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1. Einleitung

1.1 Vorbemerkung: zu Themenwahl, Vorgehensweise und Gliederung

Ein Jubiläum als Impulsgeber: die 150. Wiederkehr der Revolutionsdaten des Jahres 1848 gab Anlaß zu einer Fülle an Neuveröffentlichungen und Ausstellungen. Erschöpft ist der Themenkomplex "Revolution 1848" damit dennoch nicht. Immerhin jedoch zwingt die vorhandene Materialfülle zur gezielten Suche nach neuen Ansätzen, will man in seiner Arbeit mehr als eine bloße Paraphrasierung des bisher Gesagten erreichen.
In der vorliegenden Arbeit wurde daher zur Präzisierung des eigenen Blickwinkels in dreifacher Hinsicht eine Selbstbeschränkung vorgenommen, nämlich in zeitlicher (Vormärz und Märzereignisse), regionaler (behandelt werden ausschließlich die Großstädte Wien und Berlin) und sozialer Hinsicht (im Mittelpunkt stehen Arbeiter und Studenten [1]).
Die Wahl letztgenannter Gruppen erklärt sich wie folgt: Als neue, in der Herausbildung befindliche Schicht in einer Zeit wirtschaftlichen und sozialen Umbruchs - "weder Stand noch Klasse", wie Jürgen Kocka in einem Buchtitel treffend feststellt[2] - ist die Arbeiterschaft Mitte des 19. Jahrhunderts als Forschungssujet reizvoll. Welcher Stellenwert muß ihr in den Märzereignissen beigemessen werden: unpolitische Manipulationsmasse gebildeter Agitatoren in einer "Bürgerrevolution" (Nipperdey)[3] oder Revolutionsträger mit neu erwachtem politischen Selbstbewußtsein?
Als traditionell neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen geltende Gruppe lag eine Betrachtung der Studentenschaft beider Städte nahe. Besonders interessant erscheint dabei die "Teilsolidarisierung" der Wiener Studenten mit der örtlichen Arbeiterschaft, die in Berlin offenbar kein Gegenstück findet und deren Gründe zu untersuchen lohnend erscheint.
Um eine angemessene Beurteilung der sich herausstellenden Verhaltensmuster beider Gruppen in den Märzereignissen zu ermöglichen, werden deren Betrachtung einige Abschnitte zwecks Hintergrunddarstellung vorausgeschickt: eine knappe Übersicht der Bevölkerungsstruktur beider Städte ist (soweit es der Forschungsstand erlaubte) ebenso vorhanden wie eine Beschreibung der wirtschaftlichen Entwicklung im Vormärz als wesentlicher Einflußfaktor auf die Entstehung der Revolution. Ein genauerer Blick auf die wirtschaftliche Situation und gesellschaftliche Stellung der zu untersuchenden Gruppen soll erste Aufschlüsse zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten in Sachen Revolutionsmotivation, -zielen und Mentalität bringen. Eine ereignisgeschichtliche Skizze der wichtigsten Geschehnisse der Wiener und Berliner Märzrevolution liefert schließlich den Rahmen, innerhalb dessen die im dann folgenden Abschnitt über Verhaltensmuster während der Märzereignisse besonders zahlreich herangezogenen Quellen betrachtet werden müssen.
Die größte Chance, die sich aus der gewählten Vorgehensweise und Gliederung ergibt (Berlin und Wien werden strikt abwechselnd zu jedem Themenbereich behandelt), ist die des Vergleichs, trotz der Schwierigkeiten, die der unterschiedliche Forschungsstand und die oft stark voneinander differierenden Ziele und Vorgehensweisen der zu diesen Städten arbeitenden Historiker unvermeidlich aufwerfen: Eine Gegenüberstellung der Motivationen, Ziele und Handlungen der Arbeiter und Studenten Wiens mit denen Berlins macht Erkenntnisse möglich, die in einer separaten Untersuchung dieser Gruppen für beide Städte nicht gewonnen werden könnten und eröffnet neue Perspektiven. Die aus dem Vergleich gewonnenen Schlußfolgerungen werden im letzten Abschnitt im Rahmen einer Zusammenfassung der gefundenen Unterschiede und Gemeinsamkeiten vorgestellt.

1.2 Literaturlage und Forschungsstand

1.2.1 Berlin

Die Erforschung der Revolution von 1848 in Berlin in ihren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten ist recht weit fortgeschritten. Seit Erscheinen der Studie "Berlin 1848" von Rüdiger Hachtmann liegt ein methodisch wie inhaltlich vielfältiger, umfassender Überblick des gegenwärtigen Kenntnisstandes zu diesem Thema in nahezu allen denkbaren Aspekten vor.[4] Der Arbeit liegt eine Vielfalt an Quellenmaterial und statistischen Daten sowie eine beeindruckende Basis an Fachliteratur zugrunde. Präsentation und Argumentation bleiben angenehm frei von ideologisch befrachteter Glorifizierung bzw. Verdammung bestimmter Bevölkerungsteile; liegen kontroverse Lehrmeinungen vor, wählt Hachtmann in der Regel einen mittleren Standpunkt zwischen denselben.[5] Weniger neutral als idealisierend, dennoch erkenntnisreich und oft gerade durch ihre Provokanz stimulierend sind die Arbeiten Manfred Gailus` zu den Berliner Unterschichten (dem "Pöbel"), ebenso lohnend, aber zusätzlich nüchterner in Beschreibung und Wertung, sind die Arbeiten Dieter Bergmanns zur Arbeiterschaft in Vormärz und Revolution sowie Jürgen Bergmanns zum Handwerk.[6]
Den "proto-klassenkämpferischen" Aspekt der Märzereignisse heben, wenig verwunderlich, Werke der DDR-Geschichtsschreibung hervor.[7] Mit der nötigen kritischen Distanz betrachtet sind sie dennoch nützlich; zumal wenn sie eher selten gesondert betrachtete Themen behandeln wie Karl Obermanns Aufsatz zur Friedrich-Wilhelm-Universität in der Revolution.[8] In knapper Form finden sich Informationen über die Berliner Studentenschaft auch in Thielbeers Studie zu deutschen Universitäten im Revolutionsjahr.[9] Der Fülle neu erschienener Gesamtbetrachtungen zur deutschen Revolution 1848/49 wurden aus Gründen der leichteren Verfügbarkeit bei ungebrochener Validität die Arbeiten Siemanns und Wollsteins vorgezogen.[10]

1.2.2 Wien

Die Erforschung der Revolution 1848 mit Regionalschwerpunkt Wien ist weniger weit fortgeschritten als die zum Thema "Berlin 1848". Eine so umfassende Studie wie Hachtmanns so betiteltes Werk ist noch nicht vorhanden. Als wichtige Voraussetzung für ihre Erstellung fehlen noch immer solide statistische Grundlagen zur Ermittlung von (unter anderem) Sozialstruktur und Erwerbsstruktur der Bevölkerung. In Umfang und Tiefgang am ehesten mit Hachtmann vergleichbar, thematisch jedoch enger zugeschnitten auf die Erforschung speziell der Lebensumstände und Verhaltensmuster der sozialen Unterschichten Wiens kurz vor und in der Revolution, ist (auch fast 20 Jahre nach Erscheinen) nach wie vor Wolfgang Häuslers Werk "Von der Massenarmut zur Arbeiterbewegung".[11] Zur Veranschaulichung und zum Beleg zieht das Werk zahlreiche Quellen heran.
Die Rolle der Studenten während der Märzereignisse ist auch in Wien schlechter erforscht als die der Arbeiter. Nur teilweise wird diese Lücke durch die Dissertationsschrift Klaus Walter Freys gefüllt, da in seiner Untersuchung die freiheitlich-burschenschaftliche Bewegung, also ein kleiner Teil der Studentenschaft, den größten Raum einnimmt.[12] Den Schriften Freys und Häuslers gemein ist (hier eine Parallele zur Methodik Hachtmanns) eine weitgehend apolitische, wertneutrale Haltung, die auf Dämonisierung der "Bourgeoisie" und Glorifizierung des "Proletariats" verzichtet.[13]
An Gesamtstudien zur Revolution 1848 wurden, ergänzend zu den unter 1.2.1 erwähnten, die Werke Veit Valentins sowie Dieter Langewiesches herangezogen.[14]

1.3 Quellenlage

1.3.1 Berlin

An gedruckten Quellen zur Berliner Märzrevolution herrscht kein Mangel. Schon das aufblühende Pressewesen, mit zahlreichen Beispielen zitiert bei Hachtmann und anderen,[15] sorgt für eine Vielzahl an gedruckt vorliegenden Standpunkten und Lageberichten, hinzu kommen unzählige erhaltene Flugblätter. Mit der "Berliner Revolutionschronik" des liberal gesinnten Berliner Journalisten Adolf Wolff liegt zudem ein umfassendes, neben eigenen Betrachtungen zahlreiche andere Quellen zitierendes, zeitgenössisches Werk vor - eine wahre Fundgrube für Historiker auf Materialsuche.[16] Als konservatives Gegenstück zu Wolffs Standpunkt dürfen die Erinnerungen des Generals von Prittwitz, Oberbefehlshaber des preußischen Militärs während der Märzereignisse, gelten.[17] Von studentischer Seite stechen besonders die Erinnerungen des radikaldemokratisch eingestellten Paul Boerner sowie des gemäßigten Liberalen Ludwig Karl James von Ägidi hervor.[18]
Trotz der festgestellten Materialfülle bleibt eine Schwierigkeit bei der Quellensuche bestehen: aus naheliegenden Gründen (unter anderem mangelnder Alphabetisierung) liegen kaum unmittelbare Zeitzeugnisse aus den sozialen Unterschichten vor.[19] Aus der notgedrungen (wohlmeinend oder kritisch) verzerrten Perspektive von Berichten aus dem Bürgertum oder den zahlreich vorhandenen Prozeßberichten (welche ihrerseits durch Unwahrheiten und Lügen der Angeklagten und Zeugen verzerrt sind) können jedoch mögliche politische Einstellungen aus soziokulturellen Verhaltensmustern erschlossen werden.[20]

