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Inhaltsverzeichnis

 

 

1. Einleitung Seite 3

2. Texas im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts Seite 4

3. Friedrich Ernst und die Gründung von Industry Seite 5

4. Die Germania Society of New York von 1838/39 Seite 7

5. Der Adelsverein Seite 8

6. Abschließende Bewertung; Seite 11

Deutsche Haltungen zur Statusfrage - Germanisierung Texas'

7. Fußnoten Seite 13

8. Quellen- und Literaturverzeichnis Seite 15

 

1. Einleitung

 

Während des 19. Jahrhunderts verließen viele Deutsche ihre Heimat in Richtung Amerika. Zweifelsohne siedelten viele dieser Ausgewanderten auf dem damaligen Gebiet der Vereinigten Staaten, es gab aber auch einige, die z. B. nach Texas gingen, welches erst seit 1846 ein Bundesstaat der USA ist. Davor war es bis 1821 spanische Kolonie, von 1821 bis 1836 mexikanische Provinz und von 1836 bis 1845 eine unabhängige Republik. Diese drei aufeinanderfolgenden, grundlegenden Veränderungen des Gemeinwesens innerhalb von nur 25 Jahren müssen die Einwohner beeinflußt haben, bzw. mußten von den Bewohnern beeinflußt werden.

Gab es eine einheitliche Einstellung der deutschen Immigranten zu diesen Veränderungen, oder hatten bestimmte Gruppen unter ihnen unterschiedliche Haltungen? Diese Frage solle in dieser Arbeit näher untersucht werden. Um eine einheitliche Richtung festzustellen, wäre eine Art übergreifende Organisation notwendig, die für Informations- und Gedankenaustausch sorgt, andernfalls müßte man mit auf sich selbst gestellten Einzelpersonen rechnen, bei denen jede šbereinstimmung mehr oder weniger zufällig wäre.

Welche Bestrebungen sind festzustellen, Texas zu germanisieren, aus Texas eine deutsche Kolonie, einen deutschen Staat zu machen? Im Nachhinein mag diese Fragestellung abenteuerlich bis überflüssig erscheinen, da die Entwicklung, die Texas bis heute genommen hat, bekannt ist, aber es müßte untersucht werden, ob es nicht Individuen oder Gruppen gab, denen eine derartige Phantasie vorschwebte, oder wie versucht wurde derartige Pläne zu verwirklichen.

Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit behandelt mehrere Siedlungsprojekte Deutscher in Texas, in ihrer Reihenfolge chronologisch geordnet, getrennt voneinander. An erster Stelle ist hier Friedrich Ernst aus Oldenburg zu nennen, der 1831 nach Texas kam und später die Stadt Industry gründete. Diese Stadt ist sozusagen die Wiege des Deutsch-Texanertums. Zwar gab es schon vorher Deutsche in Texas, aber diese kamen vor allem aus den USA und zählten somit fast schon zu der Gruppe der Amerikaner. Ernst aber löste eine Gruppenwanderung aus. So ließen sich viele Deutsche aus Oldenburg und Umgebung bei Industry nieder. Als Quelle hierfür wurden Aufzeichnungen seiner Tochter Caroline von Hinueber ausgewertet.

Dennoch soll hier nicht verschwiegen werden, daß schon 1823 der Baron von Bastrop am Colorado die Ortschaft Bastrop gründete._ Die Einwohner kamen meist aus der oldenburgischen Grafschaft Delmenhorst. Vor der Gründung von Austin war Bastrop die nördlichste Ansiedlung im Coloradotal und damit wiederholt Angriffen der Indianer ausgesetzt, so daß die Siedler des öfteren die Stadt verlassen mußten.

Den zweiten Teil bildet die 1838/39 gegründete Germania Society of New York, die als erste Organisation auftrat, Texas mit Deutschen zu besiedeln. Drittens soll auch die Geschichte des sogenannten Adelsvereins untersucht werden, der 1842 im herzoglich nassauischen Schloß zu Biebrich bei Mainz gegründet wurde, also in Gegensatz zu den Versuchen, die Immigration zu konzentrieren, sich damit beschäftigte, die Emigration zu lenken.

Den oberen Teilen vorangestellt soll kurz angerissen werden, wann und warum Texas für die Deutschen interessant zu werden begann. Dies erfordert mit Sicherheit auch an einigen Stellen rein texanische Geschichte, bei der der Blick auf das deutsche Element kurz vernachlässigt werden muß.

Abschließend sollen die Intentionen und Resultate deutschen Wirkens im Hinblick auf die gestellten Fragen verglichen und bewertet werden; Diskrepanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit sollen aufgezeigt werden. Wie erfolgreich haben die deutschen Siedler und zum Teil deren Hintermänner ihre Ideen und Träume umsetzen können?

2. Texas im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts

 

Die Eckdaten der texanischen Geschichte dieser Periode sind sicherlich die wechselnden Hoheiten über das Land, das am Anfang des Jahrhunderts Teil der spanischen Kolonie Mexiko war, die 1821 unabhängig wurde. 1836 wurde dann die mexikanische Provinz Texas selber unabhängig und formte eine Republik nach US-amerikanischem Vorbild, daher verwundert es auch nicht, daß es am 29. Dezember 1845 zu einer freiwilligen Annexion durch die Vereinigten Staaten, auch wenn dazu ein Krieg zwischen den USA und Mexiko nötig war, kam. šberraschend ist wohl eher das späte Datum dieser Annexion, denn eine Volksabstimmung in der Republik Texas sprach sich schon sehr früh dafür aus. Aber die Weigerung Mexikos, die Unabhängigkeit Texas' anzuerkennen, machte deutlich, daß man einen Anschluß an die USA noch viel weniger akzeptieren würde. Außerdem hätte Texas als Bundesstaat das Gleichgewicht zwischen den Sklavereistaaten des Südens und den sklavenfreien Staaten im Norden der Union verschoben. Dies zeigt, daß nicht alle in den USA Texas als Bereicherung für die Union ansahen. Dort sowie in Texas selbst gab es viele, denen an guten Beziehungen zu Mexiko gelegen war und es deshalb nicht noch weiter reizen wollten. So begann die junge Republik unter ihrem ersten Präsidenten, Sam Houston, der sich, obwohl er davor schon Gouverneur von Kentucky und Günstling des US-Präsidenten Andrew Jackson war_, nicht offen für den Anschluß aussprach, sich auf die Selbständigkeit einzurichten.

