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Gliederung:

Gliederung:.................................................................................................................................................................... 1

1.      Einleitung.............................................................................................................................................................. 2

1.1        Inhalt und Gang der Handlung....................................................................................................... 2

1.2        Charakteristik der Haupt- und Nebenpersonen................................................................... 2

1.3        Tradition des Stoffes............................................................................................................................ 4

1.4        Problematik der Aufführungspraxis......................................................................................... 4

2       Komik und Satire in ausgewählten Szenen..................................................................................... 5

2.1        Definition Komik / Satire...................................................................................................................... 5

2.2        Szene I, 2;.......................................................................................................................................................... 5

2.3        Szene II, 4; ........................................................................................................................................................ 8

2.4        Szene V, 4........................................................................................................................................................ 10

3       Literaturverzeichnis................................................................................................................................. 13

 

 


 

1.    Einleitung

In diesem Seminar beschäftigten wir uns mit dem französischen Dramatiker und Schauspieler Molière (Jean-Baptiste Poquelin; 1622-1673). Neben einigen seiner Werke, seinem Leben als Schauspieler und Regisseur wurden auch die höfische Gesellschaft, das Idealbild des honnête homme und die historischen Hintergründe seiner Zeit angesprochen.

In dieser Arbeit geht es um das Verständnis von Komik und Satire in Molières Le Misanthrope in den Szenen I, 2; II, 4; V, 4.

1.1        Inhalt und Gang der Handlung

Molières Le Misanthrope ist eine Verskomödie (Alexandriner) in fünf Akten. Die Uraufführung fand am 4. 6. 1666 im Palais-Royal statt.

In einer Salonwelt, in der die Gesellschaftslüge zum guten Ton gehört, macht sich der gerecht empfindende, aber schroffe Alceste lächerlich, indem er versucht, seinen Grundsatz von absoluter Aufrichtigkeit zu verteidigen. Er wirbt um die Hand Célimènes, einer koketten Inhaberin eines Salons. Für die anderen Bewerber um Célimènes Gunst empfindet er nur Verachtung wegen ihrer schmeichelnden Rede. Ein linkes Spiel Célimènes, bei dem sie sich spottend über ihre Verehrer geäußert hat fliegt auf. Alle Verehrer - außer Alceste - ziehen sich zurück. Auf sein Lebensmotto zurückgreifend bietet Alceste Célimène an, ihr zu verzeihen. Er will ihr vergeben, wenn sie sich bereit erklärt, mit ihm, entfernt von den Menschen zu leben. Als Salondame muß Célimène ihm dies versagen. Alceste beschließt, allein zu gehen. 

Die äußere Handlung des Stückes ist auf ein Minimum beschränkt. Das Spannungsmoment besteht in der ständigen Verzögerung einer Aussprache zwischen Alceste und Célimène. Es sind die fein abgestuften Charakterbilder, die den Gegensatz zwischen Individuum und Gesellschaft sowie zwischen Aufrichtigkeit und Gesellschaftslüge reflektieren.

1.2        Charakteristik der Haupt- und Nebenpersonen

Die Figuren des "Misanthrope", die in Célimènes Salon verkehren scheinen ausnahmslos von adliger Herkunft zu sein. Einige Personen gehören zum Kreis des Hofadels. Célimène besitzt, wie Alceste sagt, "rang", "naissance" und "bien"(V. 428).

Das Ehrengericht des höchsten Standes ist für Alcestes Rechtsangelegenheiten zuständig

(V. 751f.).

Die unteren Schichten spielen im Stück kaum eine Rolle. Die Diener Basque und Du Bois treten nur kurz auf(II, 5; III, 3; IV, 4). Basque wird von Célimène höflicher behandelt als Du Bois von Alceste.

Mit Célimène, Arsinoé und Eliante bringt Molière drei verschiedene Frauentypen auf die Bühne: die "Kokette", die "Prüde" und die "Aufrichtige". Koketterie und Prüderie können verstanden werden als Reaktion auf die Bevormundung, Benachteiligung und Abhängigkeit der Frau in der damaligen Gesellschaft. Célimène möchte viele einflußreiche und informierte Freunde gewinnen, die ihr im Prozeß zu Hilfe kommen oder neues vom Hof zu berichten haben(V. 542-48).