1.3.2 Wien

Auch zur Wiener Revolution 1848 ist eine Vielzahl von Quellen erhalten. Da ein Zugriff auf die dortigen Archive für diese Arbeit nicht möglich war, muß ein Rückgriff auf im Druck vorliegende Quellen erfolgen. Es existieren zahlreiche Werke, die kurze Zeit nach der Revolution erschienen und reich an Illustrationen und verwendbaren Materialien sind.
Zu nennen ist hier in erster Linie das Werk Heinrich Reschauers und Moritz Smets`, das ein Vierteljahrhundert nach der Revolution erschien und dessen Verfasser als Zeitgenossen viel Selbsterlebtes in ihre Darstellung einfließen ließen.[21] Es enthält die wohl ausführlichste Schilderung der Ereignisse aus liberaler Perspektive. Auch die zum fünfzigjährigen Gedenken erschienenen Darstellungen Ernst Victor Zenkers und Maximilian Bachs sind reich an verwertbaren Quellen.[22] Zenkers Arbeit sticht durch einen ersten Versuch einer sozialgeschichtlichen Interpretation der Ereignisse hervor. Besonders ergiebig sind weiterhin die Erinnerungen Ernst Violands, besonders in Bezug auf die Stellung der Arbeiterschaft in der revolutionären Entwicklung.[23]
Schriftliche Zeugnisse aus den sozialen Unterschichten sind, ähnlich wie in Berlin, fast nicht ausfindig zu machen, wodurch auch hier ein Rückgriff auf Berichte von bürgerlicher Seite sowie auf Behördenprotokolle unerläßlich ist.

2. Bevölkerungsstruktur

2.1 Berlin

Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Einwohnerzahl Berlins so dramatisch, daß es nicht übertrieben erscheint, von einer Bevölkerungsexplosion zu sprechen. Die statistisch erfaßte Gesamtbevölkerung der Stadt, die im Jahre 1800 noch 172.122 betragen hatte, wuchs bis 1846 auf rund 397.000 an - eine Zunahme um immerhin 230 Prozent. Obwohl für 1848 selbst keine Zahlen vorliegen, kann für dieses Jahr eine Gesamtbevölkerung von über 400.000 als sicher angenommen werden. Ein überwältigend großer Anteil des Bevölkerungswachstums - 1846 z.B. rund 93% - ergab sich dabei nicht etwa aus innerstädtischen Geburten, sondern aus Migrationsbewegungen, mehrheitlich aus den preußischen Provinzen, allen voran Brandenburg.[24]
In der Reihenfolge einer sozialen Schichtung nach "Ansehen" ergibt sich folgendes Bild der Sozial- und Erwerbsstruktur:[25] An der Spitze der "sozialen Pyramide" auch in Berlin stand der Adel, für dessen Zahl leider keine gesonderten Statistiken vorliegen (er ist für die nachfolgende Beurteilung auch von untergeordneter Bedeutung). [26] Auf alle Fälle dürfte sein Anteil an der Berliner Bevölkerung verschwindend gering sein. Kaum größer ist der Anteil des Großbürgertums, das andernorts auch als Wirtschaftsbürgertum bezeichnet wird, also der Anteil der größeren Kaufleute, Fabrikanten und Bankiers. Er beträgt nur 0,57% aller Erwerbsfähigen.[27] Mit 0,62% ist der Anteil der höheren Kommunal- und Staatsbeamten kaum größer. Rechnet man sie ebenfalls dem Großbürgertum zu, steigt dessen Anteil auf insgesamt 1,19%.[28] Das politisch-gesellschaftliche Gewicht von Adel und Großbürgertum darf jedoch als durchaus umgekehrt proportional zum Bevölkerungsanteil angenommen werden.[29]
Zur leichteren Vergleichbarkeit mit der zur Betrachtung Wiens herangezogenen Fachliteratur sei hier für alle weiteren Schichten zwischen den genannten und den Unterschichten der Terminus Kleinbürgertum verwandt; auf eine gesonderte Aufzählung der Mittelschichten wie bei Hachtmann wird verzichtet. Der Anteil des Kleinbürgertums liegt so bei 18,01%. Der hier sehr weit gefaßte Kleinbürgertumsbegriff resultiert in einer recht heterogenen Zusammensetzung der dieser Schicht zugeschlagenen Einwohner Berlins. Sie enthält die im "Beamten- und Bildungsbürgertum im Staatsdienst" Beschäftigten ebenso wie die politisch oft in Erscheinung tretende "freiberufliche Intelligenz" (Ärzte, Lehrer, Geistliche, Journalisten usw.), die überproportional oft liberale bis linksliberale, teils sogar demokratische und radikaldemokratische Ansichten vertrat und meinungsbildend wirkte, genauso auch Studenten und (politisch meist eher konservative und reformfeindliche als liberale und reformfreundliche) selbständige Handwerksmeister und Kleinhändler.[30]
Die überwältigende Mehrheit der Berliner Bevölkerung jedoch, rund 80,8%, gehörte den Unterschichten an. Immerhin ein achtel davon, 10,77%, waren "proletaroide Selbständige" (Hachtmann), also beispielsweise verarmte Alleinmeister, die strenggenommen einer Grauzone zwischen Kleinbürgertum und Unterschichten zugerechnet werden müßten. Qualifizierte Arbeitskräfte, also beispielsweise Fabrikarbeiter (10,44%), Handwerksgesellen (21,34%) sowie Handlungsdiener (6,02%), gehörten nach Selbstverständnis und Außendefinition eindeutig nicht mehr zum Kleinbürgertum, obgleich sie teilweise mehr verdienten. Unqualifizierte Arbeitskräfte, also beispielsweise Tagelöhner, machten rund 27% der Bevölkerung aus, das "Subproletariat" aus Erwerbs- und häufig auch Obdachlosen, Arbeitshaus-Insassen usw. 7,99% - letztere Zahl darf als deutlich zu gering angenommen werden, da die "Subproletarier" statistisch schwierig zu erfassen waren und deren Erfassung von staatlicher Seite zudem nicht für wenig relevant erachtet wurde.

2.2 Wien

Der rapide Anstieg der Einwohnerzahl, den Berlin verzeichnete, war auch in Wien zu beobachten. So stieg von 1827 bis 1847 die Zahl der Einwohner von 289.382 auf 412.513.[31] Das entspricht einem Anstieg von 42,5%. Auch in Wien liegen die Ursachen des Bevölkerungswachstums hauptsächlich in der Migrationsbewegung. So lebten in Wien 1848 ungefähr 60.000 Tschechen. Von 100 Verstorbenen des Jahres 1850 stammten lediglich 46 aus Wien. Besonders stark war die Zunahme in den Vororten Wiens.[32] Dort waren zwischen 1830 und 1851 Zuwachsraten zwischen 200% und 400% zu verzeichnen.[33] Zu begründen ist diese Entwicklung unter anderem dadurch, daß aufgrund des Mangels an Baufläche in der Innenstadt die Mehrzahl der neuen Fabriken dort, also außerhalb der historisch gewachsenen Stadtgrenzen, entstand.[34]
Die Ermittlung einer differenzierten Sozial- und Erwerbsstruktur Wiens ist aufgrund des unter 1.2.2 erwähnten Mangels an gesichertem Zahlenmaterial derzeit noch nicht möglich. Die Gesellschaftsgliederung in Form einer "sozialen Pyramide" mit dem Adel an deren Spitze und den sozialen Unterschichten als (zahlenmäßig Adel und Kleinbürgertum um ein Vielfaches übertreffendes) Fundament galt jedoch auch hier.

3. Wirtschaftliche Entwicklung im Vormärz (ca. 1840-48)

3.1 Berlin

1848 sowie in den unmittelbar vorausgehenden Jahren war die wirtschaftliche Entwicklung Preußens kaum besser als die Österreichs. Ebenso knapp wie eindrücklich läßt sich das Ausmaß der Krise einer Festschrift der "Korporation der Kaufmannschaft Berlins" (KKB) von 1870 entnehmen: "1846. Schlechte Erndte im Inlande, Nothstände in einzelnen Provinzen, Geldmangel, Ueberproduktion der Fabriken. 1847. Schnell sinkende Getreidepreise, hoher Zinsfuss, Krisis. 1848. Grosse nationale und demokratische Bewegung, Gewerbe und Handel leiden schwer und auf Jahre."[35]
Das Textil- und Bekleidungsgewerbe, nach wie vor (trotz allmählich abnehmender Bedeutung) dominierender Wirtschaftszweig Berlins und zu beträchtlichen Anteilen bereits in Form fabrikähnlicher Manufakturen unter Nutzung "moderner" Maschinen organisiert, litt unter der Krise ebenso wie das Handwerk.[36] Durch die preußischen Reformen zu Anfang des Jahrhunderts (ca. 1807-14), besonders die Gewerbefreiheit, wurde dieser Trend verstärkt, da sie die alten Sicherheiten des Zunftwesens abschafften und in gewisser Weise für "soziale Mobilität" sorgten, in der Hauptsache freilich nach unten: "[...][E]inigen wenigen Handwerksmeistern mochte es gelingen, zu freien Fabrikanten beziehungsweise Kleinunternehmern aufzusteigen, der überwiegenden Mehrheit stand die Proletarisierung bevor."[37]
Die durch die Agrarkrise von 1846 ohnehin geschwächte Kaufkraft der breiten Unterschichten wuchs durch anhaltend niedrige Löhne kaum an (effektiv sanken die Realeinkommen sogar), besonders gegen Ende des Jahres 1847 litt die Berliner Wirtschaft allgemein unter einem "groben Mißverhältniß zwischen Produktion und Consumption" - es "mangelte an Absatz".[38] Auch breite Teile des Kleinbürgertums, besonders kleine Kaufleute, mußten sich dadurch, oft langfristig, verschulden.[39]
Der Anfang der dreißiger Jahre einsetzende Industrialisierungsprozeß, der die Textil- und Bekleidungsindustrie ebenso umwandelte wie er neue Branchen hervorbrachte, z.B. die (zahlenmäßig in den vierziger Jahren noch kaum relevante) Elektroindustrie, konnte dem negativen Wirtschaftstrend nicht entgegenwirken.[40] Auch die seit 1843 (unter anderem infolge des beginnenden Siegeszuges der Eisenbahn) immer wichtiger gewordenen metallverarbeitenden Betriebe (angesiedelt meist vor dem Oranienburger Tor), beispielsweise die ersten industriellen Großbetriebe A. Borsig und C.A. Egells, erfaßte die Krise - wenn auch erst Anfang 1848, nach einer Phase starken Wachstums. Dann aber sank allein in den Maschinenbau-Unternehmen Berlins in nur rund 6 Monaten die Zahl der Beschäftigten von 3-4.000 auf nur 2.000.[41]
Obwohl die schlechte Konjunktur Unternehmer ebenso wie Unterschichten betraf, bekamen letztere aus nachvollziehbaren Gründen die Krise am deutlichsten zu spüren, nämlich buchstäblich am eigenen Leibe: "1847 und Anfang 1848 mußten vermutlich etwa hunderttausend Menschen oder ein viertel der Berliner Bevölkerung fürchten, über kürzere oder längere Zeit sich nicht ausreichend ernähren zu können, weil die erwachsenen Familienmitglieder ohne dauerhafte Beschäftigung und ohne reguläres Einkommen waren."[42]