Obwohl schon Ende des 17. Jahrhunderts die Spanier erste Niederlassungen in Texas gründeten, hatte das Gebiet um 1800 erst ca. 7.000 Einwohner. 1818-1819 bereiste der preußische Rittmeister a. D. Valentin Hecke Texas und schlug nach seiner Rückkehr in seinem Reisebericht vor, Preußen solle das Land den Spaniern als Kolonie abkaufen und in großem Stil besiedeln, denn es sei offensichtlich, daß die Spanier mit dieser riesigen Provinz nichts anzufangen wüßten._

Seit der Unabhängigkeit Mexikos von Spanien erhielten sogenannte Empresarios von der Regierung Patente. Sie hatten dadurch das Recht, für große, ihnen zugeteilte Landstreifen Siedler zu suchen und unter diesen das Land zu verteilen._ Durch die stetige Einwanderung vor allem von Angloamerikanern, denn seit 1821 erlaubte, ja förderte die mexikanische Regierung den Zuzug von Immigranten, um das Land zu erschließen, stieg die Bevölkerung bis 1850 auf 213.000, im Jahr der texanischen Unabhängigkeit 1836 lag die Einwohnerzahl bei ca. 52.000. Diese Zahlen zeigen, inwiefern der Wechsel von der spanischen Kolonialherrschaft zu einem Bestandteil der Republik Mexiko das Land geöffnet haben. So wurde Texas in der Zeit nicht nur für US-Amerikaner als neues Siedlungsland interessant, sondern auch für auswanderungswillige Europäer - inklusive der Deutschen. Schon 1834 erschien in Bremen ein Buch über Texas, in dem der Autor, Detlef Dunt, jungen Leuten, die die Reise aus eigenen Mitteln bestreiten können, große Aufstiegschancen ausmalt. Vor allem eine finanziell gesicherte Zukunft stellt er den Lesern, die in einem nach damaligen Vorstellungen überbevölkerten Deutschland lebten, in Aussicht._ Das Buch erschien unter dem Titel "Reise nach Texas, nebst Nachrichten von diesem Lande für Deutsche, welche nach Amerika zu gehen beabsichtigen" und enthielt auch einen Brief von Friedrich Ernst_, auf den ich unten noch näher eingehen werde.

Finanzielle Erwägungen waren schon immer das Handlungsmotiv für Kaufleute. Wenn also Texas in den Köpfen der Deutschen ein Land war, in dem sich Geld verdienen ließ, so muß es Anzeichen für eine Tätigkeit deutscher, vor allem hanseatischer, Kaufleute dort geben. Und bei Walter Struve wird dieses Phänomen auch etwa in der gleichen Zeit beobachtet: "Das Interesse ... deutscher Kaufleute für Texas im 19. Jahrhundert erwachte mit dem allgemeinen Interesse für Lateinamerika während der vielen erfolgreichen Befreiungskämpfe ... nach 1815. ... Texas bildete damals noch einen Teil der riesigen Republik Mexiko, wobei wir hervorheben müssen, daß die Grenzen von Texas anders als die des heutigen US-Bundesstaates ... verliefen. ... 1830 ging etwa ein Drittel des gesamten Großhandels Mexikos durch deutsche Hände."_

Zur Zeit des texanischen Unabhängigkeitskrieges gab es schon eine gewisse Anzahl deutscher Siedler in Texas; die Mehrheit waren jedoch angloamerikanischer Herkunft. Die mexikanischen Gesetze behinderten die Ausweitung der Sklaverei. Da aber die Geschäftsleute nach Amerika blickten und sahen, welche Ausmaße die Baumwollwirtschaft dort angenommen hatte, waren viele der Siedler bestrebt, dieses Modell auf Texas zu übertragen. Ein weiterer Streitpunkt waren die mexikanischen Zollbestimmungen, die einen freien Warenverkehr ungünstig beeinflußten und die Gewinnspannen schrumpfen ließen. Es wäre zu vermuten, daß auch sprachliche und religiöse Differenzen dazu beitrugen, daß das Faß zum šberlaufen kam. So beschreibt z. B. Caroline von Hinueber die Bedingungen, unter denen ihr Vater, Friedrich Ernst, im mexikanischen, d. h. katholischen Texas, Land zugewiesen bekam: "My father had to kiss the Bible and promise, as soon as the priest should arrive, to become a Catholic."_ Zwar geht der Text sinngemäß weiter, daß niemand jemals wirklich konvertierte, da man den Priester sobald er eintraf mit Alkohol abfüllte und wieder wegschickte, aber es wird der Gegensatz zwischen den mehrheitlich protestantischen USÄAmerikanern und den Mexikanern deutlich.

Zu der Teilnahme Deutscher am Unabhängigkeitskrieg möchte ich hier die Person des Hermann Ehrenberg anführen. Stefan von Senger und Etterlin schreibt unter Berufung auf Ehrenbergs Publikation "Texas und seine Revolution", die 1843 in Leipzig erschienen ist: "Hermann Ehrenberg zum Beispiel, der als Teilnehmer des texanischen Unabhängigkeitskampfes die Geburt einer neuen Nationalität miterlebt hatte, vertrat die Ansicht, nur ein Land, in dem man mit in die Geschicke eingreifen kann, könne man Vaterland nennen. Er fühlte sich also ganz als Texaner."_ Folgerichtig steht auf dem Titelblatt, das bei Glen E. Lich abgedruckt ist, unter Ehrenbergs Namen der Zusatz "Bürger der Republik"; um 1842 aber kehrte Ehrenberg nach Deutschland zurück und lehrte an der Universität von Halle Englisch, bis er später nach Amerika zurückkehrte und sich zuerst in Arizona niederließ._ Aus politischen Gründen in den 1830er Jahren aus Deutschland geflohen, kam Ehrenberg zuerst nach New York. Als der Krieg in Texas ausbrach war er in New Orleans und arbeitslos, so schloß er sich einer Söldnertruppe, die für die texanische Unabhängigkeit kämpfte an._ Angesichts dieses Lebenslaufes muß die Behauptung, er habe sich ganz als Texaner gefühlt, relativiert werden, besonders wegen der aufgestellten Bedingung, direkt in die Geschicke seines Vaterlandes eingreifen können zu müssen, denn er lebte später wieder in Deutschland bzw. Arizona.

