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HOCHSCHULE FÜR FERNSEHEN UND
FILM
Filmanalyse
von
David Cronenberg
Spezielle
Filmanalyse
in der
Abteilung IV
SS ´97
Martin Schmitt
Abt. IV, Kurs ´95
Gartenstraße 6
80809 München
Tel. + Fax: 089 - 30 85 456
EMail: Martin.H.Schmitt@extern.lrz-muenchen.de
Inhaltsverzeichnis:
Seite
Besetzung und Stab 4
Sequenzprotokoll 6
1. Synopsis 8
2. Analyse anhand der Symbole
a.)
Vaginalnarben 10
b.)
Vaughans Limousine 11
c.)
Jayne Mansfield/Toter Affe 12
d.)
Die Waschanlage 12
e.)
Die Dreiecke 13
3. Die Bauformen (Intimsequenzen) 13
4. Charakterisierungen und daraus folgende
Zuordnungen von dramaturgischen Figuren
a.)
Ballard 16
b.)
Vaughan 17
c.)
Die Fahrzeuge 18
d.)
Catherine Ballard 19
e.)
Dr. Remington 19
f.)
Gabrielle 19
g.)
Seagrave 20
5. Dramaturgischer Aufbau 20
6. Fazit 21
Quellen-, Inhaltsverzeichnis 22
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: J.G. Ballard (Roman) und David
Cronenberg
Land: Kanada
Jahr: 1996
Länge: BRD 95 Min. (Canada:100 Min.)
Auszeichnungen: Special Award for Originality, Cannes
Produzenten:The Movie Network /Alliance
Communications/Téléfilm Canada
Kameramann: Peter Suschitzky
Musik: Howard Shore
Production Design: Carol Spier
Costume Design: Denise Cronenberg
Film Editing: Ronald Sanders
Altersfreigabe: FSK 18 Jahre (Canada:R-Rated; USA 17,
nur geschnittene Fassung)
Originalsprache: Englisch
Sound Mix: Dolby/SDDS
Verleiher: José Frade Producciones
Cinematográficas, S.A./Fine Line Features
Darsteller:
James Spader James
Ballard
Holly Hunter Helen
Remington
Rosanna Arquette Gabrielle
Elias Koteas Vaughan
Deborah Unger Catherine
Ballard
Peter MacNeill Colin
Seagrave
Yolande Julian Airport
Hooker
Cheryl Swarts Vera
Seagrave
Judah Katz Salesman
Nicky Guadagni Tattooist
Ronn Sarosiak A.D.
Boyd Banks Grip
Markus Parilo Man
In Hanger
John Stoneham Jr. Trask
Ron Vanhart Stunt
Driver
Alice Poon Camera
girl
Paul Rutledge Stunt
Driver
Shelley Cook Stunt
Driver
Tony Cordeiro Stunt
Driver
Marco Bianco Stunt
Driver
Branko Racki Stunt
Driver
Brian Renfro Stunt
Driver
Peter Ellery Stunt
Driver
Peter Szkoda Stunt
Driver
Anthony Tyukodi Stunt
Driver
Phil Chiu Stunt
Driver
Rick Parker Stunt
Driver
D. McLean Stunt
Driver
Lloyd Adams Stunt
Driver
David Cronenberg Auto
wreck salesman(voice)
Sequenzprotokoll
1.) 00:00:00 Titelsequenz
2.) 00:02:19 Kamerafahrt im
Flugzeughangar, Fahrt endet bei entblößter Frau
3.) 00:02:55 Frau reibt ihre
Brust an der Metalloberfläche eines Flugzeuges, Mann nähert sich von hinten,
liebkost die Frau, die orgiastisch erregt ist
4.) 00:04:23 Steady-Cam-Operator
macht sich für Dreharbeiten im Studio bereit, es wird nach dem Regisseur
„Ballard“ gesucht
5.) 00:04:50 Der Regisseur James
Ballard hat Sexualverkehr mit einer Asiatin
6.) 00:05:14 Ballard fragt
Catherine, wo sie war, sie steht auf dem Balkon und erzählt vom Flugzeughangar,
auch Ballard ist „nicht gekommen“, Blick auf die Motorways mit regem
Autoverkehr, „Vielleicht beim nächsten Mal“
7.) 00:06:23 Ballard am
Schreibtisch, er schreibt etwas in einen Block
8.) 00:06:31 Ballard sitzt in
seinem Fahrzeug, er liest etwas, während er das Fahrzeug steuert; als ein Blatt
auf den Boden fällt, verliert er die Kontrolle über das Fahrzeug
9.) 00:07:24 Frontalzusammenstoß,
ein toter Mann liegt auf dem Beifahrersitz, in seiner Hand ist der Abdruck des
Markenemblems auf der Kühlerhaube eingedrückt; die Frau des anderen Fahrzeuges
(Dr. Helen Remington) zeigt ihre nackte Brust und starrt Ballard an
10.) 00:08:00 Schwenk über das
monströse Beingestell und über die vaginale Narbe an Ballards Hals, seine Frau
Catherine sitzt am Krankenbett des verlassenen Flughafenkrankenhauses,
auffälliges Handdreieck zwischen den beiden; Ballard: „Nachdem man endlos mit
Werbemaßnahmen für die Verkehrssicherheit bombardiert wurde... es ist geradezu
eine Erleichterung, daß man selbst einen Unfall gehabt hat.“
11.) 00:10:18 Ballard läuft mit
dem Beingestell durch die Flure des Krankenhauses, Begegnung mit Dr. Remington,
die auf Krücken läuft, ein Arzt (Vaughan) mit einer Narbe im Gesicht schaut
sich Ballards Bein an, S/W-Fotos mit einem zusammengenähten Gesicht auf dem
Boden
12.) 00:12:20 Catherine wäscht
ihre Hände in einer Seifenlauge, Catherine erzählt Ballard eine erotische
Carcrashgeschichte, er reibt ihr über ihre Innenschenkel, sie greift ihm an
sein Geschlechtsteil, Catherine: „Ich fühl mich ihr [Dr. Remington] zu nahe“
13.) 00:14:17 Ballard sitzt im
Taxi, Blick auf den dichten Highwayverkehr
