts mit übertragbaren Einzelstimmen (Single Transferable Vote; STV) in Wahlkreisen mit mehreren Abgeordneten gewählt. Der Modus der Stimmgebung bei diesem Wahlsystem wurde bereits an anderer Stelle referiert und soll hier ausgespart werden, entscheidend ist, daß die Mandate nach dem Droop Quota Verfahren vergeben werden, d.h. die Gesamtzahl der gültigen Stimmen wird durch die um eins erhöhte Anzahl der zu wählenden Abgeordneten geteilt und eins dazu addiert:

       


      GESAMTZAHL DER STIMMEN plus 1

      ANZAHL DER ABGEORDNETEN +1

       

      Bei 40000 gültigen Stimmen und vier zu wählenden Abgeordneten bedeutet das, daß die Quote 8001 beträgt und nur von vier Kandidaten erreicht werden kann. Diese Quote gibt zudem die Schwelle an, die die Wahl eines Kandidaten garantiert. Erreicht keiner der Kandidaten diese Quote, so scheidet der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus. Diese Wahlzettel, die in ihrer Erstpräferenz den ausgeschiedenen Kandidaten nannten, werden nun nach ihrer Zweitpräferenz ausgewertet. Falls ein Kandidat mehr Stimmen erhält, als er der Quote gemäß braucht, um den Sitz zu erringen, werden die überschüssigen Stimmen auf die anderen Kandidaten entsprechend der von den Wählern genannten Präferenzen verteilt.

      Wie repräsentativ das Ergebnis der Wahl ist hängt wiederum von verschiedenen Faktoren ab, in erster Linie von der Anzahl der zu vergebenden Sitze in diesem Wahlkreis: "(...) je höher die Zahl der zu vergebenden Sitze, desto repräsentativer ist zumeist das Ergebnis." Die Menge der zu vergebenden Sitze in einem Wahlkreis hängt von der Zahl der Wahlberechtigten ab. Das Wahlsystem bevorzugt die größeren Parteien, ohne jedoch eine übertriebene Disproportionalität zwischen Stimmenanteil und Mandatsanteil zu erzeugen.

    3. Niederlande

     

    Das niederländische Wahlsystem ist ein uneingeschränktes Verhältniswahlrecht, d.h. es gibt keine gesetzlichen und effektiven Schwellenwerte (siehe 3.2.). Es reichen 0.67% der Stimmen aus, um einen der 150 Sitze im Parlament zu erringen. Der Wähler hat eine Stimme, die er einem Kandidaten , den die Parteien auf einer Liste präsentieren, gibt. In 90% der Fälle wird der erste Name auf der Kandidatenliste einer Partei angekreuzt. Das niederländische Wahlsystem ist somit nicht kandidatenorientiert, sondern die Parteien nominieren ihren Spitzenkandidaten. Seit der Einführung des Verhältniswahlrechts war keine Gruppierung imstande eine Mehrheitsposition einzunehmen. Jede Regierungsmehrheit ist nur noch durch Koalitionen zu erlangen, somit wurden Koalitionsregierungen zur Regel, so meinte einmal der ehemalige sozialdemokratische Fraktionsführer Jaap Burger: "Die Wahlen in den Niederlanden leiden an einer strukturellen Ergebnislosigkeit."

    Die Ergebnisse der Wahlen sind nahezu exakt proportional, alleine das relativ kleine Parlament mit 150 Sitzen verhindert eine exakte Widerspiegelung des Wählerwillens im Parlament. Als negativer Punkt ist die Parteienzersplitterung anzuführen, die auch dafür verantwortlich zeichnet, daß es bei dem Prozeß der Koalitionsbildung zu langwierigen und komplizierten Verhandlungen kommt.