Die republikanische Verfassung von Texas gab jedem Familienvater, der zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit im Lande war, eine League Land_ aus dem Staatsbesitz._ Neu Eingewanderte erhielten immerhin noch 518 Hektar, bzw. ab 1837 nur noch 259 Hektar. Zwischen 1841 und 1844 spielten Empresarios wieder eine Rolle, die von der Regierung Land erhielten und als Bedingung eine bestimmte Anzahl von Menschen dort ansiedeln mußten, ein Modell, nach dem die Mexikaner schon Siedlungspolitik betrieben hatten.

 

 

3. Friedrich Ernst und die Gründung von Industry

 

Friedrich Ernst wanderte 1829 , mit dem Ziel in Missouri Land zu erwerben aus. Bei seiner Ankunft in New Orleans hörte er jedoch von den günstigen Bedingungen in Texas und entschied sich, dorthin zu gehen; so brach er nach Harrisburg auf. Am 16. April 1831 bekam er von der mexikanischen Verwaltung ein Stück Land bei Mill Creek in Austin County zugesprochen._

In einer Oldenburger Lokalzeitung erschien der schon erwähnte Brief, den Ernst an einen in Oldenburg zurückgebliebenen Freund namens Schwarz geschrieben hatte._ Darin schilderte er die Bedingungen, die er in Texas vorgefunden hatte, besonders betont er, wie einfach es war, Land, welches schnell im Wert steige und nicht umgehend bezahlt werden müsse, zu erwerben._ Dieser Brief veranlaßte viele Oldenburger, Ernst nach Texas zu folgen. 1834 trafen die ersten Familien aus Oldenburg und dem Münsterland ein._ Es läßt sich also festhalten, daß hier ein klassischer Fall von Kettenwanderung vorliegt. Ernsts Witwe, Luise Stöhr_, schreibt, daß sich zwischen 1838 und 1842 mehrere hundert Deutsche in der Gegend um Industry angesiedelt hätten._

Caroline von Hinueber beschreibt sehr anschaulich die ersten Jahre, die die Familie in Texas verbrachte. Das Dach ihrer Blockhütte, ein sechseckiger Bau ohne Türen und Fenster, war nicht wetterfest, und obwohl ihr Vater einen Kamin gebaut hatte, wagten sie es nicht, in ihm ein Feuer zu entfachen, weil in ihrer Unterkunft alles aus hochbrennbaren Materialien bestand. Ernsts frühere Berufserfahrungen als Gärtner des Großherzogs von Oldenburg_ versorgten die Familie jedoch mit den notwendigsten Lebensmittel, die sie selber anbauen konnten. Später gelang es Ernst, Tabak anzubauen, den er im 28 Meilen entfernten San Felipe verkaufen konnte.

Das Verhalten der Deutschen während des Unabhängigkeitskrieges ist in Hinblick auf die Frage nach ihrer Haltung zum Status von Texas ein sehr interessanter Punkt. "When the war broke out, my father at first intended quietly to remain at his home. ... We then set out with the intention of crossing the Sabine and seeking safety in the States. When we arrived at the Brazos, we found so many people assembled at the ferry that it would have been three days before the one small ferry-boat could have carried us over the stream. The roads were almost impassable. So my father pitched his camp in the middle of the Brazos bottom near Brenham. Here we remained until after the battle of San Jacinto."_ Mit den Ernsts sollen 13 weitere deutsche Familien dort das Ende des Krieges abgewartet haben. Das interessante an dieser Schilderung ist die Darstellung von Rudolph Biesele zu diesem Thema: "During the Texas Revolution the few German Settlers fought for the country of their adoption and helped to win its independence. It was a trying time for them when they had to leave their homes and retreat with Houston's army before the advancing forces of Santa Anna; it was even more trying on the fortitude of some to find their homes in ashes when they returned after the battle of San Jacinto. According to the muster rolls of the participants, about one hundred German settlers were actively engaged in the Texas Revolution."_ An dieser Stelle beruft er sich in einer Fußnote auf Tiling_, der unter anderem folgende Namen als Armeeangehörige auflistet: Carl Amsler, Philip Weppler und Friedrich Ernst. Dies ist daher bemerkenswert, als Caroline von Hinueber neben ihrem Vater auch Amsler und Weppler zu den Personen, die am Ufer des Brazos das Kriegsende abgewartet haben, zählt; Tiling führt auch einen P. Pieper als Revolutionskämpfer auf, ob dieser mit dem von Caroline von Hinueber aufgezählten Herrn Piefer identisch ist, vermag ich jedoch nicht festzustellen.

1838 wurde um das Grundstück von Ernst die Stadt Industry gegründet. Friedrich Ernst wurde zum Friedensrichter gewählt und betätigte sich später als Kaufmann. Seine Frau leitete ein Hotel, das für viele, vor allem deutsche, Neuankömmlinge die erste Station wurde. 1841 gründeten die Deutschen von Industry und dem 1834 gegründeten Cat Springs den Teutonia-Orden. Körner zitiert die Hauptzwecke des Ordens aus seiner Satzung wie folgt: "Erhaltung der Deutschen National-Eigenthümlichkeit [!], Beförderung der deutschen Einwanderung und Erleichterung der Korrespondenz zwischen Texas und Deutschland."_ Um jedoch nicht in Verdacht zu geraten, deutsche, nationalistische Ziele zu verfolgen, hielt der Orden, der übrigens auch Frauen als Mitglieder aufnahm am 2. März 1843 eine große Feier anläßlich des Jahrestages der texanischen Unabhängigkeitserklärung ab._ Als Mitglied des Ordens hoffte Ernst, erstens mehr Deutsche Auswanderer dazu zu bewegen, sich in Texas niederzulassen, und zweitens die Politik dahingehend beeinflussen zu können, die deutsche Zuwanderung zu begünstigen. In einer Petition äußerte er gegenüber Kongreß und Präsident dazu Vorschläge, so z. B. die Anstellung von Konsuln in den Hansestädten; 1844 wurde Henry F. Fisher zum ersten texanischen Konsul in Bremen ernannt._ Ein anderes Mitglied des Ordens, Gustav Dresel_, schreibt in seinem Reisebericht über Texas: "Emigration itself cannot be supressed. It is, therefore, a fine and noble task to guide the sixty to seventy thousand people who leave Germany every year, to concentrate them as much as possible, to preserve thereby the German element, and to make up for the loss of working capacity and capital by suitable connections with the mother country."_ Dadurch wird deutlich, daß es hier Bestrebungen gab, eine völlige Assimilation zumindest zu verzögern, indem man immer wieder neue Einwanderer in seine Umgebung holte, und daß man vor allem enge wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland suchte, die den Wohlstand auf beiden Seiten fördern sollten.