Arsinoé hat ähnliche Ziele wie Célimène, hat aber wegen ihres Alters nicht die gleichen Mittel zur Verfügung. Durch ihre vorgetäuschte Tugendhaftigkeit versucht sie, gegen ihre Rivalinnen zu kämpfen. Arsinoé wird durch Mittelsmänner unterstützt(V. 1079).

Den entgegengesetzten Charakter vertritt Eliante. Sie ist aufrichtig und uneigennützig, hat aber keinen großen Einfluß auf den Handlungsablauf. Célimène steht im Mittelpunkt ihres Salons. Ihre Rolle enthält nicht nur negative Züge, wie coquetterie, complaisance, médisance, sondern auch positive. Sie lenkt im "funktionierenden" Salon intelligent die Gespräche und behält ihren Willen nach Unabhängigkeit unbeirrbar bis zum Schluß. Sie ist Alceste geistig nicht unterlegen, steht aber hoch über den Höflingen.

Molière stattet die Höflinge Acaste und Clitandre sowie Oronte reichlich mit lächerlichen Zügen aus: Einbildung, Aufdringlichkeit, Standesdünkel; dazu bei Oronte: Streitsucht, Eitelkeit und Sensibilität des Dichters.

In der Portrait-Szene (II, 4) ist das Gesellschaftsspiel in vollem Gange. Der Reihe nach werden einige Bekannte verspottet, der neueste Klatsch wird bekanntgegeben. Die Portraits wirken dabei sehr glaubwürdig, zeigen sich doch Parallelen zu den im Salon Anwesenden.

Es fehlt nun noch eine moderate, vermittelnde männliche Rolle. Diese schreibt Molière Philinte zu. Er verkörpert das Ideal des "honnête homme". Er stimmt im Groben mit der pessimistischen Haltung Alcestes überein, weiß jedoch, sich zurückzuhalten. Auf aggressive Äußerungen Alcestes antwortet er beschwichtigend. Für Philinte ist die "honnêteté" ein Mittel zum Zweck. Alceste dagegen gerät oft in den Zustand des Schmollens und der Untätigkeit (Moi, je veux me fâcher, et ne veux point entendre.).

1.3        Tradition des Stoffes

Ein Menschenfeind richtet keine aktive Feindschaft gegen andere Menschen aus. Er unternimmt nichts gegen sie. Nichts desto trotz verachtet er sie und will nichts mit ihnen zu tun haben. Dabei ist dieser Menschenhaß nicht veranlagt, sondern geht auf enttäuschende Erlebnisse zurück, die entweder objektiver oder subjektiver Natur sind:

Der noch gutgesinnte und vertrauensselige Mensch erlebt eine Reihe von Enttäuschungen, Undank, Bosheit, oder er geht mit überspannten Erwartungen an andere Menschen heran und überfordert diese damit. Das Aufeinanderprallen von Fiktion und Realität macht den Menschen zum Menschenfeind.

Der Menschenfeind führt oft ein einsames, isoliertes Leben.

Als Thema für die Literatur ist die Spannung innerhalb eines solchen Menschen ergiebig. Einerseits zeigt der Misanthrop eine ablehnende Haltung gegenüber anderen Menschen, andererseits kommt er zwangsläufig immer wieder in Kontakt mit ihnen. Dazu kommt, daß er selbst ein Mensch ist und menschliche Fehler aufweist, die er bei sich selbst oft nicht erkennt oder verdrängt.

Seinen Ursprung findet das Menschenfeindmotiv in der Gestalt des Timon von Athen. Er lebte im 5. Jahrhundert vor Christus und bekämpfte die beginnende Sittenlosigkeit der Athener. Durch seine Aggressivität erschien er seinen Mitmenschen geheimnisvoll.

1.4        Problematik der Aufführungspraxis

Durch den Verzicht auf facettenreiche Komik erlebte der "Misanthrope" schon zu Zeiten Molières nicht die Zustimmung eines breiten Publikums. 

Molière hat den Misanthropen trotz seines Adels und seiner Lauterkeit als komische Figur konzipiert, deren Vorstellungen über das Gesellschaftsleben zu utopisch und unerfüllbar waren.

Für den heutigen Theaterbesucher stellt sich das Problem, daß der Bezug zu Komik und Satire, wie Molière ihn offenbar verstanden hat, nicht mehr unmittelbar nachvollziehbar ist.