14.) 00:14:35 Catherine betastet
Ballards vernarbtes Bein, Ballard schaut mit Feldstecher von Balkon auf die
Autos, Ballard: „Dreimal soviel Autos, wie vor dem Unfall.“
15.) 00:15:30 Ballard läuft auf
Krücken, in einer Tiefgarage schaut er sich seinen Unfallwagen an, Pornofotos
auf der Fahrzeugmatte verstreut, Begegnung mit Dr. Remington, sie sucht den
Wagen ihres Mannes, Dreieckiges Betonteil im Hintergrund
16.) 00:19:20 Dr. Remington und
Ballard fahren mit Ballards Fahrzeug, gleicher Fahrzeugtyp wie Unfallwagen,
Ballard faßt sich an seine Halsnarbe, der Gurt drückt darauf, Dr. Remington hat
ihre Beine übergeschlagen, Dr. Remington: „Das Verkehrsaufkommen ist zehnmal so
hoch wie früher. Der Verkehr ist jetzt viel schlimmer.“, Beinahezusammenstoß
17.) 00:21:53 In Tiefgarage des
Flughafens, Ballard und Remington küssen sich, sie zeigt ihre Brust,
orgiastischer Quick-Sex
18.) 00:23:56 Catherine und
Ballard haben Sexualverkehr
19.) 00:24:22 Arzt aus
Krankenhaus zitiert James Dean: „Keine Sorge, der Kerl sieht uns bestimmt.“,
der tödliche Unfall James Deans wird nachgestellt, die beiden Oldtimer stoßen
zusammen, die Polizisten des Verkehrsministeriums lösen die illegale Veranstaltung
auf
20.) 00:31:15 Der verletzte
Seagrave, Vaughan, Ballard und Dr. Remington flüchten durch nahen Wald
21.) 00:31:45 Seagrave verletzt
auf dem Rücksitz, Vaughan am Steuer, Ballard und Dr. Remington fahren zu
Seagraves Haus, Dr. Remington orgiastisch erregt
22.) 00:32:32 In Seagraves
Wohnung, Seagraves Frau ist über seinen Zustand nicht schockiert, im
Hintergrund Fernsehnachrichten mit Meldungen über Verkehrsunfälle, Seagrave
willigt ein den Mansfield-Stunt mitzumachen, er wünscht sich „megagroße Titten“
23.) 00:35:25 In Vaughans
Werkstatt, Vaughan stellt Ballard sein neues Projekt vor, er zeigt Fotos von
Gabrielles Autounfall, Gabrielle hat ein Art Stahlkorsett an, ihre Beine sind
mit einem Stahlkörper geschient, sie zieht aus einer Klappe am Knie zwei
Zigaretten, Gabrielle zu Ballard: „Hier sind Sie also im Nervenzentrum.“,
Vaughan: „Es handelt sich um etwas,woran wir alle persönlich beteiligt sind.
Die Umformung des menschlichen Körpers durch die moderne Technologie.“
24.) 00:38:35 In Catherines Büro,
Ballard telefoniert: „Er soll es endlich abliefern.“
25.) 00:38:58 Vaughan fährt
Catherine dicht auf, Ballard schaut aus seinem Wagen zu
26.) 00:41:20 Catherine und
Ballard im Bett, Vaughans Wagen riecht nach Sperma, Catherine wünscht sich, daß
ihr Mann Vaughan in den Anus „fickt“
27.) 00:44:55 Dr. Remington und
Ballard „treiben“ es in der Tiefgarage
im Auto, Dr. Remington: „Bist du gekommen?“
28.) 00:46:25 In Seagraves
Wohnung, Seagrave reibt sich beim Betrachten eines dänischen
Crash-Test-Dummy-Videos über die Brüste, plötzliches Videostandbild, Dr.
Remington ist ganz versessen den Auffahrunfall des Videos sehen zu können,
Gabrielle, Dr. Remington und Ballard auf einer Couch, sie streicheln sich über
die Schenkel
29.) 00:48:46 Vaughan und Ballard
im Wagen, Beinahekollision mit anderem Pkw, Ballard schaut Unfallfotos an,
Vaughan: „Ein Crash ist eher ein befruchtendes als ein destruktives Ereignis.
Eine Freisetzung sexueller Energie, die die Sexualität derjenigen, die
gestorben sind mit einer Intensität vermittelt, die auf andere Weise unmöglich
zu erreichen ist. Das zu spüren, das zu durchleben, darin, darin ... besteht
mein Projekt.“, die Umformung des menschlichen Körpers durch die moderne
Technologie ist nur ein primitives Science-fiction-Konzept., bildet nur die
Oberfläche, niemand fühlt sich dadurch bedroht.
30.) 00:51:24 Prostituierte wird
in Tiefgarage von Vaughan angesprochen
31.) 00:52:38 Vaughan hat auf der
Rücksitzbank seines Fahrzeuges Sexualverkehr mit der Prostituierten
32.) 00:54:30 In einem Hinterhof,
Ballard teilt Vaughan mit, daß ihn seine Frau abholt
33.) 00:54:45 Vaughan wird von
Polizei verhört, Catherine mutmaßt, daß Vaughan absichtlich einen Fußgänger
überfahren hat, Ballard: „Ich kann den Verkehr nicht ertragen.“, Vaughan zeigt
seinen vernarbten Oberkörper, er ist erschöpft von dem Polizeiverhör und läßt
deshalb Ballard mit seinem 63er Lincoln fahren
34.) 00:56:23 Vaughan
fotografiert Unfallopfer, Ballard wischt sich mit einem Tuch die Hände ab,
vaginale Narbe an einer Seitentüre (00:59:19), Catherine fühlt sich von Vaughan
angezogen, sie setzt sich in einen Unfallwagen und wird von Vaughan
fotografiert, Vaughan entdeckt Seagraves Leichnam in einem Autowrack, Seagrave
ist als Jayne Mansfield verkleidet (Perücke, BH usw.)