3.2 Wien

Die wirtschaftliche Situation Österreichs im Vormärz war, gleich der Preußens und Berlins im besonderen, gekennzeichnet durch radikale strukturelle Veränderungen, verursacht durch die zunehmende Konzentration der Produktion in Manufakturen und Fabriken sowie den Prozeß der Mechanisierung.[43] Daß ausgerechnet in diese Phase des Umbruchs eine Wirtschaftskrise fiel, hatte verheerende Folgen.
Folgende Entwicklungen führten zu weiteren wirtschaftlichen Belastungen:
1. Der verpaßte Anschluß an den deutschen Zollverein 1844.
2. Eine schwere Agrarkrise als Folge verhängnisvoller Mißernten in den Jahren 1845-1847, wie sie auch in Preußen auftrat. Diese führte zu einem rapiden Anstieg der Lebensmittelpreise und Hungersnöten in einigen Landesteilen.[44]
3. Eine Handelskrise, ausgehend von Großbritannien, brachte die Textilindustrie, die sich noch in der Umbruchphase der Mechanisierung befand, ins Stocken.
Diese Handelskrise wirkte sich besonders stark auf die in den westlichen Vorstädten Wiens angesiedelte Seidenindustrie aus, die mit verstärkten Absatzproblemen zu kämpfen hatte. Zudem hatte die Einführung mechanischer Webstühle dazu geführt, daß die Frauen- und Kinderarbeit zunahm und somit die Arbeitslosigkeit gerade der männlichen Bevölkerung, stark stieg - eine auch in Berlin wahrnehmbare Entwicklung.[45] Neben der Seidenindustrie konzentrierten sich in den Vororten vor allem die konsumnahen Textilbetriebe, die das im Wiener Becken erzeugte Baumwollmaterial weiterverarbeiteten (Färbereien, Druckereien). Auch in diesen Betrieben führte die zunehmende Mechanisierung zum Verlust vieler Arbeitsplätze. Die sogenannte "Perotine", eine Maschine zur Bedruckung von Baumwolltüchern, machte in diesem Bereich viele Gesellen brotlos.[46]
Zur entstehenden Elektroindustrie Berlins gab es in Wien kein Pendant. Auch der Maschinenbau entwickelte sich langsamer.[47]

4. Wirtschaftliche Situation und soziale Lage der zu untersuchenden Gruppen

4.1 Arbeiter

4.1.1 Berlin

In Abschnitt 2.1 dieser Arbeit ist bereits festgestellt worden, daß eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Berlins, ganz ähnlich der Wiens, den sozialen Unterschichten zuzurechnen war.[48] Die immense Zahl der Zuwanderer verstärkte diesen Trend noch: Fast ausschließlich waren die "Neu-Berliner" einfache, unqualifizierte Arbeitskräfte.[49]
In diesem Abschnitt (ebenso in 4.1.2) wird bewußt über die unter 1.1 angeführte, enge Definition des Terminus "Arbeiter" als "unselbständige[r] Handarbeiter im Handwerks- oder Fabrikbetrieb" hinausgegangen, also auch "Tagelöhner, Handlanger, Knechte oder Gelegenheitsarbeiter" mit einbezogen. [50] Schließlich einte diese Gruppen eine Gemeinsamkeit: für das Bürgertum und den Adel gehörten sie zum ,Pöbel`, und der war nicht eben wohlgelitten: "Der ,Pöbel` schien unkalkulierbar [...] Er wurde zum Gegenstand positiver und vor allem negativer Mystifizierung, zum Schreckensbild der konservativen, liberalen und auch nicht weniger demokratischer Bürger." [51]
Wie das Arbeiterleben Mitte der 40er Jahre selbst auf wohlgesinnte bürgerliche Beobachter wirkte, beschreibt der demokratisch eingestellte Journalist und Schriftsteller Friedrich Saß:

Die Stunde, wo sie vom Dienst in der Fabrik erlöset sind, findet sie in der Branntweinstube, Männer und Frauen, Jünglinge und Mädchen. Dieses wüste Leben kann jeder deutlich bemerken, der abends durch die Köpenickerstraße geht, wo sich solche Arbeiterlokale in Kellern usw. befinden: Er wird häufig durch wüste Lieder, schallendes Gelächter, Gekreische und Geschrei festgehalten, es ist ihm aber nicht zu rathen, sich in die Lokale selber zu wagen, denn er ist dort der unangenehmsten Behandlung ausgesetzt. Die Erbitterung, mit der die Fabrikarbeiter alle übrigen Stände und Gesellschaftsstellungen betrachtet, liegt ganz natürlich in der unnatürlichen Lage, worin er sich ihnen gegenüber befindet.[52]


Diese "unnatürliche Lage" darf, auch wenn der Verfasser hier auf weitere politische und soziale Zusammenhänge anspielt, zunächst und vordringlich als drückende Armut verstanden werden.[53]
Arbeitstage von 12 bis 19 Stunden Dauer ließen weder Zeit für Weiterbildung noch für andere Freizeitaktivitäten. Die erhaltenen Löhne gingen dabei nur in seltenen Fällen (Musterzeichner, Modelltischler oder Kupferschmiede) über 10-15 Silbergroschen (Sgr.) pro Tag, also ca. 300-450 Sgr. pro Monat, hinaus. Die Lebenshaltungskosten für Schlafstelle und Nahrung allein betrugen aber für eine vierköpfige Familie bereits 9-10 Taler pro Monat, Kleidung nicht eingerechnet (1 Taler entsprach 30 Sgr.).[54] Höhere Löhne zu zahlen oder die Arbeitszeit zu verkürzen, war für Arbeitgeber nicht nötig, standen doch durch Einwanderung stets mehr als genug Arbeitskräfte zur Verfügung. [55]
Zusätzlich war die Erwerbslosigkeit hoch; staatliche "Arbeits-Beschaffungs-Maßnahmen" wie die Bestellung von arbeitslosen Gesellen und Tagelöhnern als Erdarbeiter vor den Toren Berlins (vor allem den "Rehbergen", daher der Name "Rehberger" für die vom Bürgertum als "revolutionärer Popanz" - so Hachtmann - gefürchtete Gruppe) halfen nur wenig und mehrten ob ihrer stupiden Natur die Unzufriedenheit der Beteiligten.[56]
Ähnlich schlecht wie Entlohnung und Arbeitsmarktsituation war die Wohnsituation: zwischen 1828-1846 stieg die Zahl der in einer Wohnung lebenden Personen von 4,74 auf 5,46.[57] Preiswerter Wohnraum mit Monatsmieten zwischen 1-50 Talern (also ca. 30-350 Sgr.) war relativ knapp: 50,66% der 1841 gezählten 32.193 vorhandenen Wohnungen zählten dazu - 80% der Erwerbstätigen aber gehörten (vgl. 2.1 dieser Arbeit) zu den schlecht bezahlten Unterschichten.[58] Der Wohnraum in den ersten "Mietskasernen", den 5 "Familienhäusern" im Voigtland vorm Hamburger Tor, war als Alternative zur drohenden Obdachlosigkeit trotz schlechter Wohnqualität begehrt (Monatsmiete: 2 Taler/Monat, bis zu 9 Personen teilten sich die 25m² großen Zimmer).[59] Die fehlenden Erholungsmöglichkeiten und die mangelhafte Ernährung äußerten sich in einem hohen Krankenstand: allein bei den Gesellen aller Berliner Gewerke betrug er 1845 im Durchschnitt 36,5%.[60]
Trotz des weitverbreiteten Elends war die Mentalität der Arbeiter vor den Märzereignissen keineswegs eine umstürzlerische, sondern durchaus eine staatstragende, "preußisch-monarchische" (Gailus). Zwar wurden Polizei und Verwaltungsbeamte häufig beschimpft - der Jubel bei Militärparaden aber kam durchaus aus vollem Herzen, den König ließ man gerne einmal hochleben.[61] An eine Veränderung des politischen Systems zur Verbesserung der eigenen Lage wurde in der Arbeiterschaft vor den Märzereignissen trotz ihrer wenig erquicklichen Lage offenbar kaum gedacht - "soziales Elend allein ,produziert` noch keine revolutionäre Situation."[62]
Kam es doch trotz rigider polizeilicher Kontrollen einmal zu Unruhen, vereinigten sich die "Einzelkörper" der Unterschichten doch einmal zum "Vielkörper Pöbel" (Gailus)[63], so geschah dies aus konkreten, unpolitischen Anlässen: die "Feuerwerksrevolution" vom 3. bis 5. August 1835 etwa richtete sich gegen geplante Einschränkungen der öffentlichen Feiern, besonders des Abbrennens von Feuerwerkskörpern, anläßlich des Königsgeburtstages.[64]
Not, nicht Vergnügen hingegen war die Antriebskraft hinter der "Kartoffelrevolution" vom 21. bis 22. April 1847: Empört über überhöhte Kartoffelpreise von bis zu 6 Sgr. pro Metze plünderten die Massen zunächst die Kartoffelkarren auf dem Markt, danach Bäckereien, Fleischereien und andere Geschäfte. Nachdem den bei der Kontrolle der Revolte erfolglosen Gendarmen am 22. April abends das Militär zur Seite trat, war die Hungerrevolte rasch niedergeschlagen.[65] Politik fand in der "Kartoffelrevolution" allenfalls in Form gelegentlicher Diskussionen über Parlamentsdebatten auf der Straße statt (nämlich dort, wo Transparente über ihren Inhalt berichteten.[66] "Symptomatisch ist, daß der König am 23. April 1847 unter den Linden unbehelligt seinen Spaziergang machen konnte."[67]
Auch organisiertere Formen des Protestes, etwa "gemeinsame Absprachen [d.h. ein Streik], wie sie bei den Kattundruckern schon im September 1830 vorgekommen waren," waren gleichfalls eher aus der Not geborene Rufe nach materieller Besserstellung und keinesfalls gegen das politische System als solches gerichtet.[68]
Grundlagen und Voraussetzung für eine politische Willensbildung in der Arbeiterschaft waren ja auch kaum vorhanden: Die Alphabetisierung war wenig fortgeschritten, Freizeit für Weiterbildung knapp. Dennoch gründeten sich im Jahre 1844 immerhin drei "Handwerkervereine", von denen einer, ins Leben gerufen von dem (bürgerlichen) Stadtsyndikus Heinrich Hedemann, überaus erfolgreich werden sollte: Gegründet am 16.April 1844 mit rund 250 Mitgliedern, wuchs seine Mitgliederzahl rasch an. Bei Revolutionsbeginn 1848 waren immerhin fast 10% der Berliner Gesellen darin organisiert.[69]
Zwar war der Verein an sich eher ein wohlmeinender bürgerlicher Versuch, über den Weg der Bildung und kontrollierten Geselligkeit zur Mäßigung des "Pöbels" beizutragen (ähnlich der wenig Zuspruch bei den Arbeitern findenden "Mäßigungsvereine") - bald aber mischten sich in die angebotenen Vorträge über Physik, Geschichte, Literatur usw. auch politische Inhalte, bedingt durch die oft linksliberale oder sogar demokratische Gesinnung der Lehrer.[70] Gelegentlich sprachen auch Vertreter der Arbeiterschaft selbst, wie etwa der Schlossergeselle Friedrich Juny Anfang Dezember 1847:

In seinem Vortrag setzte sich Juny mit dem (wie er es nannte) ,Spekulantentum` und der ,Habsucht' der Unternehmer auseinander. Er kritisierte, daß diese ihr Geld nur für Getreide- und Eisenbahnspekulationen verwendeten, ,um tausend [Taler] auf Millionen zu bringen`. Statt nun jedoch Aufhebung der Gewerbefreiheit oder eine Beschränkung der Maschinenarbeit zu fordern, verlangte Juny die ,Bildung großer Werkstätten mithilfe staatlicher Unterstützung oder auf genossenschaftlicher Basis. Erreichen könnte dies die ,unteren Volksklassen` nur, wenn sie auf die eigene Kraft vertrauten und beruftsständische Abgrenzungen überwänden: ,Darum, liebe Freunde [...]: erhaltet und befördert den Frieden unter Euch, so werdet ihr die Früchte wachsen sehen, die ihr in der Zersplitterung kaum geahndet [sic!] habt. Denn der vereinzelte Mensch ist nichts, aber vereint sind auch die Schwachen mächtig.[71]


Allzu häufig dürften solche offen politischen Vorträge nicht gewesen sein, anderenfalls wäre mit Sicherheit ein Verbot des Vereins die Folge gewesen. Doch auch über implizierte Parallelen zur Gegenwart in Geschichte und sogar Naturwissenschaften konnten politische Überzeugungen an der Zensur "vorbeigeschmuggelt" werden.[72] Der Handwerkerverein gilt in der Literatur vielfach als "Keimzelle der Arbeiterbewegung". Obgleich die Obrigkeit öfters ein Verbot erwog, wurde davon aufgrund der schon bald sehr hohen Mitgliederzahl des Vereins und der deshalb befürchteten Unruhen im Falle Abstand genommen. Trotz des Namens waren übrigens durchaus nicht nur Handwerksgesellen Mitglieder - auch "Fabrikarbeiter" nahmen an den Versammlungen teil.[73] Die Ärmsten unter den Arbeitern im weiteren Sinne, nämlich die Tagelöhner, konnten jedoch nicht von dem Angebot profitieren. Für sie war auch ein Monatsbeitrag von 2½ Sgr. noch zu hoch, zudem ihre Freizeit quasi nicht vorhanden - und vielleicht auch ihr Interesse an Vorträgen angesichts existenzbedrohender Nöte zu gering.[74]
Die dürfen jedoch auch bei den etwas besser gestellten Arbeitern nicht vergessen werden, und sind, so man nach einer Motivation für eine mögliche Revolution sucht, auch 1848 dominierend. Das Elend verfolgende Bürger befürchteten Ende der 40er Jahre nicht umsonst gewaltsam erzwungene Umwälzungen:

Die Unzulänglichkeit des Bestehenden kommt an allen Ecken unwiderstehlich an den Tag.[...] Unser ganzer Boden ist unterhöhlt, tausend Gänge sind hindurchgetrieben, endlich werden sie in ein großes Loch zusammenbrechen.[75]

 

4.1.2 Wien

Mitte des 19. Jahrhunderts in Wien von "dem" Arbeiter zu sprechen, ist - wie in Berlin -schwierig, da der später so genannte "Vierte Stand" sich auch hier gerade erst herauszubilden begann. Seine Entstehung steht in direktem Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Veränderungen, die die industrielle Revolution mit sich brachte.
Wie bereits erwähnt, waren viele Gesellen arbeitslos und hatten sich damit aus ihren ehemaligen Handwerksbetrieben und deren Sozialgefüge gelöst.[76] Diese neue soziale Mobilität, gepaart mit einer ungewissen Zukunftsperspektive war einer der wesentlichen Faktoren, die dazu führten, daß gerade die Gesellen eine tragende Rolle bei den revolutionären Vorgängen in Wien spielten.
Von den Folgen der wirtschaftlichen Krise waren auch in Wien die sozialen Unterschichten am stärksten betroffen. Ernst Violand schreibt über ihre Lebensverhältnisse in den Arbeitervororten vor den Befestigungsanlagen der Stadt:

Ganze Vorstädte wie Thury, Lichtenthal, Altlerchenfeld, Strozzischer Grund, Magarethen, Hundsthurm, Neue Wieden, Fünf- und Sechshaus, wimmelten von ausgehungerten, zerlumpten Arbeitern, und abends erfüllten die unglücklichen Mädchen der Fabriken in dem jünglichsten, selbst Kindesalter die Glacien und den Stadtgraben, um für einige Groschen jedem dienstbar zu sein.[77]


Kriminalität, Prostitution und Alkoholismus waren an der Tagesordnung; auch kam es vermehrt zu Plünderungen von Bäckerläden.[78] Krisenbedingt waren auch in Wien die Reallöhne niedrig, zusätzlich verteuerte die auf alle Nahrungsmittel erhobene "Verzehrsteuer" die Lebenshaltungskosten.[79] So hatte nach den Berechnungen der "Donau-Zeitung" 1848 eine fünfköpfige Familie, deren Eltern beide erwerbstätig waren, ein Einkommen von 230 Gulden pro Jahr. Abgezogen wurden davon: Miete 30 Gulden, Reinigung der Wäsche 5 Gulden, Brennmaterial 8 Gulden, Kleidung und Wäsche 30 Gulden und Fußbekleidung im Wert von 8 Gulden. Lediglich 24 Kreuzer pro Tag verblieben zur Verköstigung. Ein selbst zubereitetes Mittagessen kostete nach diesen Angaben jedoch mindestens 20 Kreuzer. Trotz der variierenden Angaben über die Wiener Arbeiterlöhne in der Literatur läßt sich feststellen, daß sie im allgemeinen kaum zur Ernährung einer Familie ausreichten.[80]
Die Wohnungssituation war der in Berlin vergleichbar. Sie schildert der Nationalgardist Anton Langer:

[...]Elende, kleine, niedere Zimmer, deren Atmosphäre von aufgehängter Wäsche, dem aus der Küche hineinschlagenden Rauch, durch unreine kleine Kinder [...] vergiftet, nasse Wände, gebrochene Fenster, durch die der Wind hereinpfeift [...] elende, zerbrochene Möbel, ein Tisch, ein paar Stühle, ein, höchstens zwei Betten, das ist der Palast des braven Mannes.[...] Zusammengepfercht mit Weib, Kind, häufig auch mit Bettgehern, kann er sich kaum bewegen, wohin er sein Auge wendet, leuchtet ihm das Bild seines Elends entgegen.[81]


Die sozialen Verhältnisse der Arbeiter Wiens also waren derer Berlins ähnlich. Ein deutlicher Unterschied besteht jedoch darin, daß es kein Gegenstück zum "Hedemannschen Handwerkerverein", der Berliner "Keimzelle der Arbeiterbewegung", gab, jedenfalls nicht im Vormärz.[82] Vereinzelte Versuche einer Arbeiterorganisation in Vereinen wurden, auch wenn sie nur der (unpolitischen) Bildung dienen sollten, von der Obrigkeit bereits im Keim erstickt.[83]
Ob die Mentalität der Arbeiter im Vormärz ähnlich monarchenfreundlich wie in Berlin war, läßt sich aus der vorhandenen Literatur nicht belegen. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, daß Kaiser Ferdinand I., anders als einige seiner Vorgänger, bei den Arbeitern weit weniger wohlgelitten war als der preußische König Friedrich Wilhelm IV.[84]
Anders als in Berlin, wo die Haltung des Bürgertums gegenüber der "Kultur der Armut" von einer Mischung aus geheimer Faszination und offenem Ekel geprägt war, herrschte in Wien eine gewisse Tendenz zur "Harmonisierung" vor, die wohl auch die Darstellungen ausländischer Beobachter beeinflußte: trotz der oben beschriebenen sozialen Probleme erscheint Wien oft als "Musterbeispiel einer statischen, selbstzufriedenen Gesellschaft", als "Insel der Ruhe inmitten stürmischer Veränderungen" (Häusler).[85] In Wien befand sich der Großteil des Elends vor den Toren der Stadt und war sowohl dem kaiserlichem Hof als auch Bürgern nicht direkt vor Augen. Man wähnte sich, geschützt durch Mauern und Wälle, in Sicherheit vor dem "Pöbel".