1843 stellte die Regierung den Deutschen in Austin County einen Freibrief zur Gründung der Hermann Universität aus, an der zweisprachig unterrichtet werden sollte._ Nach einer Abänderung des Freibriefes am 11. April 1846 wurde bei Frelsburg, einer 1837 gegründeten deutschen Siedlung, ein Unterrichtsgebäude errichtet, das später einer öffentlichen Schule diente; trotz eines weiteren Freibriefes vom 11. Februar 1860 nahm die Universität nie ihren Betrieb auf._ Dennoch kann das Ausstellen der Freibriefe als Indiz gewertet werden, daß die Deutschen eine gewisse Stellung innehatten, die die Politik Texas' beeinflussen konnte.

 

 

4. Die Germania Society of New York von 1838/39

 

Bei der Germania Society of New York, im folgenden nur Germania Society genannt, handelt es sich zwar nicht um den ersten Versuch von Deutschamerikanern, die deutschen Immigranten in Amerika zu konzentrieren, aber es war die erste Organisation, die Texas als Zielgebiet anpeilte; Ernst hatte zwar eine Kettenwanderung dorthin ausgelöst, aber die Germania Society war größer angelegt und versuchte, die Ansiedlung schon vor dem Eintreffen der Deutschen in Texas organisatorisch zu lenken. Ein weiterer Unterschied zwischen den Siedlern von Industry, die meist direkt aus Deutschland kamen, ist der, daß die Germania Society Deutsche, die schon in Amerika waren, in Texas zusammenfassen wollte.

1835 gab es in New York eine namensgleiche Organisation, die ihr Hauptaugenmerk auf Wisconsin richtete, sie löste sich jedoch ergebnislos auf, wie Stefan von Senger schreibt._ Biesele hingegen macht keinen Unterschied zwischen der am 24. Januar 1835 und der 1838 gegründeten Gesellschaft und versucht die Auswahl von Texas als Zielgebiet zu erklären: "The Germania Society found some difficulty in deciding on the location for its colony. ... Since the founding of a German state was another objective of the society, some of the members declared that such a state should be a member of the American Union, while others wished to be assured that the state would be an independent one. Most of the members felt that the plan of founding a pure German state in the midst of the American Union would arouse the opposition of the American people; hence it was decided that Texas should be the field for the experiment."_ Neben der Gründung einer deutschen Kolonie verfolgte zumindest die Germania Society von 1835 noch weitergehende Ziele, nämlich den Erhalt deutschen Charakters, deutscher Bräuche und deutscher Kultur, die Unterstützung demokratischer Prinzipien, die Einflußnahme auf Deutschland, damit dort so bald wie möglich ähnlich günstige Bedingungen herrschen wie in den USA, sowie Rat und materielle Hilfe für politische Flüchtlinge aus Deutschland._

Auch diese Gesellschaft von 1838 sollte nicht sehr erfolgreich bleiben. Immerhin sandte man aber "am 22. Februar 1839 ein Schreiben direkt an den Präsidenten der Republik Texas, Mirabeau Buonaparte Lamar, und frug an, ob Siedler immer noch land-grants (640 acres für Familien, 320 für Einzelpersonen) bekämen und ob die Gesellschaft auf diese Weise Land erhalten könne."_ Der texanische Konsul in New York, John Woodward, stellte den 130 Menschen, die sich im Winter 1839 auf der Brigg "North" in New York nach Galveston einschifften, ein Empfehlungsschreiben für Präsident Lamar aus._

Der weitere Verlauf der Geschichte wird unterschiedlich dargestellt, fest steht nur, daß die ambitionierten Pläne der Gesellschaft kläglich gescheitert sind. Bei Struve wird das Ergebnis kurz zusammengefaßt: "Sie kamen am ersten Weihnachtstag 1839 in Galveston an. Dort erfuhren sie von einer fürchterlichen Epidemie des gelben Fiebers in der Stadt Houston, die auf ihrer geplanten Route ins innere des Landes lag. Daher blieben nur einige der mutigsten oder verzweifeltesten Passagiere in Texas und zogen weiter nach dem 'deutschen Gebiet' nördlich der Stadt Austin hinauf."_ Bei Stefan von Senger steht, daß der Großteil derer, die nicht nach New York zurückkehrten, sich in der Umgebung von Houston niederließ._ Auch der Leiter der Expedition, Dr. Schüssler, kehrte um. Von Senger schreibt, daß dieser "bei der Unternehmung im übrigen ein Vermögen verdient haben soll."_ Da er sich dabei auf Gustav Dresel beruft, muß es sich wohl um einen šbersetzungsfehler handeln, denn Dresel schreibt: "Dr. Sch., an otherwise very efficient man, had no doubt acted with the best of intentions. He lost a fortune by this miscarried undertaking and returned to the United States without having accomplished his purpose."_ Außerdem schildert Dresel, daß die Siedler der Germania Society, nachdem sie in Galveston gelandet waren, nach Houston kamen, und sich erst dort einige zur Umkehr entschlossen; der Rest zerstreute sich mehr oder weniger erfolgreich in Texas._ 1847 spielte Dresel selbst übrigens noch einmal kurz eine Rolle für einen deutschen Kolonisationsversuch, nämlich als Generalagent des Adelsvereins in Texas, im Mai desselben Jahres wurde er auch noch nassauischer Konsul, bis er am 24. September 1848 an Gelbfieber starb._

Das Projekt der Germania Society ist schließlich also an widrigen Umständen sowie mangelhafter Organisation und Finanzen gescheitert. So hatte man z. B. bei der Einschiffung in New York noch keine Ländereien zur Besiedlung garantiert. Diese Symptome werden auch im nächsten Kapitel wieder auftauchen.