35.) 01:01:02 Ballard weist
Vaughan darauf hin, daß sein Wagen blutbeschmiert ist
36.) 01:01:38 In der Waschanlage,
Vaughan und Catherine haben Sex, Ballard schaut zu, Shampoo läuft wie Sperma
die Fenster herab, Catherines Hand ist voller Sperma
37.) 01:06:25 Catherine hat an
einem Schenkel blaue Flecken, man sieht den Abdruck von Vaughans Hand, Ballard
versucht mit Catherine zärtlichen Sex, doch Catherine signalisiert
Teilnahmslosigkeit, sie schaut abwesend nach oben
38.) 01:08:28 Gabrielle und
Ballard in einem Autosalon, ihre vaginale Narbe an der Rückseite ihres
Schenkels ist zu sehen, sie bittet den Verkäufer ihr in den Wagen zu helfen und
schlitzt mit dem Drahtgestell ihres Beines den Ledersitz des Luxuscabriolets
auf, Ballard und Gabrielle streicheln sich über das Knie
39.) 01:11:10 Ballard und
Gabrielle in einem Wagen, Ballard streichelt ihr über ihre übergroße Vaginalnarbe,
er ergießt darin sein Sperma
40.) 01:13:13 Ballard im
Regiestuhl, Anruf von Vaughan
41.) 01:13:53 Vaughan erhält eine
kosmetische Tätowierung, er zeigt Ballard eine Skizze
42.) 01:14:55 Ein Wundpflaster
wird abgenommen, zu sehen ist die Tätowierung auf Ballards Schenkel, sie zeigt
den Fahrzeugstern seines Wagens, Vaughan leckt Ballard über die frische
Tatoo-Wunde, beide Männer liebkosen sich, Ballard küßt Vaughans Tatoo-Wunden,
Vaughan ist orgiastisch erregt, Kamerafahrt von rechts nach links
43.) 01:17:07 Ballard verläßt den
Wagen und geht auf einen Schrottplatz, in einem Schrottwagen wird er von
Vaughan mit dessen Wagen mehrmals gerammt
44.) 01:19:41 Ballard und
Catherine auf dem Balkon, Ballard schaut mit Feldstecher auf Highway herunter
45.) 01:20:37 Catherines Wagen
hat einen Blechschaden, Ballard streichelt mit seiner Hand über die Delle
46.) 01:21:07 Ballard und
Catherine auf einer menschenleeren Autobahn, Ballard: „Der Verkehr, wo sind
denn alle hin? Die sind alle verschwunden.“
47.)01:21:43 Vaughan alleine in
seinem Wagen, er nimmt die waghalsige Verfolgung von Ballards Wagen auf
regennasser Straße auf, Vaughan stürzt eine Brücke herab und landet mit seinem
Wagen auf dem Dach eines Autobuses, Vaughan kommt dabei ums Leben
48.) 01:24:29 Auf dem Parkplatz
der Polizei, Gabrielle und Dr. Remington steigen in Vaughans Unfallwagen ein,
sie liebkosen sich auf der Rücksitzbank
49.) 01:26:11 Ballard erhebt
Anspruch auf Vaughans Unfallwagen, seine Frau ist bei ihm
50.) 01:26:42 Ballard fährt mit
dem Wagen Vaughans auf Catherines Wagen auf, Catherine fährt den Abhang hinab
51.) 01:29:12 Catherine liegt
neben dem Wagen, der sich überschlagen hat, sie hat Schnittwunden auf der
Stirn, Catherine: „Es ist nichts passiert.“, Ballard: „Vielleicht beim nächsten
Mal, Schatz.... Vielleicht beim nächsten Mal.“, orgiastisches Liebesspiel
52.) 01:32:16 - 01:35:45 Abspann
1.
Synopsis
Catherine hat in einem Flugzeughangar
Sexualverkehr mit einem Mann. Als James Ballard, ihr Ehemann, wissen will wo
sie war, erzählt sie ihm, daß der fremde Mann
nicht „gekommen“ sei. Sie schaut dabei von einem Balkon auf ein Gewirr
von sich kreuzenden Highways herab. Catherine meint nur, daß es vielleicht beim
„nächsten Mal“ klappe. Auch der Regisseur Ballard war zuvor erfolglos mit
seiner Kamerafrau, da er aufs Set mußte, bevor die Kamerafrau „kam“.
James Ballard hat einen schweren
Autounfall. Ein toter Mann liegt auf seinem Beifahrersitz. Dessen Frau scheint
sich nach dem Crash sexuell erregt zu fühlen.
Der schwerverletze Ballard wird in das
menschenleere Flughafenkrankenhaus eingeliefert. Dort trifft er auf die Frau
des toten Mannes, Dr. Remington, und auf einen merkwürdigen Arzt, der ihn von
oben bis unten mustert.
Ballard und Dr. Remington begegnen
sich wieder, als sie ihre Autowracks anschauen. Sie fahren gemeinsam zum
Flughafen, um dort in einem Parkhaus miteinander Sexualverkehr zu haben.
Sie besuchen eine illegale
Autostuntvorführung. Ballard erkennt dort den angeblichen Arzt aus der
Krankenhausklinik wieder. Es handelt sich dabei um Vaughan, der nun als
Stuntman einen Crash inszeniert. Als Beamte des Verkehrsministeriums die
Veranstaltung auflösen, flüchten Ballard und Dr. Remington mit Seagrave, dem
zweiten Stuntman, und Vaughan durch den Wald. In Vaughans Domizil weiht er
Ballard in seine Pläne ein. Er möchte „die Umformung des menschlichen Körpers
durch menschliche Technologie“ vorantreiben. Gabrielle erscheint in Vaughans
Zimmer. Sie trägt an beiden Beinen eine Schiene. Auch der Rest ihres Körpers
ist in ein Stahlkorsett gezwängt.
Vaughan verfolgt mit einem schweren
Straßenkreuzer den Sportwagen von Catherine. Nach der gefährlichen Begegnung
wünscht sich Catherine eine erotische Begegnung mit Vaughan.
Vaughan steht unter Verdacht,
absichtlich einen Fußgänger überfahren zu haben. Er ist erschöpft von einem
Polizeiverhör und läßt deshalb Ballard mit seinem 63er Lincoln fahren. Sie
machen an einer Massenkarambolage halt. Vaughan fotografiert die Toten und
Verletzten. Er entdeckt Seagraves Leichnam in einem Autowrack, der sich als Jayne
Mansfield kostümiert hat. Vaughans Wagen ist blutverschmiert und er, Ballard
und Catherine fahren in eine Waschanlage. Auf der Rücksitzbank, während der
Durchfahrt durch die Waschanlage, haben Vaughan und Catherine Sexualverkehr.
Catherines Mann schaut dabei ungerührt zu.
Ballard versucht in seiner Wohnung
wieder mit seiner Frau sexuell zu verkehren, doch sie zeigt sich
desinteressiert. Nach einem Besuch in einem Autosalon ergießt sich Ballards
Sperma in die Vaginalnarbe von Gabrielles Bein.
Vaughan erhält eine kosmetische
Tätowierung. Ballard tut es ihm gleich und er läßt sich das Logo einer
Automarke einbrennen. Wenig später kommt es in Vaughans Wagen zu einem
gleichgeschlechtlichen Kontakt mit Ballard. Ballard verläßt den Wagen und geht
auf einen Schrottplatz. Er setzt sich in ein Autowrack und wird von Vaughans
Wagen mehrmals gerammt.
Catherines Wagen hat einen
Blechschaden. Ballard vermutet, daß Vaughan dahinter steckt. Vaughan nimmt die
waghalsige Verfolgung von Ballards Wagen auf regennaßer Straße auf. Schließlich
stürzt Vaughan eine Brücke mitsamt seinem Wagen herab. Er reißt dabei noch
viele andere Menschen in den Tod, da sein Wagen auf das Dach eines Busses
stürzt.
Auch Gabrielle und Dr. Remington
verkehren miteinander im Auto.
Ballard erhebt bei der Polizei
Anspruch auf Vaughans Unfallwagen. Wenig später tut er es Vaughan gleich und er
nimmt mit seinem Wagen die Verfolgung von Catherines Sportwagen auf. Er drängt
sie von der Straße ab. Sie liegt neben ihrem Wagen, der sich mehrmals
überschlagen hat. Trotz ihrer Verletzungen hat sie Sexualverkehr mit Ballard.
Sie sagt: „Es ist nichts passiert.“ Er entgegnet ihr nur: „Vielleicht beim
nächsten Mal, Schatz... Vielleicht beim nächsten Mal.“
2.
Analyse anhand der Symbole
a.)