4.2 Studenten

4.2.1 Situation der Hochschulen

4.2.1.1 Berlin

Die Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität zählte 1848 rund 1400 Studenten. Davon waren 25% an der philosophischen, 20% an der medizinischen, 40% an der juristischen und 15% an der theologischen Fakultät immatrikuliert.[86]
Folgt man Friedrich Engels, hatte die Humboldtsche Bildungsreform und die damit verbundene "Denk- und Lehrfreiheit" die Universität geprägt: 1842 schrieb der damalige Zeitungsvolontär lobend, daß "[...] keine so sehr wie sie in der Gedankenbewegung der Zeit steht und sich so zur Arena der geistigen Kämpfe gemacht hat."[87] Auf ein von demokratischen oder auch nur liberalen Gedanken durchdrungenes Lehrangebot darf daraus jedoch nicht geschlossen werden. Viele der Professoren waren ausgeprägt konservativer Gesinnung.[88] Neues Gedankengut infiltrierte die Lehrpläne der Universität eher durch den akademischen Nachwuchs, besonders die Privatdozenten.[89]
Als Beispiel sei der Privatdozent Dr. Karl Nauwerck genannt, zuständig für die Geschichte der Philosophie sowie arabische Sprache. In seiner Vorlesung über "Die wichtigsten Systeme der politischen Staatslehre" im Wintersemester 1843/44 forderte er von den Studenten, "Sprecher und Sachwalter des Volkes" zu sein und den Beamtendienst abzulehnen. Am 1. März 1844 ließ Kultusminister Eichhorn die stets überaus gut besuchte Veranstaltung verbieten. Nauwerck, der sein Lehrangebot nicht ändern wollte, verzichtete als Konsequenz daraus auf seinen Lehrstuhl.[90]
Obgleich auch von anderen, ähnlich gesinnten Privatdozenten berichtet wird und vereinzelt auch Mitglieder der Professorenschaft durch kritische Äußerungen hervortraten,[91] zeigte die rigide Haltung des Kultusministeriums besonders ab 1843 Wirkung. Staatskritisches verschwand weitgehend vom Lehrplan.[92] Nur ein Jahr nach Engels gelangt ein Zeitgenosse, vielleicht nicht ganz zufällig, zu einer gänzlich anderen Einschätzung: die Berliner Universität sei "ein Treibhaus für gehorsame Staatsprinzipien [...], eine Pflanzschule für schweigenden Glauben an die Autorität der Politik und Religion."[93]

4.2.1.2 Wien

Die Wiener Universität war bedeutend größer und älter als die Berlins.[94] Sie zählte im Wintersemester 1847/48 insgesamt 3274 Studenten. Sie gliederte sich gleichfalls in eine "juridische", medizinische, philosophische und theologische Fakultät. Fast die Hälfte der Studenten (1462) gehörte der juridischen Fakultät an und hoffte auf eine spätere Versorgung im Staatsdienst.[95] Das Fehlen einer Phase wissenschaftlicher Reform Humboldtschen Zuschnitts, vielleicht auch das größere Alter der Universität,[96] schlugen sich in einem zum Teil erheblich veralteten Lehrangebot nieder, das offenbar um Längen konservativer war als das in Berlin selbst nach Einführung der Eichhornschen Kontrollen:

Die Professoren mußten ihre Vorträge nach Schulbüchern errichten, die vor 30, ja 40 Jahren, vielleicht noch darüber, von der Regierung vorgeschrieben worden waren. Die Studenten behandelte man wie kleine Schulbuben.[...]Von Kant, Fichte, Hegel wußten sie nur, daß sie Philosophen gewesen, aber von ihren Systemen kein Sterbenswörtchen.[...]Die ganze Erziehung, das ganze Studienwesen war nur darauf berechnet, gehorsame, katzenbuckelnde, schweigsame Untertanen und Beamtenschreibmaschinen zu erhalten.[97]


Gelegentlich gab es dennoch kritische Töne. So wurden in den Vorlesungen der Professoren Joseph Kudler[98] und Anton Joseph Hye[99] Staatsreformen gefordert und indirekt auf das Recht des Volkes auf Pressefreiheit verwiesen.[100] Sie waren bei den Studenten äußerst beliebt, was deren Sehnsucht nach Veränderungen verdeutlicht.

4.2.2 Situation der Studenten

4.2.2.1 Berlin

Bei den Berliner Studenten handelte es sich um junge Männer aus den bürgerlichen Ober- und Mittelschichten, vereinzelt auch dem Adel. In der Mehrheit strebten sie eine spätere Tätigkeit im preußischen Staatsdienst an. Die Zusammensetzung der Studentenschaft ist das Ergebnis eines letztlich primär auf finanziellen Kriterien beruhenden Selektionsprozesses: für ein Hochschulstudium war damals wie heute das Abitur Voraussetzung. Das hohe Schulgeld schon an Gymnasien schloß von vornherein aus, daß Mitglieder der finanzschwachen Unterschichten sich an die Hochschulen ,mogelten`. Für die Gewährung von Stipendien findet sich, anders als in Wien, weder in Fachliteratur noch Quellen ein Nachweis.[101]
Ebenso unklar bleibt die wirtschaftliche Situation der Studenten. Berichte ähnlich den nachfolgend unter 4.2.2.2 angeführten aus Wien zur Studentenarmut scheinen nicht zu existieren - möglicherweise infolge der im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung äußerst geringen Zahl der Studenten; vielleicht aber auch schlicht deshalb, weil ihre wirtschaftliche Lage keiner besonderen Erwähnung für notwendig erachtet wurde. Durch die erwähnte Präselektion konnte ohnedies nur der Nachwuchs von Familien, die sich dies auch leisten konnten, die Universität besuchen. Daß die Studenten von den hohen Preisen Ende der 1840er Jahre und der Wirtschaftskrise, die auch die bürgerlichen Schichten betraf, nicht unberührt bleiben konnten, versteht sich von selbst - ins Elend gestürzt wurden sie von den herrschenden Verhältnissen jedoch nicht.
Das Interesse vieler Studierenden richtete sich auf neue Staatsgedanken (stark beeinflußt durch linke, "junghegelianische" Ideen) und eine nationale Einigung Deutschlands.[102] Erschwert wurde die Diskussion und Verbreitung neuer politischer Ideen jedoch durch die bereits unter 4.2.1.1 angedeutete rigide staatliche Kontrolle. Die Bemühungen des Kultusministeriums, durch Verbote und Polizeispitzel eine Politisierung der Studentenschaft zu verhindern, beschreibt der liberal gesinnte Beamte Varnhagen von Ense im Dezember 1843 in seinem Tagebuch:

Der Minister des Innern, verbunden mit dem des Kultus, führt einen wahren Krieg gegen die Studenten, die ihrerseits die Sache lustig nehmen. Wenn sie in ihren Kneipen - sie kommen zu zwei- bis dreihundert zusammen - sich von Polizeispähern belauscht wissen, so lassen sie den Polizeipräsidenten von Puttkamer hochleben, die gesamte Polizei, die Pedelle, unter dem größten Gelächter! Dieser Studentenkrieg hat aber eine sehr ernste Seite; er zeigt die ganze erbärmliche Haltung der Behörde.[103]


Burschenschaften als Form der studentischen Organisation waren verboten.[104] Andere Organisationsbemühungen scheiterten: Als 1843 z.B. 400 Studenten die Gründung eines Lesevereins planten, wurde dieser nach kurzem Zögern trotz der befürwortenden Haltung der Universitätsleitung vom damaligen Kultusminister von Eichhorn nicht genehmigt. In ihren Organisationsbemühungen wichen die Studenten in der Folge auf die Bildung informeller, privater Lesezirkel aus, wurden Mitglieder in den unpolitischen bürgerlichen Vereinen oder Lesezirkeln - oder verzichteten auf ein politisches Engagement.[105] Schließlich konnte dies ernste Folgen haben: 1844 beispielsweise wurden die entschiedensten Anhänger der von "radikalen und junghegelianischen Tendenzen" (Obermann) geprägten "Progreßbewegung" wegen verbotener Versammlungen der Universität verwiesen.[106]
Mit der Gründung der "Berliner Zeitungshalle" des linksliberalen Verlegers Gustav Julius fand sich dann doch ein, wenn auch informeller, öffentlicher Treffpunkt. Die dort vorhandenen 500 Tages- und Wochenblätter, darunter alle wichtigen Zeitungen des außerpreußischen Deutschland, unterlagen vielfach nicht der örtlichen Pressezensur und brachten neue Perspektiven, die vom Publikum der Zeitungshalle (Studenten, Lehrer, Literaten, andere Angehörige des Kleinbürgertums gemäß 2.1 dieser Arbeit) selbstverständlich auch diskutiert wurden. Aufgrund der hohen Gebühren für den Besuch dieser und ähnlicher Einrichtungen blieb übrigens ausgeschlossen, daß sich in der Juliusschen oder anderen Zeitungshallen auch Arbeiter und Gesellen in die Diskussion mischten.[107] Hier wie sonst auch blieben sich Studenten und Arbeiter Berlins weitgehend fremd, die Ansichten und das Wissen vieler Studenten über die Arbeiter dürften weitgehend den oben angeführten, von Abgrenzung und sogar Ängsten geprägten, Vorstellungen des Bürgertums entsprochen haben.