 

 

5. Der Adelsverein

 

Am 20. April 1842 wurde unter der Leitung des Grafen Carl von Castell der Mainzer Verein zum Schutze deutscher Einwanderer in Texas gegründet. Schon der Ort der Zusammenkunft - das herzoglich nassauische Schloß zu Biebrich bei Mainz - sowie der Kreis der anwesenden Personen_ legen es nahe, diese Organisation kurz als Adelsverein zu bezeichnen. Dieser Verein stellt wohl das größte Texasprojekt Deutscher in dieser Zeit dar.

Ein Gesprächsthema dieser Runde war die große soziale Not in Deutschland. Man suchte nach Wegen, diese zu beheben. Da als vermeintliche Ursache des Problems die šberbevölkerung erkannt wurde, beschloß man, Auswanderung zu fördern und organisatorisch zu lenken. Mehrere Gründe sprachen für Texas, das durch seine erst kurze Siedlungsgeschichte noch keine nationale Kultur aufzuweisen hatte; es war also zu erwarten, daß Einwanderer dort nicht den hohen Assimilationsdruck erfahren würden, wie z. B. in den USA, d. h. nationale Charakteristika hätten sich dort länger erhalten können._ Man glaubte auch, Texas könne als neutraler Staat im Handel zwischen den USA und Mexiko als Zwischenstation dienen, und eine dort gelegene deutsche Kolonie könne somit Gewinne für das Vaterland erwirtschaften.

Noch im selben Jahr fuhren Graf Viktor von Leiningen und Graf Joseph von Boos-Waldeck nach Texas. Sie sollten die Bedingungen für den Start des Projektes schaffen, d. h. Land zu suchen und mit der Regierung einen Vertrag auszuhandeln. Dies resultierte in der Gründung der German Emigration Company. Land erhielten sie von der Regierung zwar nicht, und Leiningen kehrte nach Deutschland zurück, Boos-Waldeck kaufte jedoch in der Nähe von Industry für 70.000 Gulden 1.780 Hektar Land. Obwohl dieser Besitz, den er Nassau-Farm nannte, weiter östlich lag, als der Adelsverein zu siedeln beabsichtigte, entstand dort mit der Zeit eine Siedlung. Bei seiner Rückkehr nach Deutschland äußerte er Bedenken gegen die weitreichenden Pläne, denn das Land erschien im ungeeignet.

Am 7. April 1844 schloß der Adelsverein schließlich einen Vertrag mit Alexandre Bourgeois d'Orvanne, einem Empresario, der seit Sommer 1842 einen Freibrief von der texanischen Regierung hatte, einen Streifen Land zu besiedeln. Zwar hätten eigentlich bis Ende 1843 400 Kolonisten dort angesiedelt sein müssen, aber man ging davon aus, daß der Freibrief verlängert werden würde. So machten sich Bourgeois und Prinz Carl von Solms-Braunfels auf den Weg nach Texas, um die Verlängerung des Freibriefes dort auszuhandeln und die Ankunft der ersten Siedler des Vereins vorzubereiten. Da die Fristverlängerung aber wegen einer veränderten Politik im texanischen Kongreß nicht zu erreichen war, beendete man die Zusammenarbeit mit Bourgeois._

Henry F. Fisher, seit 1844 texanischer Konsul in Bremen, hatte seit 1842 zusammen mit Burchard Miller einen Freibrief für Land im noch unkartographierten Nordwesten Texas', dieser war im September 1843 vom Kongreß verlängert worden. Im Juni 1844 entschloß sich der Adelsverein zum Kauf dieses Fisher-Miller Grant._ Prinz Solms, der noch für den Verein in Texas war, hatte den südlichen Rand des Gebietes übrigens zu sehen bekommen, als er das Land von Bourgeois inspizieren wollte. Er versuchte, den Verein vor einem Kauf zu warnen, aber sein Brief traf nicht rechtzeitig ein. Ein weiteres Hindernis bei der Landvergabe waren die alternierenden Sektionen, d. h., "daß jede zweite Sektion in einem gegebenen grant in der Verfügungsgewalt der Regierung bleiben sollte"_ So sollte z. B. verhindert werden, daß sich zu viele Siedler derselben Nation in einer Gegend niederlassen würden, was aber genau die Absicht des Vereins war. Durch Lobbyarbeit von Henry Fisher, der jetzt als Kolonialdirektor des Adelsvereins wieder in Texas war, wurde Anfang 1845 diese Bestimmung gestrichen.

Prinz Solms hatte inzwischen ein Stück Land an der Bucht von Matagorda gekauft und den neuen Hafen Carlshafen genannt, heute Indianola._ Dort trafen im Winter 1844/45 die ersten Vereinssiedler ein, denn am 18. September 1844 segelte das erste Schiff aus Bremen los, weitere am 29. September und 12. Oktober._ Vor der Abfahrt mußte jedes Familienoberhaupt sich in einem Kolonisationsvertrag verpflichten, das ihm überlassene Haus zu bewohnen und innerhalb von drei Jahren sechs Hektar Land urbar zu machen und zu umzäunen. Einzelpersonen mußten 300 Gulden, Ehepaare 600 Gulden in die Vereinskasse zahlen. Die Hälfte davon sollte die Ausgaben für šberfahrt, Landtransport und Materialien vor Ort decken, der Rest bildete das Vereinskapital und sollte den Leuten später auf einen Wechsel zurückerstattet werden._ Die zur Emigration vom Verein verlangten Papiere waren neben Tauf- und falls vorhanden Heiratsschein noch folgende: Taufschein der mitauswandernden Kinder, amtliches Zeugnis über Wohnort und Gewerbe, Name und Wohnort der Eltern, beglaubigte Abschrift der Auswanderungserlaubnis der Regierung, Leumundszeugnis der Gemeinde und amtliches Zeugnis über den Vermögensstatus._