Das Menschenfeindmotiv ist vielen Menschen fremd geworden oder gar nicht geläufig. Weiterhin deckt sich unser Alltagsleben überhaupt nicht mehr mit dem Alltag, so wie ihn Alceste und Célimène erlebt haben. Die ausgefeilte Kunstsprache und das Ideal des "honnête homme" existieren nicht mehr, der lächerliche Charakter der Höflinge wirkt heute fast peinlich.

 

Im Folgenden möchte ich an drei ausgewählten Szenen die komische und satirische Konzeption Molières herausarbeiten.

 

2         Komik und Satire in ausgewählten Szenen

2.1        Definition Komik / Satire

Voraussetzung für Komik ist das Scheitern einer Handlung, wenn die Handlung fremdbestimmt ist und sie fehlgeleitet wird, wenn der Handelnde dies nicht merkt oder dies nicht verhindern kann, wenn die Handlung isoliert betrachtet werden kann - und so nicht zu gravierend ist- , wenn der Betrachter den Fehlschlag der Handlung durchschaut. Der Betrachter identifiziert sich mit dem Handelnden, distanziert sich aber durch sein Lachen.

Die Wirkung von Komik wird in zweierlei Hinsicht einer sozialen Norm unterzogen:

entweder wird das Scheitern des Handelns selbst auf bestimmte soziale Normen bezogen, oder das Scheitern wird an der eigenen Norm des Betrachters gemessen.[1]

Komik zeichnet sich durch das Mißlingen von einzelnen Handlungen aus. Dabei bleiben Normen erhalten. Sie hat einen vorübergehenden Charakter und bewirkt befreiendes, distanzierendes Lachen.

 

Satire

Die Satire ist eine Form des Komischen. Ziel der Satire ist Einsicht in die Lächerlichkeit, Kritikwürdigkeit oder gar Gefährlichkeit der geschilderten Sachverhalte. Die Satire umfaßt weniger einmalige Handlungen, sondern vielmehr Mißstände. Moral, Ethik und Normen werden nachhaltig verletzt.

 

2.2        Szene I, 2;[2]

Die zweite Szene stellt eine mondäne Unterhaltung dar. Sie zeigt Alceste im Ideal- und Standardtyp einer geselligen Konversation. Der Anspruch liegt darin, dem anderen zu gefallen. Es gilt die Vorschrift der von Alceste ungeliebten "complaisance". Hier stellt sich der Ausgangskonflikt des Menschenfeindes in der Gesellschaft mit anderen Menschen, wie er in der Einleitung beschrieben ist.

Die Szene ist zweigeteilt. Zunächst bietet Oronte Alceste die Freundschaft an und überschüttet ihn mit Komplimenten.

L'estime où je vous tiens ne doit point vous surprendre,

Et de tout l'univers vous la pouvez prétendre,

[...]

L'état n'a rien qui ne soit au-dessous

Du mérite éclatant que l'on découvre en vous.

[...]

Oui, de ma part, je vous tiens préférable,

A tout ce que j'y vois de plus considérable.

[...]

Sois-je du ciel écrasé, si je mens!

Et pour vous confirmer ici mes sentiments,

Souffrez qu'à cœur ouvert, Monsieur, je vous embrasse,

Et qu'en votre amitié je vous demande place. ( 265f. 267f. 269f. 271-274)

Die Wirkung auf den modernen Leser ist abstoßend und lächerlich zugleich. Schon im17. Jahrhundert gilt das Kompliment als Fehler in der Konversation, wenn es zu übertrieben ist.

Für Alceste sind Orontes übertriebene Komplimente weder schmeichelhaft noch höflich. Neben dieser Übertreibungssucht kommt bei Oronte noch Selbstüberschätzung (V. 259f.) hinzu. Er verkörpert hier eine satirische Figur. Die ständigen Verstöße gegen die Gesellschaftsnorm können nicht überspielt werden, sie sprengen den gesellschaftlichen Rahmen.

Komisch wirkt hier die Antwort Alcestes:

Monsieur, c'est trop d'honneur que vous me voulez faire;

Mais l'amitié demande un peu plus de mystère,

Et c'est assurément en profaner le nom

Que de vouloir le mettre à toute occasion.

Avec lumière et choix cette union veut naître;

Avant que nous lier, il faut nous mieux connaître;

Et nous pourrions avoir telles complexions,

Que tous deux du marché nous nous repentirions. (V. 277-284)   

 

Sie fällt aus dem lebensweltlichen Rahmen Alcestes, der sich sonst so um Aufrichtigkeit bemüht. Er sagt hier eindeutig nicht, was er denkt. Er handelt seinen eigenen Ansprüchen zuwider, wobei ihm der Menschentyp wie Oronte verhaßt ist. Dieser Selbstwiderspruch wirkt für uns heute noch immer komisch.