     

     

  3. Fazit

 

Bevor ich die eingangs gestellten Fragen wieder aufgreife, möchte ich zunächst ein dipolares Kontinuum vorstellen, um damit zu zeigen, daß eine strikte Trennung zwischen Mehrheits- und Verhältniswahl nicht möglich ist:

 

Niedrig Hoch



 

MHW STV VHW

 

 

Das Kontinuum zeigt die Proportionalität von Wahlsystemen, d.h. inwieweit korrelieren Stimmenanteil und Mandatsanteil. Großbritannien wäre auf diesem "Strahl" ganz links einzuordnen, während die Niederlande mit ihrem uneingeschränkten Verhältniswahlrecht ganz rechts einzuordnen wäre. Das Wahlsystem Irlands mit der single transferable vote (STV) fände man ungefähr in der Mitte des Diagramms wieder. Generalisierend kann man sagen, daß mit der wachsenden Anzahl künstlich zustandegekommener Mehrheiten die Disproportionalität eines Wahlsystems wächst.

Festhalten läßt sich, daß wir von vielschichtigen Ursachen ausgehen müssen, die für die Zusammensetzung des Parlaments von Bedeutung sind. Ein monokausaler Zusammenhang zwischen Mehrheitswahl und Zwei-Parteien-System drängt sich zwar auf, er darf jedoch nicht absolut gesetzt werden. Die technische Seite eines Wahlsystems, d.h. Auszählungs- und Abstimmungsmodi beeinflussen die Mandatsverteilung auf höchster Ebene, aber Lijphart hat mit seinen Variablen und Dimensionen von Wahlsystemen bewiesen, daß noch viele andere Dinge auf die Zusammensetzung des Parlaments Einfluß nehmen. Bei allen Versuchen Wahlsysteme zu ordnen ist dem interessierten Leser aufgefallen, daß auch unter den Experten oftmals Verwirrung herrscht, wenn Wahlsysteme adäquat klassifiziert werden sollen, zudem spielen nicht nur die technischen Elemente eines Wahlsystems eine Rolle, sondern letztendlich auch das ursprüngliche Wahlverhalten der Bevölkerung.

 

 

8. Literatur

 

 

Elvert, Jürgen (1997): Das politische System Irlands, in: Ismayr, Wolfgang (Hrsg.): Die politischen Systeme Westeuropas, Opladen: Leske + Budrich, S. 260-263

 

Germis, Carsten (1991): Republik Irland, in: Steffani, Winfried (Hrsg.): Regierungsmehrheit und Opposition in den Staaten der EG, Opladen: Leske + Budrich, S. 221-242

 

Jesse, Eckhart (1994): Wahlsysteme und Wahlrecht, in: Gabriel, Oscar W. / Brettschneider, Frank (Hrsg.): Die Eu-Staaten im Vergleich, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 174- 193

 

Kastning, Lars (1991): Vereinigtes Königreich, in: Steffani, Winfried (Hrsg.): Regierungsmehrheit und Opposition in den Staaten der EG, Opladen: Leske + Budrich, S. 375-413

 

Lepszy, Norbert (1997): Das politische System der Niederlande, in: Ismayr, Wolfgang (Hrsg.): Die politischen Systeme Westeuropas, Opladen: Leske + Budrich, S. 334 – 335

 

Lijphart, Arend (1994): Electoral Systems and Party Systems. A Study of Twenty-Seven Democracies 1945-1990, Oxford: Oxford UP, S. 10-56

 

Nohlen, Dieter (21990): Wahlrecht und Parteiensystem, Opladen: Leske + Budrich, S. 97-125

 

Sturm, Roland (1997): Das politische System Großbritanniens, in: Ismayr, Wolfgang (Hrsg.): Die politischen Systeme Westeuropas, Opladen: Leske + Budrich, S. 228-233

 

Timmermans, Arco (1991): Königreich der Niederlande, in: Steffani, Winfried (Hrsg.): Regierungsmehrheit und Opposition in den Staaten der EG, Opladen: Leske + Budrich, S. 283-314