Den Winter mußten die Siedler in einem Behelfslager in Carlshafen verbringen, bevor sie im Frühjahr in Richtung Fisher-Miller Grant aufbrechen konnten, da Solms noch nicht über die logistischen Mittel verfügte, sie ins Landesinnere zu befördern. Auf halbem Wege gründete man, auf 607 Hektar Land, die Solms für 800 Dollar gekauft hatte, am 21. März 1845 den Ort Neu-Braunfels. Zuerst als Durchgangsstation gedacht, wurde er bald der Mittelpunkt der Vereinsaktivitäten. Um den Ort für Neu-Braunfels auszuwählen, stand Solms der schon 1833 nach Texas gekommene Botaniker Ferdinand Lindheimer zur Seite, der dort zum Friedensrichter gewählt wurde und 1852 mit der NeuÄBraunfelser Zeitung die erste deutschsprachige Zeitung in Texas begründete._

Am 25. Mai 1845 verließ Prinz Solms Texas und wurde als GeneralÄKommissar durch Baron Ottfried Hans von Meusebach, der sich fortan John O. Meusebach nannte, ersetzt. Solms hatte zwar einiges auf die Beine gestellt, dabei aber mehr ausgegeben, als ihm zur Verfügung stand. So hatte die Gesellschaft bei Kaufleuten in Texas sowie den eigenen Siedlern hohe Schulden. "Noch kurz vor seiner Abreise soll Solms von seinen Gläubigern in Galveston in Gewahrsam genommen worden sein, und nur durch die sofortige Zahlung von 10.000 Dollar durch seinen Nachfolger Meusebach konnte er sich noch rechtzeitig nach Europa einschiffen."_

Trotz eines strengen Sparkurses konnte Meusebach nicht viel mehr als ein Konkursverwalter sein, und als im Winter 1845/46 4.000 Vereinssiedler auf dreißig Schiffen in Carlshafen landeten, fehlte das Geld für genug Fuhrwerke, die ohnehin nicht in der Gegend waren, um die Menschen ins Landesinnere zu transportieren. Unter extrem ungünstigen Umständen mußten sie den Winter über am Strand zelten, etwa 1.000 Menschen haben dies nicht überlebt._ So verwundert es nicht, daß viele Männer es vorzogen, sich der amerikanischen Armee unter General Zachary Taylor im Krieg gegen Mexiko anzuschließen. Letzten Endes konnten so von 4.000 Leuten sich nur etwa 1.200 in Neu-Braunfels und dem 1846 gegründeten Friedrichsburg niederlassen._

Nach zwei Jahren trat Meusebach zurück, blieb aber in Texas, und wurde von Hermann Spieß abgelöst, dem nichts weiter übrig blieb, als die Zahlungsunfähigkeit des Vereins zu erklären, da es Meusebach nicht gelungen war, die Finanzen zu sanieren. Am 23. Februar 1848 löste sich der Adelsverein formal auf, die Vermögens- und Schuldenverwaltung wurde am 6. Mai 1848 an die Deutsche Colonisationsgesellschaft für Texas in Biebrich übergeben, in Texas führte die German Emigration Company die Geschäfte weiter._

Das war der Verlauf, doch wie sahen die Ziele dieses ehrgeizigen Projektes aus? An erster Stelle, sieht man einmal von der Ventilfunktion ab, das Problem der šberbevölkerung zu beseitigen, steht sicherlich der Gedanke, den schon Dresel und Ernst verfolgten, nämlich die Konzentration der Auswanderer in einem bestimmten Gebiet. An den Unternehmungen des Vereins läßt sich dieses auch klar erkennen. Uneinigkeit bestand unter den Vereinsmitgliedern über den Status der Siedlungen. Prinz Solms hat z. B. bei dem Gründungsfest von Neu-Braunfels - und auch der Name ist kein Zufall - eine schwarz-gelbe Flagge, die Farben ™sterreichs vor seinem Zelt gehißt und dazu das Deutschlandlied gesungen._ Sein Verhalten läßt darauf schließen, daß er zu der Fraktion gehörte, die eine möglichst eng ans Mutterland gebundene, abhängige Kolonie wünschten, möglichst mit monarchischer Spitze. Es gab aber auch Mitglieder in dem Verein, die gemäßigtere, realistischere Standpunkte vertraten, und selbst die Bewohner von Neu-Braunfels zogen die Fahne der Republik Texas hoch, als sie sahen, welche Farben vor dem Zelte des Prinzen im Wind wehten. Ein deutscher Staat auf dem Gebiet der Republik Texas hätte wohl auch kaum die Zustimmung der Texaner, oder später die der US-Amerikaner gefunden.

Die Vermittlung der Handelsströme zwischen Mexiko und den USA, die auch Deutschland einen einträglichen Warenaustausch garantieren sollte,_ scheint aber eher vernachlässigt worden zu sein. Die Gründungen des Vereins lagen zu weit von der Küste entfernt, abseits der großen Verkehrswege. Auch die Statistik für die Zeit von 1842-1845 bei Struve läßt Deutschland als Handelspartner Texas' nur auf Platz drei, teilweise Platz vier hinter Belgien erscheinen, und daß obwohl z. B. für Mexiko nur die Yucat n-Halbinsel aufgeführt ist, Südamerika ganz fehlt._

Um seine Ziele zu erreichen, hat der Adelsverein mit vielen staatlichen Stellen verhandeln und kooperieren müssen. Mit den Regierungen in Deutschland, um im ganzen Land agieren zu können, und natürlich auch mit der texanischen Regierung über Land und Privilegien. Wie oben schon erwähnt erreichte man so z. B. die Streichung der Bestimmung über die alternierenden Sektionen. 1846 stimmte der texanische Kongreß sogar für die Einrichtung von Comal County mit NeuÄBraunfels als Hauptstadt. So konnte die Gemeinde über ihre Gemeinde- und Schulverfassung bestimmen, Sheriff und Richter selbst wählen. Sie hatte außerdem das Recht, für dieses County alle Verordnungen in auf Deutsch zu erlassen._ Man kann davon ausgehen, daß dem Verein von Beginn an solche Formen vorschwebten. Ein weiterer Erfolg war die Anerkennung der Landansprüche, 1848 ernannte der texanische Gouverneur einen Commissioner for the German Colonies zum Ausstellen der Besitzurkunden, 120.000 Dollar angefallene Vermessungskosten wurden den Siedlern erlassen._