Weiterhin verstößt Alceste gegen die Konversationsregeln indem er sich im Ton vergreift. Er stimmt hier eine ernste Unterhaltung an. Somit erteilt er Oronte eine Abfuhr. Die entspannte Unterhaltung kommt nicht zustande. Zwanghaft blockt Alceste die Unterhaltung ab. Jedoch ist er nicht hartnäckig genug, denn Oronte versucht weiter, ihm seine Wertschätzung mitzuteilen. Einerseits das Scheitern von Alcestes Sprachhandlung, andererseits seine Sturheit wirken hier komisch.

Im folgenden Teil der Szene findet ein für die Salons des 17. Jahrhunderts typisches Gesellschaftsspiel statt, das Vortragen und Diskutieren von selbstverfaßten Gedichten. Die Erwartungen der Vortragenden richteten sich dabei auf ein ausschließlich positives Echo, also auf "compliments". Ehrliche Kritik ist hierbei nicht angebracht. Alceste geht auf das Gesellschaftsspiel nicht ein und sagt, als er um Resonanz gebeten wird:

J'ai le défaut

D'être un peu plus sincère en cela qu'il ne faut. (V. 299f.)

 

Alceste hofft, daß er sich mit dieser Äußerung aus dem Spiel entziehen kann. Oronte jedoch versteht seine Äußerung als die übliche, höfliche Versicherung, ihm nicht zu nahe treten zu wollen. Oronte besteht auf einem offenen Wort.

C'est ce que je demande, et j'aurois lieu de plainte,

Si, m'exposant à vous pour me parler sans feinte,

Vous alliez me trahir, et me déguiser rien. (V.301-103)

 

Oronte meint das, was er sagt natürlich nicht wörtlich, sondern zielt auf eine Beurteilung ab, die nicht nur positiv ist, sondern darüber hinaus schmeichelnd. Alceste versteht diese Verstellung Orontes nicht und nimmt seine Rede wörtlich. Damit ist ein baldiger Zusammenstoß vorbereitet.

Zunächst hatte Alceste versucht, seine Meinung für sich zu behalten und die Aufgabe Philinte überlassen. Als Alceste jetzt mißverständlicherweise von Oronte aufgefordert wird, seine Meinung zu sagen, verschweigt er diese und improvisiert eine Geschichte. Er habe einmal jemandem abgeraten, seinen Ruf durch schlechte Verse aufs Spiel zu setzen (V. 341-350).

Jedoch verweigert er vor Oronte die Interpretation dieser Rede und läßt sich immer mehr in eine "complaisance" treiben. Dies hat eine komische Wirkung. Dazu kommen der Selbstwiderspruch und der innerliche Kampf in der Person des Alcestes: Einerseits möchte er seine wirkliche Empfindung äußern, andererseits will er Oronte nicht vor den Kopf stoßen.

Vorher hatte Alceste seinen Ärger an Philinte ausgelassen, der Orontes Gedicht gelobt hatte.

Jetzt kann er sich nicht mehr beherrschen und äußert eine scharfe Kritik des Sonetts. Es folgt eine Schmährede gegen die falsche Einstellung der Gesellschaft. Er versucht sein Ideal an einem einfachen Volkslied zu belegen(V. 393-404). Die Maßlosigkeit der Beleidigungen gegen Orontes Gedicht wirkt lächerlich. Hinzu kommt die unnötige Vorstellung des eigenen Geschmacks. Schließlich läßt er seinen Ärger an Philinte aus.

Diese Züge Alcestes unterstreichen seine misanthrope Haltung und zwar einerseits in ihrer Lächerlichkeit und andererseits in ihrer Unangepaßtheit.

Molière hat mit Abschluß dieser Szene drei Charaktertypen entwickelt:

die Verkörperung des Ideals des "honnête homme" durch Philinte,

die satirische Zeichnung eines Eitlen und Dummen durch Oronte

die durch Selbstwiderspruch komische Zeichnung des Protagonisten Alceste, der bedingt durch seine Misanthropie und Wahrheitsliebe vom "honnêteté"-Ideal abweicht.   