Vaginalnarben
Die Unfallnarben der Figuren Ballard
und Gabrielle sowie das Loch im Türblech eines verunglückten Fahrzeuges haben
alle die Form einer weiblichen Vagina. In dieser Vaginalform liegt auch ein
Schlüssel zum Verständnis des Filmes.
Als Ballard an einem Unfallwagen vorbeiläuft
und den vaginal aussehenden Blechschaden an dem Fahrzeug betrachtet (Sequenz
34, 00:59:19), sieht er kurz darauf wie seine Frau und Vaughan in einen
Unfallwagen einsteigen, um dort den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Vaughan
und Catherine sind durch die Crashwagen sexuell erregt und müssen sich
katharsische Befriedigung verschaffen. Die Folgen des Geschlechtsaktes zwischen
Vaughan und Catherine sind schmerzhaft. Vaughans Handabrücke zeichnen sich
deutlich als Blutergüsse auf Helens Schenkel ab (Sequenz 37).
Die Vaginalsymbolik
kündigt stets einen Geschlechtsverkehr an. Sie soll den Zuschauer auf das
bevorstehende Sexualereignis einstimmen, ihn stimulieren. Ballard fühlt sich
vor dem ersten Geschlechtsverkehr mit Dr. Remington in der Tiefgarage durch
seine Vaginalnarbe am Hals gestört. Schließlich löst er den Autogurt (Sequenz
16), um so, symbolisch befreit von den Zwängen einer bürgerlichen
Moralvorstellung, wenig später mit Dr. Remington in der Tiefgarage kopulieren
zu können.
Als sich Gabrielle im
Autosalon in die Luxuskarosse nach vorne beugt, ist ihre am linken Bein
langgezogene Vaginalnarbe zu sehen (Sequenz 38). Der Autoverkäufer ist
irritiert und zugleich sexuell erregt, was sich an seiner Unsicherheit
gegenüber der Kundin äußert. Sein Benehmen hat sicherlich auch eine
Stellvertreterfunktion, die das Verhalten der Zuschauer widerspiegelt, welche
sich einer durch die Narbe verursachten Gefühlserregung nicht entziehen können,
ihr Verhalten aber als bizarr einstufen müssen.
Wenig später ergießt sich Ballards
Sperma in Gabrielles Narbe (Sequenz 39). Beide Geschlechtspartner sind
orgiastisch erregt. Dabei ist Ballards Gewalttätigkeit subtiler, weniger
offensichtlich, als Vaughans schmerzbringende Gewalt gegenüber Catherine.
Ballards Gewalt manifestiert sich an einem Fetischgegenstand: Gabrielles
Beingestell, welches sehr stark Kleidungsstücken der Sado-Maso-Szene
nachempfunden ist. Als er das Beingestell abnimmt, nimmt er die Gewalt
sozusagen in die eigene Hand.
Auch die intime Berührung und das Anstarren
von Ballards Vaginalnarbe durch Vaughan kündigt einen Sexualakt an (Sequenz
11). In Sequenz 42, Vaughan leckt Ballard über eine frische Tatoo-Wunde, findet
der Geschlechtsakt dann schließlich statt.
Neben der Einstimmung auf eine sexuelles Ereignis, hat die
Vaginalnarbe auch die Funktion die Message des Filmes zu symbolisieren. Die
Narben sind durch gewaltsames Eindringen in einen fremden Körper (Fleisch oder Blech)
entstanden. Der Körper wurde „befruchtet“ und aus dem Thrill der Befruchtung
entsteht Lust[1].
Vaughan drückt es so aus: „Ein Crash ist eher ein befruchtendes als ein
destruktives Ereignis. Eine Freisetzung sexueller Energie, [...] die auf andere
Weise unmöglich zu erreichen ist.“ (Sequenz 29). Die Erzeugung des Lustgefühls
durch Gewalt - den Crash - ist die Primärbotschaft des Filmes.
Die zweite Botschaft von „Crash“, die
Verschmelzung von Mensch und Metall, und damit die Schaffung eines neuen
emotionslosen Menschentypus, ist sekundär, oder wie Vaughan sich ausdrückt „nur
ein primitives Science-fiction-Konzept“[2].
Cronenberg zieht folgerichtig aus der Verschmelzung von Ballard und
Gabrielle mit ihren monströsen Beingestellen nur eine rein filmästhetische
Konsequenz.
b.)
Vaughans Limousine
Vaughans Limousine, ein 63er Lincoln,
hat in der amerikanischen Geschichte eine besondere Bedeutung. Es ist der
Fahrzeugtyp, in dem Präsident Kennedy 1963 erschossen wurde. Die Aussage, daß
Vaughans Wagen nach Sperma rieche (Helen, Sequenz 26) ist deshalb auch als ein
Angriff auf die staatlichen Institutionen Amerikas zu sehen, die traditionell
als „rein“ und frei von sexuellen Perversitäten zu gelten haben. Helen fragt
ihren Mann, ob er sich vorstellen könne Vaughan in dessen Wagen zu „ficken“.
Dies ist auch eine Anspielung auf den katholisch erzogenen Präsidenten Kennedy,
dessen Kirche eine homosexuelle Beziehung bis heute als „Todsünde“ ansieht.
c.)
Jayne Mansfield/Toter Affe
Jayne Mansfield war ein Pin-up-Girl
der 60er Jahre, das durch einen tragischen Autounfall ums Leben kam. Das Marilyn Monroe nacheifernde Sexsymbol wurde
bei einem Autounfall regelrecht geköpft. Seagraves transvestivistisches
Verhalten deutet die fetischistische Begierde an, welche aus dem Aneignen
geschlechtsfremder Körperteile erwächst (Sequenz 28, Seagrave streicht sich
über seine „Brüste“). Pin-up-Bilder wurden in der Vergangenheit oft als
sexuelle anregend betrachtet, wirken heute aber zumeist in ihrer anpreisenden
Wirkung antiquiert. In den 90er Jahren wurden die Pin-ups durch fetischistische
Hilfsmittel ersetzt. Die Brustprothesen sind Ausdruck des Versuches die
sexuellen Anregungen noch weiter zu steigern.
Der tote Affe in Seagraves Unfallwagen
deutet Sodomie an. Aus Zensurgründen konnte Cronenberg hier aber nicht
deutlicher werden[3] .
d.)
Die Waschanlage
Die Waschanlage soll Vaughans Wagen
vom Blut reinwaschen (Sequenz 35). Anders als Ballard es jedoch erwartet hatte,
wird der Wagen nicht wirklich gereinigt, sondern nur mit dem Sperma (an
Catherines Hand zu sehen und auch in Form des Shampoos angedeutet) Vaughans neu
befleckt (Sequenz 36).