Von 1844 bis 1846 kamen 7.380 Deutsche durch den Verein nach Texas._ Diese Zahl allein ist recht beachtlich, doch wie oben erwähnt, lebten viele nicht lange genug, um sich dort eine Existenz zu verschaffen, andere zogen mit General Taylor in den Krieg. Nur etwa die Hälfte von ihnen hat es geschafft. Weitere 10.000 deutsche Einwanderer kamen ohne die Hilfe des Vereins, es ist schwer zu klären, ob sie nicht trotzdem durch seine propagandistische Tätigkeit in Deutschland mit zur Auswanderung nach Texas bewegt worden sind. Christine Schott drückt das so aus: "This organization, together with Dunt's book, was so successful that by the year 1850, Tiling states, one fifth of the total population of Texas was of German origin." _ Viele der nicht nur den Verein gekommenen haben sich aber z. B. in Galveston niedergelassen, welches nicht gerade Zentrum der Vereinsaktivitäten war. Aber schon 1846 wurde dort eine deutsche Schule feierlich eingeweiht; das Fest war wichtig genug, daß sogar Zeitungen der nördlichen Staaten darüber berichteten._

Eine der Schwächen des Vereins war sicherlich Prinz Solms. Trotz vieler Verdienste, gelang es ihm nicht, sich mit der republikanischen Gesellschaft Texas' abzufinden. "My brother cut a watermelon in two, took a piece, and went out into the yard to eat, whereupon one of the officers rebuked him severely, asking him how he could dare to eat when His Highness had not yet tasted."_ Ein solches Verhalten mußte nicht nur den deutschen Siedlern klarmachen, welche Vorzüge eine freie Gesellschaft hatte, sondern sorgte auch bei den texanischen Politikern und angloamerikanischen Bürgern für erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht im Umgang mit dem Prinzen. Struve fällt daher folgendes Urteil: "Der Verein erlag seinen Schwächen als Mischung von spekulativem Kapitalismus, romantischem Kolonisationsimpuls und gewinnsuchendem Adel, der noch immer Wert auf die Vorteile der ständischen Gesellschaft legte. ... Prinz Carl von SolmsÄBraunfels, der Kommissar des Vereins 1844-45, verbrachte viele Monate in Texas, wo seine aristokratischen Vorurteile ihm und dem Verein schadeten."_

 

 

6. Abschließende Bewertung;

Deutsche Haltungen zur Statusfrage - Germanisierung Texas'?

 

Gab es eine einheitliche Einstellung der deutschen Immigranten zu dieser Frage, oder hatten bestimmte Gruppen unter ihnen unterschiedliche Haltungen? Dies war die anfangs gestellte Frage. Bei der Loslösung von Mexiko war von seiten der nicht-spanischsprechenden Bevölkerung keine ablehnende Haltung festzustellen, auch bei den Deutschen nicht. Allerdings variierte das Engagement für die texanische Sache doch stark. Fest steht, Deutsche kämpften für die Unabhängigkeit. Einige aus šberzeugung, einige aus Abenteuerlust, einige des Soldes wegen. Fest steht aber auch, daß andere Deutsche nicht für die Unabhängigkeit kämpften, sei es, daß sie eine Familie hatten, um die sie sich kümmern mußten, sei es Angst vorm Krieg. Für beide Fälle habe ich in dieser Arbeit mit Hermann Ehrenberg als Soldat und Friedrich Ernst samt dreizehn weiteren Familien am Ufer des Brazos Beispiele gezeigt.

Bei der zweiten Statusveränderung, der Annexion durch die Vereinigten Staaten, sind die Geister gespalten. Es gab sicherlich deutschstämmige Einwohner von Texas, die gegen den Anschluß nichts einzuwenden hatten, man denke an die Zahl derer, die nicht aus Deutschland direkt kamen sondern entweder auf eigene Faust oder mit der Germania Society. Viele von ihnen waren schon Bürger der USA. Auch die Vereinssiedler, die mit General Taylor in den Krieg zogen, scheinen sich schnell für die amerikanische Idee begeistert zu haben - oder wenigstens konnte ihre Ablehnung nicht allzu groß sein.

Andere Deutsche scheinen dieser Veränderung nur wenig Bedeutung beigemessen zu haben. Bei Caroline von Hinueber findet sich darüber kein Wort. Auch von anderen der vor 1844 eingewanderten Deutschen ist mir in der Literatur keine besondere Haltung hierzu aufgefallen.

Es scheint als habe einzig und allein der Adelsverein - und hier scheint es mehr die Vereinsspitze als ihre Siedler - Probleme, ein US-amerikanisches Texas zu akzeptieren. Im Januar 1845 war Colonel Daingerfield, texanischer Gesandter in Den Haag, in Berlin. Bei dieser Gelegenheit traf er mit dem Prinzen Friedrich von Preußen und anderen Mitgliedern des Adelsvereins zusammen und erkannte, "daß eine Anerkennung der Souveränität von Texas für Preußen nur in Frage käme, wenn die Republik unabhängig bliebe."_ Trotzdem bedeutet die Tatsache, daß die Vereinspatrone mit allen Mitteln versuchten, die Unabhängigkeit Texas' zu manifestieren, nicht, daß die Siedler, die sich dem Verein für die šberfahrt und den Start in der Neuen Welt anvertraut hatten, ebenfalls ein derartig großes Interesse an texanischer Eigenstaatlichkeit hatten.