2.3        Szene II, 4; [3]

In dieser Szene findet eine große Salonunterhaltung statt. Sie erscheint als Szene bösen Gesellschaftsklatsches. Jedoch gehört dieser Gesellschaftsklatsch zu den gewohnten Beschäftigungen, obwohl die üble Nachrede als Laster gesehen wird und in zeitgenössischen Texten negativ belegt ist. Die "médisance" wird  ausgeübt, wenn der Gesprächsstoff auszugehen droht, oder Fachkenntnisse fehlen.

Célimène übt hier eindeutig üble Nachrede aus. Dies tut sie jedoch nicht aus niederen Beweggründen, sondern allein deswegen, weil sie als Frau geistreich wirken möchte und als Salondame ihre Gesellschaft unterhalten will. Als solche ist es auch ihre Aufgabe, das Gespräch zu leiten.

Clitandre: Parbleu! je viens du Louvre, où Cléonte, au levé,

Madame, a bien paru ridicule achevé.

N'a-t-il point quelque ami qui pût, sur ses manières,

D'un charitable avis lui prêter les lumières?

Célimène: Dans le monde, à vrai dire, il se barbouille fort,

Partout il porte un air qui saute aux yeux d'abord;

Et lorsqu'on le revoit après un peu d'absence,

On le retrouve encor plus plein d'extravagance.  (V. 567-574)

 

Célimène gibt der üblen Nachrede des Marquis eine gesellschaftlich akzeptierte Form. Ihr Bestreben ist es, selbst im Mittelpunkt ihres Salons zu stehen, während sie eigentlich als "maîtresse de salon" die anderen vorlassen sollte. Molière gibt Célimène hiermit eine satirische Zeichnung, die für uns kaum zu erkennen ist.

Die beiden Marquis Clitandre und Acaste feuern Célimène in ihrer "médisance" an. Ihre üble Nachrede hat aber niedere Beweggründe.

Das Verhalten der Marquis verstößt gegen die Verhaltensregeln der "honnêteté". Clitandres Auftreten ist lautstark. Er unterbricht die laufende Unterhaltung, ohne auf ein Zeichen von Célimène zu warten. Die Abläufe im Salon und die bewußte Steuerung der Konversation beginnen zu entgleisen.

Die "honnête gens" Eliante und Philinte verfolgen die Unterhaltung zunächst schweigend, Eliante bemerkt nur gegenüber Philinte:

Ce début n'est pas mal; et contre le prochain

La conversation prend un assez bon train. ( V. 583f.)

 

Später geben sie ihre Zurückhaltung auf und beteiligen sich an der Konversation: Eliante lobt einen positiven Zug einer Porträtierten (V. 627), Philinte stellt Célimène eine Frage 

(V. 631f.). Damit steuern sie ihren Pflichtteil zu der Unterhaltung bei, wobei sie ihre negative Einstellung gegenüber dem Gespräch erkennen lassen.

Alceste steht während der ganzen Portrait-Szene abseits. Er schweigt aus Mißmut. Er bricht sein Schweigen nur, um über die Marquis herzufallen:

Allons, ferme, poussez mes bons amis de cour;

Vous n'en épargnez point, et chacun a son tour;

Cependant aucun d'eux à vos yeux ne se montre,

Qu'on ne vous voie, en hâte, aller à sa rencontre,

Lui présenter la main, et d'un baiser flatteur

Appuyer les serments d'être son serviteur. (V. 651-656)

 

Dadurch, daß er als "atrabilaire amoureux" die Schuld am Laster der Zeit, von dem er vor kurzer Zeit seine Geliebte befreien wollte, jetzt bei den anderen sucht macht er sich (V. 657) ebenso lächerlich wie durch den Zwang, mit dem er die Vergnügungen der Gesellschaft ablehnen muß. Philinte hält ihm Scheinwidersprüche vor.

Mais pourquoi pour ces gens un intérêt si grand,

Vous, qui condamneriez ce qu'en eux on reprend? (V. 667f.)

 

Angespornt davon gibt Célimène nun ein satirisches Porträt über Alceste von sich.

Et ne faut-il pas bien que monsieur contredise?

A la commune voix veut-on qu'il se réduise,

Et qu'il ne fasse pas éclater en tous lieux

L'esprit contrariant qu'il a reçu des cieux?

Le sentiment d'autrui n'est jamais pour lui plaire,

Il prend toujours en main l'opinion contraire,

Et penserait paraître un homme du commun

Si l'on voyait qu'il fût de l'avis de quelqu'un.