Die Deutung dieser Filmsequenz ist
innerhalb des gesamten Filmes isoliert zu betrachten. Sie ist Protest des
Filmkünstlers Cronenberg gegen die Political-Correctness Amerikas, die es
zusehend schwieriger macht das Thema Sexualität im Film zu zeigen. Oft werden
von den Moralwächtern der PC die Begriffe Sexualität und Pornographie in
einem Atemzug genannt und gesetzliche Verbote zur Reinhaltung der bürgerlichen
Moralvorstellungen durchgesetzt. Cronenberg wollte mit dieser
Waschanlagensequenz zeigen, daß Sexualität nicht zwangsläufig auch Pornographie
zur Folge hat. Die Regieführung ist hier sehr behutsam und zeigt eine sexuelle
Fantasie, in die die drei Akteure eintauchen. Die Sequenz ist keine
semi-dokumentarische Begegnung von Säugetieren,wie sie nur dem Pornofilm
zuzuordnen ist.[4]
e.)
Die Dreiecke
Das Haltedreieck über Vaughans
Krankenbett (Sequenz 10) sowie das dreieckige Betonteil in der Tiefgarage, als
Dr. Remington und Ballard vor dem Unfallwagen stehen im Hintergrund zu sehen
(Sequenz 15), stehen für die Dreiecksbeziehung zwischen Ballard, seiner Frau
und Dr. Remington. Catherine teilt Ballard mit, daß sie sich Dr. Remington nahe
fühle (Sequenz 12).
3.
Die Bauformen (Intimsequenzen)
Auffallend bei den Intimsequenzen von
Ballard, Vaughan, Catherine, Gabrielle und Dr. Remington ist die ganz
individuelle Verwendung von Kameraperspektiven und Schwenks. Auch auf der
Tonebene wird mit unterschiedlichen Stilmitteln gearbeitet. Hiermit gelingt es
einen unterschiedlichen Grad der Verstörtheit beim Zuschauer zu erreichen.
Als Ballards Frau Catherine ihren Mann
mit einer feuchten Hand unter den Pullover greift (Sequenz 12), kommt es zu
einem Achsensprung. Der Achsensprung unterstützt die verstörende Wirkung ihrer
erotischen Darstellung von blutbespritzten Unfallwägen.
Die Kamera vollführt einen
halbkreisförmigen, harmonischen Schwenk um Ballard und Dr. Remington, als sie
zum erstenmal miteinander im Auto verkehren (Sequenz 17). Hiermit wird
signalisiert: es besteht für Ballard keine Gefahr, Dr. Remington ist
ungefährlich. Die Geschlechtsteile werden durch die Fahrzeugrahmen abgedeckt
und die Szene ist dunkel ausgeleuchtet. Auch der Sexualverkehr in der
Tiefgarage (Sequenz 27) ist für Ballard gefahrlos. Auch hier werden die
Geschlechtsteile nicht gezeigt, der Sexualverkehr verläuft insgesamt eher
lustlos. Schließlich muß Dr. Remington sogar fragen, ob er „gekommen“ ist.
Als Ballard mit seiner Frau verkehrt
(Sequenz 18), bewegt sich die Kamereinstellung im halbnahen bis halbtotalen
Bereich. Die Szene ist heller als Sequenz 17 ausgeleuchtet, Sichthindernisse
sind nicht vorhanden. Auch hier wird signalisiert, daß keine Gefahr besteht. Im
Gegensatz zum außerehelichen Verkehr mit Dr. Remington braucht hier nichts
hinter Gegenständen versteckt zu werden, da die bürgerliche Moral nichts gegen
einen Liebesakt zweier verheirateter Menschen einzuwenden hat.
Nachdem Vaughan Ballards Frau mit
seinem Wagen bedroht hat, ändert sich die Situation in Ballards Ehebett. Nun
schwenkt in Sequenz 26 die Kamera aus dem Küchenraum über Gitterstäbe hinüber
in das Schlafzimmer. Die Beleuchtung ist gedämpft. Dunkle Vorstellungen haben
Catherine befallen. Sie spricht davon, daß Vaughans Wagen voller Sperma sein
muß und will wissen, ob ihr Mann sich vorstellen könne Vaughans Anus zu
„ficken“. Alternierend werden die Großeinstellung der Köpfe und das
kopulierende Paar in der Halbtotalen montiert. Die gedämpfte Beleuchtung,
Catherines Monolog und die alternierende Montage verstören den Zuschauer: In
den sicheren Hort des Schlafzimmers aus Sequenz 17 ist die dunkle Fantasie
Vaughans eingedrungen.
Vaughans gewalttätige Sexualpraktiken
haben in Sequenz 37 den Hort des
Schlafzimmers schließlich erreicht. Die durch die Vorgänge in der Waschanlage
(Sequenz 36) physisch (Blutergüsse, Schürfwunden) und psychisch geschädigte
Ehefrau Ballards ist für die Zärtlichkeiten ihres Mannes nicht mehr
empfänglich. Eine langsame Zoomfahrt auf sie und Ballard im Ehebett sowie die
gedämpften Streicherklänge helfen die Entfremdung zu verstärken.
Nach dem Anschauen eines dänischen
Crash-Test-Videos (Sequenz 28) streicheln sich Gabrielle, Dr. Remington und
Ballard - auf einer Couch sitzend - gegenseitig über die Schenkel. Als der
Videorecorder nach einer kurzen Zwangspause den Crash eines Dummy-Tests zeigt,
ist Dr. Remingtons Lust befriedigt. Das Streicheln über die Schenkel ist
deshalb als eine Art liebevolles Nachspiel zu sehen. Als Bauform für dieses
liebevolle Nachspiel verwendet Cronenberg einen langsamen Schwenk in der
Naheinstellung über die Beine der Darsteller.
Der dissonante Soundtrack in Sequenz
31 (Vaughan hat Sexualverkehr mit einer Prostituierten auf der Rücksitzbank
seines Pkw) legt die Betonung auf das „Verbotene“ des Vorgangs. Sex gegen Geld,
das ist gerade im prüden Nordamerika ein Tabuthema. Dennoch ist die
Prostitution in Nordamerika weit verbreitet und jeder wirft gern heimlich seine
Blicke (wie Ballard mithilfe des Rückspiegels) auf das verbotene Schauspiel.
Unterstützt werden die voyeuristischen Blicke durch immerwiederkehrende langsame
Schwenks von Ballard auf Vaughan und die Prostituierte.
Auffallend sind die zahlreichen
Augenkitzler innerhalb der Waschanlagensequenz (Sequenz 36), als Catherine und
Vaughan unter den Augen Ballards den Geschlechtsakt vollführen. Die
Augenkitzler kommen zunächst beim Einfahren in Form von Pfeilern und Stützen
der Waschanlage vor. Später wird der Erregungszustand des Zuschauers durch
rotierende Waschbürsten und Lappen auf hohem Niveau gehalten. Die Geräusche der
Waschanlage (Ohrenkitzler) verstärken den emotionalen Input der Augenkitzler.