Abgesehen von dem nach heutigem Verständnis etwas lächerlichem Auftreten des Prinzen Solms wäre es übertrieben, zu behaupten, der Adelsverein hätte Ziele verfolgt, in Texas ein echtes Neu-Deutschland zu errichten. Die Kolonien, das war allen klar, würden sich der Umgebung anpassen und sich republikanisieren. Trotzdem gab es immer wieder Kritiker, die dem Verein feudalistische Absichten unterstellten._ Teilweise wurde diese šberzeugung genährt von dem Umstand, daß es möglich war, wenn man seine šberfahrt nicht bezahlen konnte, seine Schulden abzuarbeiten. Dies wurde als Frohndienst verstanden, obwohl die Vereinsleitung alles daran setzte, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Dem Umstand aber, daß der Adelsverein eben von Adligen, zum Großteil Angehörige mediatisierter Häuser, denen man unterstellte, sich neue Betätigungsfelder und Machtbereiche zu suchen, ins Leben gerufen wurde, ist es aber zu verdanken, daß dieser Verdacht nie ganz beseitigt werden konnte.

Fest steht, daß frühere deutsche Organisationen in Texas keine germanisierenden Ziele hatten. Der Teutonia-Orden war wohl eher ein geselliger Verein, als eine politische Organisation, und er war texanisch genug, den Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung von Mexiko zu feiern. Sein Ziel war es wohl, dem Auswanderer bei seinem unvermeidlichen Assimilationsprozeß etwas Geborgenheit der alten Heimat zu vermitteln, eine ähnliche Funktion, wie sie viele der ethnischen Nachbarschaften überall in den USA erfüllen. Die Patrone der Hermann Universität rekrutierten sich aus etwa denselben Kreisen wie der Orden, und an der Universität sollte ausdrücklich auf Deutsch und Englisch unterrichtet werden, ein weiterer Hinweis dafür, daß die Einwanderer sich dem Neuen nicht verschlossen.

So läßt sich abschließend feststellen, daß die Deutschen in Texas keine einheitliche Gruppe bildeten, sondern sich in Gruppen und Grüppchen aufteilten. Gemeinsamkeiten blieben häufig auf soziale Kontakte im Vereinsleben wie dem Teutonia-Orden beschränkt. Zwar gab es deutschsprachige Zeitungen, die meinungsbildend wirkten, aber auch hier gab es gleichzeitig eine Meinungsvielfalt, wie sie im republikanischen Geist der Zeit festsitzt.

 

7. Fußnoten

 

_ Körner, Das deutsche Element 359.

_ Struve, Die Republik Texas 38.

_ Biesele, German Settlements in Texas 23f.

_ Struve, Die Republik Texas 36.

_ Struve, Die Republik Texas 22f.

_ Biesele, German Settlements in Texas 44.

_ Struve, Die Republik Texas 35.

_ Hinueber, "Life of German Pioneers" 228.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 218.

_ Lich, The German Texans 39f.

_ Körner, Das deutsche Element 362.

_ 1 League = 1792 Hektar

_ Struve, Die Republik Texas 42f.

_ Biesele, German Settlements in Texas 43.

_ Biesele, German Settlements in Texas 43.

_ Auszüge des Briefes sind abgedruckt bei: Lich, The German Texans 41f.

_ Hinueber, "Life of German Pioneers" 228.

_ Friedrich Ernst starb 1858, seine Frau heiratet wieder.

_ Jordan, German Seed in Texas Soil 41, beruft sich auf: Stöhr, Luise. "Die erste deutsche Frau in Texas". Der
deutsche Pionier 16 (1884): 374.

_ Biesele, German Settlements in Texas 45.

_ Hinueber, "Life of German Pioneers" 230.

_ Biesele, German Settlements in Texas 191.

_ Tiling, Moritz. History of the German Element in Texas from 1820-1850 and historical sketches of the German
Texas Singers' League and Houston Turnverein from 1853-1913. Houston: 1913, 34f.

_ Körner, Das deutsche Element 359.

_ Biesele, German Settlements in Texas 221.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 216.

_ zu Dresels Biographie siehe Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 216, Fußnote 11.

_ Dresel, Houston Journal 123.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 217f.

_ Biesele, German Settlements in Texas 216.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 219.

_ Biesele, German Settlements in Texas 37.

_ Biesele, German Settlements in Texas 36.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 219.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 220.

_ Struve, Die Republik Texas 41.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 221.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 221.

_ Dresel, Houston Journal 88.

_ Dresel, Houston Journal 87.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 217.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 221f. führt auf: Herzog Adolph von Nassau, Herzog Bernhard
Erich von Sachsen-Meiningen, Herzog August Ernst von Sachsen-Coburg, Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig
von Preußen, Fürst Günther zu Schwarzburg-Rudolstadt, Fürst Carl von Leiningen, Fürst Hermann zu
Wied, Fürst Ferdinand von Solms-Braunfels, Prinz Franz von Colloredo-Mannsfeld, Prinz Otto Viktor von
Schönburg-Waldenburg, Prinz Carl von Solms-Braunfels, Graf Christian von Neu-Leiningen-Westerburg,
Graf Friedrich von Alt-Leiningen-Westerburg, Graf Viktor von Alt-Leiningen-Westerburg, Graf Carl
Wilhelm Georg von Inn und Knyphausen-Lutelsberg, Graf Armand von Rennesse, Graf Carl von Castell und
Baron von Szirnay.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 218

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 234-236.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 236.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 240.

_ Lich, The German Texans 46.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 247.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 247.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 247.

_ Körner, Das deutche Element 364. Struve erwähnt allerdings schon für 1846 die Gründung einer deutschen
Zeitung in Galveston. siehe Struve, Die Republik Texas 50.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 249.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 252.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 252.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 265.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 285. Auf Seite 241 beschreibt von Senger selben Anlaß als
"Grundsteinlegung der 'Sophienburg' - eines hölzernen Forts im Herzen des gerade gegründeten Städtchens
Neu-Braunfels..."

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 223.

_ Struve, Die Republik Texas 52.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 246.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 246.

_ Jordan, German Seed in Texas Soil 45.

_ Schott, "Gustavus Schleicher" 53.

_ Körner, Das deutsche Element 365.

_ Hinueber, "Life of German Pioneers" 232.

_ Struve, Die Republik Texas 45.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 291.

_ Senger, Neu-Deutschland in Nordamerika 295f.