4.2.2.2 Wien

Eine Betrachtung des Wiener Studenten schlechthin ist schwer möglich: Je nach sozialem Hintergrund gestaltete sich die Situation der Studenten höchst individuell. Im Vergleich zu Berlin fällt jedoch eindeutig auf, daß der Anteil der Studenten, die aus ärmlichen Verhältnissen stammten, höher war. Söhne von Handwerkern und Gesellen, Bauern, ja selbst Tagelöhnern und Arbeitern waren in der Studentenschaft anzutreffen.[108]
Hierfür sind mehrere Ursachen zu nennen: Zum einen war das zu zahlende Studiengeld relativ niedrig.[109] Zum anderen gab es eine Vielzahl an Stipendien sowie als Versorgungsgrundlage die sogenannte "Klostersuppe", die kostenlos an bedürftige Studenten in den Klöstern Wiens ausgegeben wurde. Trotz all dieser Maßnahmen wurden viele dieser Studenten durch ihre "drückende Armut" daran gehindert, Vorlesungen zu besuchen, weil sie selbst Unterricht erteilen mußten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.[110] Die allgemeinen Lebensumstände eines Teils der Studenten müssen erbärmlich gewesen sein. Anton Füster,[111] Zeitzeuge und in enger Verbindung zu den Studenten während der Revolution stehend, schrieb über diese Umstände kurz vor Ausbruch der Revolution:

Ich habe zwar oft von der Armuth gehört, die unter den Studenten herrschte, hätte sie mir aber nie so gross vorstellen können. Es übersteigt diese Armut jeden Begriff; nur die hoffnungsvolle Jugend, die in sich eine unversiegbare Quelle des Muthes hat, kann sie ertragen. Nicht wenige Studenten gab es, welche wochenlang keine warme Speise genossen, deren einzige Nahrung Brot und Wasser war. Die armen Menschen verdarben sich ohne Verschulden die Gesundheit für ihre ganze Lebenszeit. Von anderen Entbehrungen in Kleidung, Wäsche und dergleichen nicht zu sprechen, erwähnen wir der Wohnung vieler armer Studenten: finstere, im Winter nicht geheizte Kellerlöcher, alles eher als Menschenwohnungen zu nennen, waren ihre Behausungen. Wenn die Collegien und öffentliche Bibliotheken ihnen nicht ein Asyl gewährten, würden sie im Winter vor Kälte zugrunde gehen müssen. Wir kannten einen Studenten, der gar kein Quartier hatte, sondern im Winter in den Heuschobern, Wagenremisen und Scheunen weit ausser der Stadt wohnte, und im Sommer, wenn es nicht regnete, unter freiem Himmel schlief. Wer all dieses Elend angesehen, hätte blutige Thränen über die namenlose Armuth vieler Studenten weinen müssen.[112]


Die Zukunftsaussichten gerade der Studenten, die auf eine Beschäftigung im Staatsdienst hofften, waren nicht gerade rosig. Nach Abschluß des Studiums kamen sie als Praktikanten an Arbeitsplätze, die von langweiliger Tätigkeit und schlechter Bezahlung geprägt waren. Der Einstieg in die feste Beamtenhierarchie war nicht gesichert.[113]
Nach Schilderung dieser Umstände wird verständlich, warum viele Wiener Studenten Sympathie für die Arbeiter bekundeten: Sie waren schlicht in einer ähnlichen sozialen Lage wie sie.

5. Die Märzereignisse

5.1 Berlin

"Die Barrikadenkämpfe vom 22. bis 24. Februar 1848 in Paris bedeuteten auch für die deutschen Verhältnisse den noch fehlenden Anstoß. Die Nachricht von der Abdankung des ,Bürgerkönigs` [Louis Philippe] und generell die Worte ,Revolution in Paris` wirkten wie ein Fanal und löste in Deutschland eine Kette revolutionärer Ereignisse aus. [...]"[114] Die wohl direkteste Konsequenz daraus für die deutschen Staaten war die unter Führung Gustav v. Struves abgefaßte Petition der Mannheimer Volksversammlung vom 27. Februar, Grundlage und Muster des als "Märzforderungen" bekannten, auch in Berlin in unzähligen Adressen und Petitionen mehr oder weniger variierten Forderungskataloges: "1. Volksbewaffnung mit freien Wahlen der Offiziere, 2. Unbedingte Preßfreiheit, 3. Schwurgerichte nach dem Vorbild Englands, 4. Sofortige Herstellung eines deutschen Parlaments."[115]
Symptomatisch ist, daß diese Forderungen nicht etwa von einer preußischen Stadt ausgingen: "Von Baden ausgehend, breitete sich die Revolution zunächst nach Norden und Osten aus und erfaßte alle deutschen Mittel- und Kleinstaaten, das sog. ,Dritte Deutschland`. Erst dann vermochte sie sich in Wien und Berlin durchzusetzen[...]." Als erste ,vor-revolutionäre` Aktion in Preußen kann wohl die Kölner Volksversammlung vom 3. März gewertet werden, in der, um einige soziale Komponenten wie die staatliche Existenzsicherung und staatlich finanzierte Erziehung der Kinder erweitert, die Märzforderungen übernommen wurden.[116]
"Hinsichtlich ihrer politischen Wirkung [...] kaum zu überschätzen" (Hachtmann) waren für Berlin dann die ersten drei Versammlungen im Lokal "Unter den Zelten" im Tiergarten am 6., 7. und 9. März. Deren erste, schwach besucht noch, war hauptsächlich von Studenten der Friedrich-Wilhelm-Universität sowie Schülern der Gewerbe- und Kunstakademie initiiert worden, um "zu überlegen, wie sie ihren Wünschen nach demokratischen Freiheiten wirkungsvoll Ausdruck verleihen könnten." [117] Schon zur zweiten am folgenden Tag erschienen mehr als 600 "Studenten, Literaten, Handlungsdiener, Handwerker und Arbeiter"; eine heterogene Mischung, die sich alles andere als einig war, in der aber das liberale Bildungsbürgertum tonangebend wirkte.[118] Diskutiert wurde unter anderem eine vorher abgefaßte "Adresse der Jugend" an den König.[119]
Der 9. März brachte dann, ausgehend von der dritten dieser Versammlungen, die erste größere Demonstration. Angesichts der wachsenden Unruhe im Volk wurde die Mobilisierung des Heeres vorangetrieben.[120] In einer Kabinetts-Order wurde die Pressefreiheit in Aussicht gestellt; zusätzlich berief Friedrich Wilhelm IV. den Vereinigten Landtag ohne Nennung eines konkreten Programms für den 27. April ein.
Befriedigt waren durch diese kleinen Zugeständnisse weder kritisch-liberale Teile des Bürgertums noch die Unterschichten, zumal die Truppenmobilisierung fortgesetzt wurde. Am 13. März kam es dann zur ersten "entscheidenden Zuspitzung": Die Kavallerie marschierte auf, Kanonen und Soldaten wurden an "strategisch wichtigen Punkten" positioniert.[121] Als am Tiergarten ein Heer auf eine Volksversammlung stieß und sie gewaltsam auseinandertrieb (die ersten Verwundeten der Berliner Märzrevolution), erzeugte dies verständlicherweise Frustration über die harsche Vorgehensweise, Haß gegen das Militär und eine erste Radikalisierung der ursprünglich völlig gewaltfreien Demonstrationen.[122]
In der Folge, vom 13. bis 17. März, kam es zu einer Eskalation der Gewalt. Die Truppen begannen, scharf zu schießen, erste Todesopfer waren zu beklagen. In diese Zeit fiel die Nachricht vom Sturz Metternichs in Wien, die als zweite ,Initialzündung der Revolution` gewertet werden kann.[123] Offenbar nahm Friedrich Wilhelm IV. die Neuigkeiten als Beweis für den Ernst der Lage und erwog, gegen den Rat der "Falken am Hof" (Wollstein), Zugeständnisse an die Opposition.[124]
Am Vormittag des 18. März wurden diese Zugeständnisse dann öffentlich gemacht: eine umgehende, fast vollständige Pressefreiheit, und eine Vorverlegung des Vereinigten Landtags zum 2. April. Die Märzforderungen waren damit freilich nur unvollkommen erfüllt, zudem wurde die Pressefreiheit dadurch eingeschränkt, daß neue Publikationen nicht ohne Hinterlegung einer beträchtlichen Kaution erscheinen durften. Dennoch löste die Bekanntmachung zumindest in weiten Teilen des Bürgertums Jubel aus; man versammelte sich vor dem Schloß, sei es, um zu danken oder um Gewißheit über den wahren Umfang der Zugeständnisse zu erlangen. Die einzige konkrete Forderung, die dabei laut wurde, war die nach dem Rückzug des Militärs, der zumindest von bürgerlicher Seite gleichzeitig als Ruf nach einer Ersetzung desselben durch eine Bürgerwehr verstanden werden durfte.[125]
Die Forderung löste Unruhe am Hof aus; angeblich war dem König, möglicherweise nicht ganz unbeeinflußt von seinen Beratern,[126] ein bedingungsloser, "unehrenhafter" Abzug des Heeres nicht recht. Der Befehl zum Auseinandertreiben der Massen wurde gegeben - und plötzlich fielen zwei Schüsse, die in der Geschichtsschreibung Anlaß zu verschiedensten, farbigen Schilderungen gaben. Verletzt wurde durch sie niemand, und es wird wohl für immer unklar bleiben, ob sie versehentlich (wie durch den Prinzen von Preußen behauptet) oder absichtlich abgegeben wurden. Entscheidend aber war die resultierende Empörung von Bürgertum wie Unterschicht. Durch vorangegangene Militärübergriffe (z.B. am 13. März) ohnehin mißtrauisch geworden, nahm man die Schüsse als offene Kampfansage ans friedliche Volk, als "Verrath".[127] Es entbrannte ein "oft heroisierter" (Wollstein), grausamer Barrikadenkampf, vorwiegend in den ,bürgerlichen Gegenden` [128] und bis in den frühen Morgen andauernd, bei dem es keinen eindeutigen Sieger, wohl aber über 200 Tote gab.[129]
Die Reaktion des Königs am folgenden Tage war die Plakatierung des berühmt gewordene Aufrufs "An meine lieben Berliner", in dem die Kämpfe als "unseliger Irrtum" bezeichnet und der Truppenrückzug in Aussicht gestellt wurden.[130] Tatsächlich erfolgte dieser Abzug am gleichen Tage, ebenso die Abreise des verhaßten Prinzen Wilhelms nach England.[131] Die Gefallenen der Barrikadenkämpfe wurden auf den Schloßplatz getragen, der König verneigte sich baren Hauptes (was, je nach Auffassung der Verfasser, in der Literatur als "tiefe Betroffenheit" oder "Demütigung durch das Volk" interpretiert wird). Um erneute Kämpfe zu verhindern, besonders auch aus Angst vor dem ,Pöbel`, verlangte das Bürgertum erneut nach einer Bürgerwehr, die nun aufgestellt und bewaffnet wurde. Keinesfalls ist dies jedoch als Gewährung der Märzforderungen nach einer "Volksbewaffnung" zu verstehen.[132]
Als "Versuch, sich an die Spitze der Revolution zu stellen", aber auch als "unglaublich und anmaßend" (Wollstein) ist der feierliche Umritt des Königs durch Berlin am 21. März in den schwarz-rot-goldenen Farben in der Literatur gewertet worden. Wahrscheinlich war er eher eine - in Bezug auf weite Teile des Bürgertums durchaus erfolgreiche - Beschwichtigungsgeste; seine Proklamation "An mein Volk und die deutsche Nation" vom gleichen Tage, war offenbar darauf kalkuliert, national gesinnten Kreis des Bürgertums zu gewinnen. [133] Auf die sozialen Forderungen aus der Unterschicht wurde mit keinem Wort eingegangen; der Jubel vieler Bürger und die gleichzeitige Unzufriedenheit vieler Arbeiter machte deutlich, daß das Auseinanderdriften der kurzfristigen ,Einheitsfront` der Barrikadenkämpfe längst begonnen hatte.[134]
Mit der Einberufung des Ministeriums Ludolf Camphausen am 29. März setzte der König seinen Kurs der Annäherung an das Bürgertum fort.[135] Als am 30. März schließlich die Rückkehr der Truppen nach Berlin einsetzte, wirkte dies fast symbolisch. Aus "Angst vor Anarchie" (Wollstein) begrüßten viele Bürger die Rückkehr. Andere befürchteten eine Rückkehr zum Status Quo Ante - nicht ganz zu unrecht, wie die folgenden Monate zeigen sollten.[136]