Beide Erregungsfaktoren weisen daraufhin, daß der Autor in diese Sequenz einen
dramaturgischen Wendepunkt installiert hat. Das Verhältnis von Catherine zu
Ballard ändert sich hier rapide. Bis zur Schlußeinstellung (Sequenz 51) hat er
mit seiner Frau keinen Sexualverkehr mehr. Seine Zärtlichkeit ist nichts mehr
wert. (Siehe auch Sequenz 37, weiter oben).
Die Verwendung von kaltem Licht, ein
einleitender langsamer Schwenk auf den Ort des bizarren Geschehens sowie der stetige
Wechsel von Groß- in Naheinstellungen, das ist charakteristisch für Sequenz 39,
in der Ballard in die Vaginalnarbe Gabrielles sein Sperma ergießt. Das kalte,
bläulichgraue Licht vergrößert die ohnehin große Distanz des Zuschauers zum
exotischen Vorgang.
Ein Achsensprung aus der Totalen
(Schwenk über Säulen) in eine Halbnahe sowie die Anwendung des
diskontinuierlichen Ellipsenschnitts (Zeigen der Tatoo-Wunde auf Vaughans
Bauch) führen beim gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr zu einer
disharmonischen Wahrnehmung des Zuschauers. (Sequenz 42).
Ganz anders dagegen die Darstellung
des gleichgeschlechtlichen Sexualverkehrs zwischen Catherine und Dr. Remington
(Sequenz 48). Eine smoothe Kranfahrt führt uns an die lesbischen Akteure aus
der Vogelperspektive heran. Es entsteht ein weicher, „orbikularer“ Eindruck.
Der Sexualverkehr zwischen beiden verläuft harmonisch.
„Es ist nichts passiert“, sagt die
verletzte Catherine, bevor ihr Ehemann das orgiastische Liebesspiel mit ihr
beginnt. Ähnliches könnte man auch von der Kamera in der Schlußeinstellung
(Sequenz 51) sagen, die in langsamem Tempo zwischen halbnaher, naher und
totaler Einstellung wechselt. In der nahen Einstellung (Catherine und Ballard
liegen am Boden) verbleibt die Kamera sogar ganze zwei Minuten ohne
Zwischenschnitte. Aus diesem ruhigem Rhythmus heraus ergibt sich das Gefühl
distanzierter Emotionslosigkeit, welches sich durch den ganzen Film zieht und
hier nochmals überdeutlich zelebriert wird.
4.
Charakterisierungen und daraus folgende Zuordnungen von dramaturgischen
Grundfiguren
a.)
Ballard
Ballard wird als passive Person
dargestellt. Nach dem Frontalzusammenstoß mit dem Fahrzeug des Mannes von Dr.
Remington schaut er nur passiv auf Dr. Remingtons Brust, ohne selbst dabei zu
agieren (Sequenz 9). Wenig später schon, in Sequenz 12, streichelt seine ihm
Frau Catherine über seine Schenkel. Auch in dieser Situation bleibt der
verletzte Ballard passiv; er läßt die Dinge auf sich zukommen und übt keine
Gegenwehr aus.
Auch die medizinische Begutachtung
durch den falschen Arzt Vaughan im Flughafenkrankenhaus läßt er passiv über
sich ergehen (Sequenz 11).
Vor dem ersten sexuellen Kontakt mit
Dr. Remington hat sie die Initiative ergriffen und läßt ihn auch in die
Tiefgarage fahren (Sequenzen 16 und 17). In Sequenz 27 muß ihn Dr. Remington
sogar fragen, ob er „gekommen“ ist. Ballards passives Sexualverhalten wird hier
überdeutlich.
Auch als in der Waschanlage (Sequenz
36) seine Frau Catherine mit Vaughan verkehrt, schaut er nur über die
Rückspiegel zu, als sei seine Frau eine Prostituierte und nicht seine Ehefrau.
Als er zum ersten Mal die Initiative
ergreifen will und versucht mittels zärtlicher Berührungen seine Frau für sich
zu gewinnen, scheitert er zunächst. Die psychisch und physisch durch Vaughan
geschädigte Ehefrau verweigert sich ihm, indem sie einfach teilnahmslos an die
Decke schaut (Sequenz 37).
Nach dieser Sequenz findet eine transition Ballards statt. Er wird in zunehmenden Maße aggressiver und damit
auch aktiver. Jetzt fängt er sogar an Gabrielles Beingestell zu entfernen, um
schließlich in ihre Vaginalnarbe sein Sperma zu ergießen. Später leckt er
Vaughans frische Tatoo-Wunde, nachdem er das Wundpflaster abgenommen hat
(Sequenz 42).
Als Höhepunkt seiner inneren
Entwicklung verfolgt er mit dem Wagen Vaughans seine Ehefrau, bis diese den
Abhang herabstürzt (Sequenz 50). Er übernimmt die Rolle des aggressiven
Vaughan, nachdem dieser bei einer waghalsigen Verfolgungsjagd gestorben ist (Sequenz
47).
Ballard ist ein Protagonist, obwohl er kein offensichtliches Ziel im Film verfolgt.
Er wird vielmehr durch Dr. Remingtons und Vaughans Treiben an das Ziel
gebracht: Er übernimmt zum Schluß die Rolle Vaughans.
Ballard wird von bizarren Lustgefühlen
angetrieben, die aktiviert wurden, ohne daß er darüber zu reflektieren in der
Lage wäre. Trotz seiner inneren Veränderung bleibt er demnach ein passiver
Charakter. Dies ist sehr ungewöhnlich, da er auch nicht die dramaturgische
Figur eines epischen Point-of-View-Protagonisten einnimmt. Die ungewöhnliche Passivität eines
- normalerweise aktiven -Protagonisten liefert die Erklärung für die eigenartig
distanzierte Grundstimmung des Films.
b.)
Vaughan
Vaughan ist der Antipode zum passiven
Ballard. Bereits bei der ersten Begegnung mit Ballard übernimmt er den aktiven
Part, als er sich Ballards verschientes Bein anschaut (Sequenz 11). Als er mit
Ballard, Dr. Reminton und dem verletzten Seagrave nach Hause fährt, fängt er
an, Dr. Remington zwischen die Schenkel zu greifen; Ballard bleibt dabei völlig
passiv. Vaughans lebensbedrohende Aggressivität manifestiert sich deutlich, als
er Catherine dicht mit seinem Lincoln auffährt (Sequenz 25). Wenig später
wünscht sich Catherine, daß ihr Mann Vaughan in den Anus „fickt“. Vaughans
aggressive Aktivität kann sich nun sogar in Ballards Schlafzimmer einnisten
(Sequenz 26).
Vaughan versucht seine Aggressivität
hinter dem Mantel einer Philosophie zu verkleiden, indem er behauptet, daß ein
Crash „eher ein befruchtendes als ein destruktives Ereignis“ sei. Ballard ist
fasziniert von Vaughans Einstellung (Sequenz 29).