L'honneur de contredire a pour lui tant de charmes,

Qu'il prend contre lui-même assez souvent les larmes;

Et ses vrais sentiments sont combattus par lui,

Aussitôt qu'il les voit dans la bouche d'autrui. (V. 669-680)

 

Mit diesem Portrait versucht Célimène die Konversation in eine andere, nicht zu persönliche, Richtung zu lenken. Alcestes Reaktion ist anders als erwartet. Anstatt den Angriff mit Humor zu nehmen reagiert er eher eingeschnappt und greift Célimène und ihre "défauts" an. Célimène geht auf keine Diskussion mit Alceste ein. Sie wehrt den Angriff ab, indem sie ein neues Thema anschneidet. Sie formuliert eine ironische Verhaltensmaßregel für Liebende "à l'Alceste".

Enfin, s'il faut qu'à vous s'en reportent les cœurs,

On doit, pour bien aimer, renoncer aux douceurs,

Et du parfait amour mettre l'honneur suprême

A bien injurier les personnes qu'on aime. (V. 707-710)

 

So erhält die Unterhaltung ein neues Thema "l'amour parfait". Eliante nimmt das Thema auf und bezieht Position.

Alceste mischt sich wieder ein(V. 731), jedoch fährt Célimène ihm über den Mund und bricht die Unterhaltung ab. Sie schlägt vor, auf die Galerie zu gehen.

Die Unterhaltung ist gescheitert, die Geselligkeit nicht mehr zwanglos und unterhaltend. Fast alle haben dazu beigetragen, jedoch hat Alceste den größten Anteil daran.

2.4         Szene V, 4

Die letzte Szene der Komödie beginnt mit dem abrupten Auftritt der beiden Marquis. Er verzögert die ohnehin schon mehrere Male verzögerte Aussprache unter vier Augen von Alceste und Célimène.[4] Dies bewirkt einen weiteren Spannungsaufbau.

Auch das Auftauchen der Briefe trägt zum Spannungsaufbau bei. Diese Briefe sind zunächst eine "petite affaire" (V. 1672), dann "un tel crime" (V. 1687). Arsinoé hatte nach dem Angriffsversuch auf Célimène (III, 4) einen Rückschlag erlitten. Sie inszeniert jetzt einen Racheakt.

Die Marquis lesen die Briefe vor und warten auf die Reaktionen der Anwesenden. Die Briefe an sich sind ein Rundumschlag gegen alle Verehrer Célimènes. Sie sind sehr persönlich und sprechen direkte Mängel an.

Pour le petit Marquis, qui me tint hier longtemps la main, je trouve qu'il n'y a rien de si mince que toute sa personne ; et ce sont de ces mérites qui n'ont que la cape et l'épée. (1690)

 

Ähnliche Worte sind schon in der Portrait-Szene gefallen, hier jedoch sind sie schärfer und vor allem sind die Verspotteten anwesend. Die Briefe werden hier als satirisches Mittel eingesetzt, um Célimène eine Lektion zu erteilen.

Der Salon befindet mit Beginn der Brieflektüre in einem sich fortsetzenden Auflösungsprozeß. Durch das Vorlesen der Intimitäten im Salon, wobei die Betreffenden auch noch dabei sind, werden die Regeln der Konversation gebrochen. Die  Gesprächskultur existiert nicht mehr. Célimène kommt erst nach dem Abtritt der Marquis und Arsinoés zu Wort. Ihre Rolle als "maîtresse de salon" ist vorbei.

 

Es kommt durch den eben genannten Abtritt zu keinem Wortgefecht. Das Interesse der Marquis an der Auflösung des Skandals ist verebbt. Sie ziehen sich zurück, ohne ihre Wut an Célimène auszulassen.

Arsinoé verurteilt Célimène und beschuldigt sie, Alceste nicht zu verdienen. Sie bezeichnet ihn als "homme de mérite et d'honneur". Alceste möchte sich selbst verteidigen. Er könne sich nicht für die Auszeichnung bedanken und  wolle auch keine Beziehung mit ihr aufnehmen. Mit einem Wortschwall gegen Alcestes Hochmut verläßt Arsinoé die Bühne.

Die "complaisance" hat mittlerweile keinen Einfluß mehr auf das Gespräch, die Offenheit dominiert. Jeder denkt an seine Verteidigung. Die "honnête-gens" sind zwar anwesend, halten sich aber zurück.