5.2 Wien

Eine Besonderheit der Wiener Ereignisse liegt darin, daß hier, im Gegensatz zu Berlin, zwei parallel ablaufende Entwicklungen zu beobachten sind: In der Innenstadt verlief die Revolution in relativ geordneten Bahnen, dominiert von der bürgerlichen Intelligenz und den Studenten. In den Vorstädten hingegen, wo sich der Großteil der Fabrikanlagen befand und folglich auch die Fabrikarbeiter lebten, kam es zu Plünderungen und Zerstörung von Maschinen. Der Kontrast zu Berlin, wo auch die Kampfhandlungen besonders am 18. März vordringlich in ,bürgerlichen Gegenden` stattfanden, ist deutlich.[137] Die Berliner "Zeltenversammlungen", wo sich Anfang März (wenn auch mit zum Teil völlig unterschiedlichen Vorstellungen) "Studenten, Literaten, Handlungsdiener, Handwerker und Arbeiter" trafen, fanden kein Gegenstück.[138]
Zum Verlauf der Märzereignisse: Die Nachrichten von der Februarrevolution in Paris sowie der dortigen Ausrufung der Republik am 29. Februar 1848 fanden auch in Wien starken Widerhall. Besonders verhaßt war Bürgern wie auch Studenten das Metternichsche System mit seiner innen- wie außenpolitischen Enge.
Es folgten Petitionen und Adressen an den Ständetag, die eine Liberalisierung der Staatsverwaltung forderten. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Petition des "politisch-juridischen Lesevereins",[139] verfaßt von dem Schriftsteller Eduard v. Bauernfeld und dem Advokaten Alexander Bach. Sie griff die bereits erwähnten Märzforderungen auf und gab den wohl entscheidenden Anstoß für den weiteren Verlauf.[140]
Am Vormittag des 13. März zogen Studenten, zusammen mit Bürgern und Arbeitern, von der Universität aus in geschlossener Ordnung zum Landhaus in der innenstädtischen Herrengasse, um die dort versammelten Stände bei ihrem Anliegen, den Kaiser in einer Adresse um Reformen zu bitten, moralisch zu unterstützen.[141] Es wurde eine zunächst friedliche Kundgebung, eine "erste Volksversammlung Wiens": "Eine Masse eleganter Frauen, ja selbst Kinder waren unter den Anwesenden [...]. Das ganze glich eher einer plötzlich improvisierten Promenade."[142] Die ebenfalls anwesenden Arbeiter und Gesellen aus den Vorstädten sollten sich im weiteren Verlauf der Ereignisse als wichtige Stütze der Studenten während der Kampfhandlungen erweisen. [143]
Die "erste freie Rede Wiens" hielt Dr. Frischhof, praktizierender Arzt. In ihr kam eine der Hauptforderungen der Studenten und des Bürgertums zum Ausdruck: Der Wunsch nach einer freien, unzensierten Presse.[144] Auf seine Rede folgte ein wildes Durcheinander verschiedener Zwischenrufe.[145] Den lautesten Widerhall fand die Forderung nach der Abdankung Metternichs.[146] Es wurde die Rede des magyarischen Volkstribuns Ludwig Kossuth vom 3. März vor dem ungarischen Landtag in Preßburg zitiert, in der er sich gegen das Metternische System und für eine liberale Zukunft aller Völker im Kaiserreich ausgesprochen hatte.[147]
Währenddessen hatten sich in der ganzen Stadt Menschenansammlungen gebildet, innerhalb weniger Stunden war das gesamte in Wien stationierte Militär ausgerückt. In der Aula der Universität, die sich später zum geistigen Zentrum der Revolution entwickeln sollte, sammelten sich Tausende von Studenten. Es wurde eine Deputation gewählt, die die Verhandlungen mit den Politikern im Landhaus führen sollte, jedoch dort zunächst nicht vorgelassen wurde. Zu den geplanten Verhandlungen kam es dann nicht mehr: Die wartende Menge stürmte den Sitzungssaal des Landhauses, die tagenden Stände mußten den Saal verlassen und zogen um die Mittagsstunde zur Hofburg.
Um zwei Uhr nachmittags wurde das erste Mal auf Demonstranten geschossen, wobei die ersten fünf Todesopfer der Revolution zu beklagen waren. Nun schloß sich auch das Bürgertum, bisher eher Zuschauer der Ereignisse, den Revolutionären an. Die Bürgergarde, eine eher repräsentative als militärische Einheit der Bürger aus der Zeit des Vormärz, weigerte sich, nachdem sie vor dem Polizeigebäude beschossen worden war, weiter gegen das Volk vorzugehen.
Parallel zu diesen Ereignissen kam es in den Wiener Vorstädten zu Aufständen der dort lebenden Fabrikarbeiter.[148] In den Abendstunden eskalierten die Verhältnisse dort derart, daß man sich am kaiserlichen Hof zum Handeln gezwungen sah und die "Wiener Zeitung" am Abend des 13. März schließlich in lakonischer Kürze bemerkte, daß "der Geheime Haus-, Hof- und Staatskanzler Fürst von Metternich seine Stelle in die Hände Sr. Majestät des Kaisers niedergelegt [hat]."[149] Damit war eine der Hauptforderungen der Studenten und Bürger erfüllt.
Die Staatskonferenz (eine Versammlung sämtlicher Leiter der obersten Hofbehörden, ergänzt um die Erzherzöge) stimmte für die Bildung einer studentischen Legion und einer allgemeinen Bürgerwehr (Nationalgarde) zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung. Es erfolgte noch in derselben Nacht die Bewaffnung von Bürgern und Studenten aus dem Waffenarsenal des bürgerlichen Zeughauses.[150]
Am 14. März war die Lage nach wie vor prekär. Die erreichten Zugeständnisse, Abdankung Metternichs[151] und Bewaffnung von Bürgern und Studenten, galten als noch nicht gesichert. Aus der Hofburg kamen Meldungen, die die schwankende Haltung der Machthaber unterstrichen. So war Fürst Windischgrätz, ein überzeugter Gegner der Revolution, noch in der Nacht vom 13. auf den 14. März mit der Vollmacht zur Niederwerfung der Revolution ausgestattet worden. In den frühen Morgenstunden des 14. März wurde ein Plakat angeschlagen, welches nicht nur die neuen Vollmachten Windischgrätz´, sondern auch die Verhängung des Ausnahmezustandes über die Stadt verkündete. Windischgrätz sei "mit vollständiger Vollmacht ausgerüstet, Ruhe und Ordnung in der in Belagerungszustand erklärten Residenz herzustellen und aufrecht zu erhalten."[152]
Als man sich aber der Sprengkraft dieser Worte bewußt wurde, entfernte man die Plakate wieder. Die faktischen Vollmachten blieben jedoch erhalten, was in anschließenden Plakaten am 14. und 15. März auch zum Ausdruck gebracht wurde.[153] Nicht nur die in der Vorstadt, sondern auch die in der Innenstadt anwesenden Arbeiter waren in Aufruhr. Ihr Ruf nach Waffen wurde immer lauter. So herrschte vor dem Zeughaus bereits am Vormittag großes Gedränge. Es gelang den Arbeitern um vier Uhr nachmittags, in das Zeughaus einzudringen und sich mit Waffen auszurüsten. Ebenfalls am Nachmittag erfolgte die förmliche Genehmigung der Nationalgarde und der studentischen Legion durch den kaiserlichen Hof. Auf der Grundlage von "Besitz und Bildung", also unter Ausschluß der Arbeiter, sollte diese Körperschaft "Ruhe und Ordnung wiederherstellen." Damit wurde lediglich eine bereits bestehende Reform bestätigt. Aber die Hauptforderung nach einer Verfassung war noch nicht erfüllt worden.
Am 15. März kam es schließlich nach erneuten Demonstrationen zur Verkündung eines kaiserlichen Manifestes, das "Preßfreiheit", abermals die Nationalgarde sowie die "Einberufung der Abgeordneten aller Provinzial-Stände und der Central-Congretation des lombardisch-venetianischen Königreiches in der möglichst kürzesten Frist mit verstärkter Vertretung des Bürgerstandes [...] zum Behufe der von Uns beschlossenen Constitution des Vaterlandes" zusicherte.[154]
Damit schienen die Hauptforderungen der bürgerlich-studentischen Revolutionäre erfüllt und ein vollkommener Sieg errungen zu sein. Dem Passus "in der möglichst kürzesten Frist", in dem die geplante Verzögerungstaktik zum Ausdruck kam, wurde noch keine größere Bedeutung beigemessen. An eine Verbesserung der Lage dachte der Kaiser, wie Friedrich Wilhelm IV. in Preußen, nicht.