Vaughan besorgt eine Prostituierte und
hat mit ihr ebenso wie mit Ballards Ehefrau sexuelle Erlebnisse auf der
Rücksitzbank seines Wagens (Sequenzen 30 Tiefgarage und 36 Fahrt durch
Waschanlage). Er geht bei seinen sexuellen Vergnügungen äußerst rüde vor.
Catherine hat nach dem Ereignis in der Waschanlage Schürfwunden und blaue
Flecken (Sequenz 37).
Doch Vaughans Gewalt richtet sich
nicht nur gegen andere, sondern er mißhandelt auch seinen Körper. E läßt sich
riesige brandings anfertigen
(Sequenz 42).
Als er erkennt, daß der bisher passive
Ballard sich innerlich verändert und zusehend aktiv wird (Ballard nimmt ihm das
Wundpflaster ab), zieht er daraus die Konsequenz und rammt kurz darauf den in
einem Schrottfahrzeug sitzenden Ballard mit
seinem Wagen auf dem Schrottplatz. Auch vor dem Wagen Catherines macht
er nicht halt und er hinterläßt eine Delle in ihrem Sportwagen (Sequenz 45).
Schließlich kommt Vaughan bei einer
waghalsigen Verfolgungsjagd von Ballard ums Leben (Sequenz 47). Vaughans Wagen
repräsentiert auch dessen Aggressivität und folgerichtig übernimmt sein
Nachfolger Ballard das Fahrzeug.
Vaughan ist aktiv und aggressiv. Sein
Ziel ist es, aus einem Crash eher ein befruchtendes als ein destruktives
Ereignis zu machen. Energie soll freigesetzt werden, die sonst unmöglich zu
erreichen ist (Vaughan, Sequenz 29). Er ist ein Mentor für Ballard, da er
versucht ihm diese Botschaft näherzubringen, indem er ihn in seinem Wagen
mitnimmt, ihn später sogar darin fahren läßt (Sequenz 33). Vaughan nimmt allein
die Rolle eines Mentors ein. Auch sein Vorhaben Ballard mit seinem
Wagen zu töten (Sequenzen 43 und 47), kann nicht den Schluß zulassen, daß er
eine Wandlung in einen Antagonisten durchgemacht hätte, der nun darauf aus ist
das Leben seines gegnerischen Protagonisten zu beenden. Dies würde keinen Sinn mehr
machen, da Ballard bereits das Ziel erreicht hat, indem er die Aggressivität
und Aktivität von Vaughan übernommen hat. Ein Antagonist macht aber nur
dann Sinn, wenn er einen Protagonisten vom Ziel abbringen will. Ohne dieses Ziel
läßt sich die dramatische Figur eines Antagonisten nicht definieren.
c.)
Die Fahrzeuge
Die Fahrzeuge sind alle mit dem „Hauch
des Todes“ belastet. Vaughans und Ballards Fahrzeuge verfolgen das Ziel
Menschenleben zu vernichten. Sie sind damit dem Ziel der Menschen
entgegengesetzt, die aus dem Thrill der Befruchtung durch einen Crash das Gefühl
der Lust ernten wollen. Man kann aber seine Ernte nur einfahren, wenn man noch
am Leben ist. Da die Fahrzeuge in „Crash“ diesem Ziel der Lustgewinnung
entgegenstehen, kann ihnen die dramaturgische Figur des Antagonisten zugeordnet
werden.
d.)
Catherine Ballard
Catherine Ballard ist ein emotion-character, der - so paradox das
klingen mag - sehr kalt charakterisiert wird. Deutlich wird die kalte
„Emotionalität“ schon bei ihrem ersten Auftauchen (Sequenzen 2 und 3), als sie ihre nackte Brust an der kalten
Metalloberfläche eines Flugzeuges reibt. Sie kleidet ihren Sexualverkehr mit
Ballard mit emotionsgeladenen (schwülstigen) Geschichten von Verkehrsunfällen
fremder Menschen aus (Sequenz 12, 26), die sie distanziert erzählt. Zwar ändert
sich das nach dem Sexualverkehr mit Vaughan in der Waschanlage (Sequenz 36),
denn als ihr Mann anschließend versucht sie sexuell zu erregen, bleibt sie
stumm, aber diese kurzfristige transition des Charakters, hin zu völligen
Emotionslosigkeit, ist nur eine kurzzeitige Folge des Sexualverkehrs mit dem
brutalen Vaughan, nicht aber aber eine langfristige Charakterveränderung.
Schließlich findet sie in der Schlußsequenz zur kühlen Emotionalität zurück,
als sie - sexuell erregt - sagt: „Es ist nichts passiert.“
Ein emotion-character, der nahezu gefühllos erscheint, das ist eine
wirklich einzigartige Charakterisierung, wie sie nur ein Cronenberg schaffen
konnte. Sie trägt zum bizarr wirkenden Gefühl distanzierter Emotionslosigkeit
bei, das sich durch den ganzen Film zieht.
e.)
Dr. Remington
Dr. Remington ist das charakterliche
Gegenstück zu Catherine. Sie repräsentiert den reason-character. Nach dem Beinaheunfall in Ballards Wagen (Sequenz
16) bleibt sie sehr ruhig. In Sequenz 47, als sie es mit Ballard in der
Tiefgarage „treibt“, fragt sie kalt, ob Ballard den gekommen sei. Ihr Verstand
steht demnach der Emotionalität einer sexuellen Erregung vor. Auch der
plötzliche Tod ihres Mannes scheint sie nicht zu berühren. Bezeichnend ist auch
ihre Arbeit bei der Einwanderungsbehörde. Auch hier läßt sie keinen Ausländer
„reinkommen“, genau wie sie auch die Gefühle von sich abweist.
Ihre Gefühlskälte löst sich erst am
Ende des Filmes auf (Sequenz 48), als sie gleichgeschlechtlichen Verkehr mit
Gabrielle in Vaughans Unfallwagen hat. Erst jetzt kann sie Emotionen zeigen,
als sie ihrer latent lesbischen Neigung nachgibt.
f.)
Gabrielle
Gabrielle ist ein sidekick-character. Sie unterstützt sowohl den Mentor Vaughan als
auch den Protagonisten Ballard. Vaughan dient sie als inspiratorisches Objekt,
das seiner Idealvorstellung der Verschmelzung Mensch/Metall am nächsten kommt.
Deutlich wird ihre inspirative Rolle anhand der Fotos, die Vaughan Ballard
zeigt (Sequenz 23). Sie ist dabei Teil von Vaughans „neuem Projekt“, der
„Umformung des menschlichen Körpers durch die moderne Technologie“.
Gabrielle unterstützt Ballards
reifende Aggressivität, indem er sein Sperma in ihre Vaginalnarbe ergießen kann
(Sequenz 39). Ballard nimmt danach zunehmend aggressive Verhaltensmuster von
Vaughan an; er imitiert ihn sogar (Brandings, Auffahren mit seinem Wagen auf
Catherines Wagen).
g.)