Der Spannungsbogen bricht noch nicht ab, die lang erwartete Aussprache zwischen Alceste und Célimène folgt.

Alceste meldet sich erst, nachdem alle anderen gesprochen haben (vgl. II, 4).

Célimène versucht, die erwarteten Vorwürfe zu relativieren, indem sie sie anerkennt und Alceste Recht gibt. Sie lehnt Alcestes Liebesangebot nicht eindeutig ab, will jedoch seinem Plan, in die Einsamkeit zu gehen, nicht zustimmen.

Alceste bricht seine melancholische und ideelle Gesinnung zu ihr ab und teilt ihr seine Verachtung mit. Célimène verteidigt sich nicht mehr und tritt ab.

 

In der letzten Szene wird deutlich, daß das Konzept der großen Salonunterhaltung in

Le Misanthrope endgültig gescheitert ist. Dies ist das Ergebnis einer zunehmenden Störung von Seiten Alcestes aber auch seitens Acastes und Clitandres. Eine Parallele wird deutlich:

Alceste kommt seinen Ansprüchen an die absolute "sincerité" nicht nach, verwickelt sich in komische Selbstwidersprüche und scheitert endlich. Ebenso scheitert die Salonkonversation, weil ihre Grundregeln verletzt werden. Dies deutet sich während des Verlaufs durch häufige Unterbrechungen und Störungen der Unterhaltung an. Die Komödie kippt am Ende auf die satirische Seite. Für das höfisch gesinnte Publikum ist der Ausgang des Stückes ein Mißstand.

Parallel zur Handlung der Komödie ist auch das Register des Komischen begrenzt. Es gibt in diesem Stück keine objektive Komik der Situation, wo der Zufall einen Widerstand einrichtet, an dem der komische Held scheitert. Im Misanthrope herrscht subjektive Komik vor, d. h. Komik, die aus den Charaktern selbst hervorgeht. Komisch erscheint die Schar der Bewunderer Célimènes, die abgeht wie ein schlechter Verlierer, als sie Opfer von ihrer satirischen Portraitierlust wird.

Die im ganzen Stück vorherrschende Unentschiedenheit Alcestes hat einen großen Einfluß auf das Ende des Stückes. Das Ende ist so offen, wie es nur sein kann. Einerseits ist Alceste jetzt maßlos von Célimène enttäuscht, andererseits hat er schon mehrmals seine Meinung geändert und ist seinen Prinzipien nicht immer treu geblieben.

Die Wirkung des Stückes liegt nicht in seiner Gegenwärtigkeit, in unmittelbar sinnfälligen Konstellationen und dramatischen Wirkungen. Stärker als seine unmittelbare Wirkung ist die Nachwirkung. Zum Nachdenken spornt auch der letzte Satz  Philintes an:

Allons madame, allons employer toute chose,

pour rompre le dessein que son cœur se propose.

 

Abschließend kann man sagen, daß die Rezeption des Stückes für den heutigen Leser und/oder Zuschauer schwierig ist. Dies liegt maßgeblich daran, daß zum einen das Menschenfeindmotiv als wichtiges Element des Stückes nicht unbedingt einleuchtet, zum anderen daran, daß die in Inhalt und Handlung reduzierte, aber in feinen Nuancen der Charaktere reiche Konzeption des Stückes durch den Wandel der Lebenspraxis nicht mehr unmittelbar als komisch oder satirisch erkennbar ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3         Literaturverzeichnis

Schulze-Witzenrath, E., "Konversation und Komik in Molières Misanthrope. Warum sich eine Komödie des 17. Jahrhunderts nicht mehr erfolgreich aufführen läßt", Poetica  Bd. 27/1995.

 

Bahners, K., Erläuterungen zu Molière Der Menschenfeind, C. Bange Verlag, Hollfeld 1985

 

Molière, Le Misanthrope, Édition de Jaque Chupeau, folio théâtre, Tours 1996

 

Stierle, K. "Formen des Komischen und Form der Komödie in Molières Misanthrope" (1978), in: Baader (Hrsg.), Molière S. 406-439



[1] Stierle, Karlheinz

[2] Schulze-Witzenrath, E., "Konversation und Komik in Molières Misanthrope. Warum sich eine Komödie des 17. Jahrhunderts nicht mehr erfolgreich aufführen läßt", Poetica  Bd. 27/1995; S.291-297.

[3] a.a.O. S.297-303.

[4] II, 1-2; IV, 3.