Seagrave
Auch Seagrave ist ein sidekick-character. Er dient Vaughan als
Werkzeug, das ihm hilft die Befruchtungen (Crashs) zu inszenieren, um zu einer
Lustbefriedigung zu gelangen. Die letzte Lustbefriedigung, die er Vaughan geben
kann ist sein Unfalltod.
5.
Dramaturgischer Aufbau
„Crash“ ist ein klassischer Dreiakter
mit einem Mini-Act innerhalb des dritten Aktes. „Crash“ wird
zeitlich linear erzählt und verzichtet auf Subplots.
Der Inciting Incident des
Frontalzusammenstoßes (Sequenz 9) führt uns in den zweiten Akt ein, denn der
Frontalzusammenstoß verändert das Leben Ballards, indem er mit Vaughan und Dr.
Remington in Kontakt kommt.
Die midact-crisis des zweiten
Aktes ist die Sequenz in der Waschanlage (Sequenz 36). Die Hauptakteure sind in
der Waschanlage von Vaughans 63er Lincoln eingesperrt. Die Charaktere werden
hier explizit vorgeführt. Ballard (der Passive) und Catherine (die Emotionale)
sowie Vaughan (der Mentor) agieren hier gemäß ihrer vorgegebenen Rollen.
Ballard schaut passiv dem Liebestreiben seiner Frau zu, die sich lustvoll
Vaughan hingibt. Der Mentor Vaughan führt ein Schauspiel für seinen Schüler
Ballard vor; er zeigt ihm, was aggressive Sexualität bedeutet. Die midact-crisis ist das Resultat des Verlangens von Vaughan in Catherine
einzudringen (zuvor in Sequenz 25 angedeutet, er fährt ihr dicht auf), das hier
zur Auflösung kommen kann.
Dem Climax (Unfalltod von
Vaughan) unmittelbar vorangehend ist die Crisis der Verfolgungsjagd von Vaughan, der Ballard
auf der Straße mit seinem Wagen bedroht, aber plötzlich ausschert, um sich mit
dem Wagen von der Überführung auf einen Bus zu stürzen (Sequenz 47).
Das Denounement nach Vaughans
Unfalltod trägt auch einen Mini-Act in sich (Ballard fährt dicht mit seinem
Wagen auf Catherine auf, Sequenz 50). Dieser Mini-Act umfaßt sowohl eine kurze Exposition (Ballard erhebt Anspruch auf Vaughans Unfallwagen, Sequenz 49),
als auch eine Crisis (jetzt verfolgt Ballard seine Frau) und eine Climax (der Wagen von Catherine wird von der Straße gedrängt).
Bei diesem Aufbau könnte man also von
einem klassischen Hollywood-Film sprechen, in dem am Ende alle Emotionen
befriedigt und alle Probleme nach entsprechendem Spannungsauf- und abbau
innerhalb der drei Akte gelöst sind.
Ein klassischer Hollywood-Film ist aber „Crash“ gewiß nicht. Vielmehr
steht die klassische Aktstruktur hinter der Distanziertheit der Charaktere
zurück. Der Zuschauer empfindet keinerlei Sympathien für einen der Akteure.
Dadurch schafft es Cronenberg die innere Teilnahmslosigkeit der Akteure auch
auf die Zuschauer zu übertragen. Die oben genannten Markierungspunkte der
einzelnen Akte sind eher als Zugeständnis an das
„Drei-Akter-Hollywood-Publikum“ zu sehen, als eine echte Notwendigkeit, die
sich aus dem Plot ergeben müßte.
„Crash“ löst weder Probleme noch läßt
es den Zuschauer in Form von Mitleid oder Sympathien am Filmgeschehen
partizipieren. Der Zuschauer empfindet das als bizarr, da diese
Nichtpartizipierung in der Filmwelt bisher einzigartig sein dürfte. Eine
therapeutische Auflösung der Spannung beim Publikum (Katharsis) kann nicht
erfolgen, da Spannung die Partizipation ja voraussetzt.
6.
Fazit
„Crash“ wird von den Zuschauern als
ein Filmwerk empfunden, das eine seltsame, ja bizarre, emotionale
Distanziertheit ausstrahlt. Erreicht wird das durch eine bizarre Symbolik
(Vaginalnarben), Bauformen (kaltes Licht, Achsensprünge) und durch emotionslose
Charakterisierungen.
Trotz des klassischen
Dreiakteraufbaus, schafft es „Crash“
Distanziertheit beim Publikum zu erzeugen, die auf der Tatsache beruht,
daß es mit den Akteuren nicht partizipieren kann. Eine katharsische Erlösung
des Publikums findet nicht statt.
„Crash“ dürfte somit in der
Filmgeschichte als einziges Werk darstehen, das es schafft nicht eintönig zu
wirken, obwohl aufgrund mangelnder Partizipationsmöglichkeiten keine Spannung
beim Publikum erzeugt werden kann.
„Crash“ ist somit ein
außergewöhnliches Werk der Filmgeschichte.
Literatur-,
Quellenverzeichnis:
- WWW: http//it.imdb.com/
- WWW:
http://www.alliance.ca/theatre/movies/crash/cr-crash1.html
- Faulstich, Werner, Die Kultur der
Pornographie, Lüneburg 1994, S.10
- n.n., Zensurfälle, in: epd - film 1/97, S.2
[1] Cronenberg versucht
das Vorhandensein der Lust über den Begriff der Erleichterung zu definieren:
„Nachdem man endlos mit Werbemaßnahmen [die ja die ´Lust´steigern sollen; Anm.
d. Verf.] [...] bombardiert wurde... es ist gerade eine Erleichterung, daß man
selbst einen Unfall gehabt hat.“ (Ballard, Sequenz 10).
[2] David Cronenberg
steht im Kontext der Filme „Tetsuo - the Ironman“ von Shinya Tsukamoto, Japan
1988, und „Star Trek VIII- The First
Contact“, USA 1996, deren Themen die Verschmelzung von Mensch und Maschine
sind. Die Verschmelzung führt zu neuartigen emotionslosen menschlichen
Daseinsformen. (Siehe auch Internet-Movie-Database: http://it.imdb.com/).
[3] Cronenberg: „[...] I
tried to suggest great subtlety in the interaction between the characters and I
think that´s what saves the film from obscenity. There is a scene depicting
sodomy [...] but filmed in an almost theatrical style [...].“ Interview mit
David Cronenberg über CRASH unter:
http://www.alliance.ca/theatre/movies/crash/cr-crash1.html
[4] „Pornographie ist [...] die expliziert
detaillierte Darstellung sexueller Handlungen [...| wie ´Überdeutlichkeit´,
´Verabsolutierung sexueller Einzelheiten´, ´Nahaufnahmen´, ´überproportionierte
Detailzeichnungen´“. (Faulstich, Werner, Die Kultur der Pornographie, Lüneburg
1994, S. 10). Die hier geforderten Merkmale fehlen der vorliegenden Sequenz; es
handelt sich somit auch nicht um ein pornographisches Werk.