6. Studenten und Arbeiter während der Märzereignisse

6.1 Studenten

6.1.1 Berlin

Obwohl die erste der einflußreichen Versammlungen "Unter den Zelten" zu Beginn der Märzereignisse maßgeblich von studentischer Seite ins Leben gerufen wurde, kann die Studentenschaft in ihrer Mehrheit keinesfalls als "revolutionäre Triebkraft" bezeichnet werden: "Das Verhalten der Majorität von Dozenten und Studenten der Berliner Universität gibt spiegelbildlich Situation und Reaktion des Berliner Bürgers in den Märzereignissen wieder."[155] Annäherungen an oder gar Verbrüderungen mit der Arbeiterschaft fanden nur vereinzelt statt. Zum einen mag dies eine Folge der bürgerlichen Herkunft der Studentenschaft sein, die sicher eine gewisse Fremdheit gegenüber den Unterschichten, teilweise auch ihre offene Ablehnung, zur Folge hatte. Zum anderen können die unter 4.2.1.1 angeführten staatlichen Kontrollen als erfolgreich angesehen werden - neue Ideen verbreiteten sich langsamer, so auch frühsozialistische oder radikaldemokratische Überzeugungen.[156]
Spezifisch studentische Forderungen in der Märzrevolution gab es durchaus: So forderte ein Anschlag im Hauptgebäude am 9. März den Sturz des ungeliebten Kultusministers Eichhorn, Lehr- und Lernfreiheit, Wegfall der Studien- und Promotionsgebühren sowie "freie Erziehung". Die Unterstützung für diese Ideen war vermutlich sehr viel breiter als die weitergehender, politischer Forderungen.
Schon frühzeitig, etwa in einer Aulaversammlung am 11. März, wurde eine Spaltung der Studentenschaft in zwei Flügel deutlich: einem zahlenmäßig größeren, gemäßigt liberalen (an seiner Spitze der Jurastudent Ludwig Karl James von Ägidi), sowie eines kleineren, radikaldemokratischen, der trotz seiner geringen Zahl mit Redebeiträgen in Studentenversammlungen regelmäßig in Erscheinung trat, ohne die gemäßigteren Kommilitonen freilich von den eigenen Ansichten überzeugen zu können.[157] Die Zahl der Sympathisanten dieser studentischen Linken (als deren Anführer Paul Boerner - wie Ägidi damals Jurastudent -, der - in Berlin freilich noch nicht immatrikulierte - Philosophiestudent Gustav Adolf Schlöffel aus Heidelberg sowie der Schweizer Johann Georg von Salis-Seewis galten) betrug ca. 120.[158]
Es darf als symptomatisch gelten, wenn der Oberbefehlshaber der in Berlin stationierten Truppen zu Zeiten der Märzereignisse, Karl-Ludwig von Prittwitz, in seiner Beschreibung das ordentliche Verhalten der Studenten am 16. März lobt:

Mittags, gleich nach 12 Uhr, [...] zogen 200 bis 300 Studenten, in völlig geordnetem Zuge, zu zwei und zwei gehend und ganz still, von dem Gebäude der Universität nach dem der Kommandantur. [...] Die Studenten stellten sich vor der Kommandantur auf und sandten eine Deputation an den General von Ditfurth mit der Bitte, sich zu einem bewaffneten akademischen Korps formieren und zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe mitwirken zu dürfen. Der General lehnte diesen Antrag ab, worauf sich die Studenten in derselben Ordnung nach dem Universitäts-Gebäude zurückbegaben.[159]


Die Idee hinter diesem bewaffneten "akademischen Korps" war keinesfalls, dies zeigt deutlich das Ersuchen einer offiziellen Genehmigung dafür, die des bewaffneten revolutionären Kampfes. Vielmehr sollten so die Bürger einerseits vor möglichen Übergriffen des Militärs (wie am 13. März geschehen), andererseits (und vordringlich) aber vor Tumulten von Arbeiterseite beschützt werden. Nur durch "Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in der Hauptstadt", so beschloß eine Mehrheit der Studenten am 17. März auf einer Aulaversammlung, seien die gewünschten Reformen zu realisieren. Dieser Grundgedanke prägte auch die Bildung der Studentencorps im Zuge der Bürgerbewaffnung am 19. März, einen Tag nach den blutigen Barrikadenkämpfen.
Ca. 300 Studenten schlossen sich dieser "lockeren und uneinheitlichen Organisation" (Obermann) an, aufgeteilt in drei Riegen zu ca. 100 Mann, die ihrerseits in 20-30 Studenten starke "Rotten" gegliedert waren. Diese Rotten unterschieden sich stark voneinander: so gab es eine konservative "Wingolf-Rotte" ebenso wie eine radikaldemokratische unter Anführung des Studenten Monecke, die geschlossen mit Heckerhut auftrat und, folgt man Paul Boerner, wie andere Mitglieder der "Riege Salis-Seewis" die Bildung eines "Gegengewichts zur waffengeübten Bourgeoisie" im Sinne hatte, freilich ohne großen Erfolg.[160]
Die Mehrheit der Studenten blieb staatstragender Gesinnung, möglicherweise auch durch den Annäherungskurs der Regierung, der sich am 20. März in Gestalt eines Besuches des neuen (am 18. März eingesetzten) Kultusministers Graf von Schwerin nebst Polizeipräsident Minutoli in der Universitäts-Aula zeigte. "Eingeschüchtert durch die Revolution in Wien, wo die Aula zum Zentrum der Bewegung wurde, bemühten sich König und Minister in höchstem Maße um die Studenten, die als Adressaten einer Bitte der allerhöchsten Autorität im Staate zweifellos ungeheuer geschmeichelt waren" [161] So nimmt es nicht Wunder, daß beim "Umritt" des Königs am folgenden Tage in den schwarz-rot-goldenen Farben mit den Bürgern auch die Studenten jubelten, Mitglieder der Studentencorps stellten sich als Wache für das Prinzenpalais zur Verfügung.[162]
Wie aber äußerte sich die Spaltung der Studentenschaft in erwähnte Flügel während des umkämpften 18. März? In einer Aulaversammlung vom Vormittag zunächst nicht; einhellig begrüßte man den Sturz des Kultusministers Eichhorn. Nachdem die Nachricht von Schüssen und Aufruhr aber die Versammlung erreichte, forderten die "Radikalen" zum Kampf auf, eine Aufforderung, der freilich nur rund 100 Studenten, entsprechend ungefähr der Stärke des linken Flügels nachkamen.[163] Einige Studenten, so zitiert Wolff die Erinnerungen Ägidis, glaubten noch immer daran, daß ein bewaffneter Kampf aufzuhalten sei und ähnelten in ihrem Verhalten jenen Bürgern, die die aufgebrachten Massen angeblich mit einem Transparent, das alles sei ein "Mißverständnis", zu beschwichtigen suchten:

Auch jetzt noch, so erzählt der mehrfach erwähnte Geschichtsschreiber der Aula, lebte in einer geringen Anzahl der Studenten ein Schimmer der Hoffnung. Sie waren sich nicht klar bewußt, was sie wollten; doch genug, es durfte nicht zum Kampfe kommen. [...] Die Studenten eilten noch einmal zu Minutoli [und] trugen ihm ihre Idee vor. Sich dem König zu Füßen zu werfen und um Entfernung der Truppen zu bitten. [...] Hr. v. Minutoli, ,der die Wichtigkeit der Universität für diesen Augenblick erkannte und übersah, daß, war die akademische Jugend zu gewinnen, das moralische Gewicht dem Aufstand fehlte, ja vielleicht der Aufstand gar nicht zum Ausbruch kam`, [...] Hr. v. Minutoli gab den Bitten nach. Er trat mit ihnen den ,denkwürdigen` Gang an.
Der Gang, so Wolff weiter, wurde nicht unbedingt zum Erfolg: es gibt widersprüchliche Darstellungen: Während laut Ägidi der Polizeipräsident das Vorzimmer des Königs erreichte und wohl auch mit ihm sprach, behauptet Braß, daß bewaffnete Bürger ihm den Zutritt zum Schloß verwehrten. Unbestritten, zumindest laut Wolff, ist eine Antwort des Königs an eine Delegation des akademischen Senates, die zum gleichen Zeitpunkt im Schloß weilte. In dieser Antwort sagte der König angeblich: "Die Studenten wären seine - des Königs - Freunde; das hätten sie in den letzten Tagen bewiesen."[164]


Das (sicher auch durch die revolutionsfreundlich gefärbte Darstellung Wolffs) fast etwas "weltfremd" erscheinende Verhalten der oben erwähnten Studenten erinnert an die "Kluft der Mehrheit der Studenten zum Volk", die Paul Boerner in seinen Erinnerungen beschreibt: "Wir standen einmal ebenso wie unsere Kommilitonen auf dem Isolierstuhl des abstrakten Studententums, wenn wir auch dafür begeistert waren, in ihm dem Volk eine Stütze zu erwerben."[165] Am 18. März jedoch, so ebenfalls Boerner, handelten die "radikalen Studenten" fast diametral unterschiedlich zu ihren gemäßigten Kommilitonen. Während jene den König aufzusuchen gedachten, eilten diese vors Oranienburger Tor, zu den Maschinenbauarbeitern der Borsig-Werke:

Als Salis mit anderen Studenten zu ihnen herauskam und erzählte, wie man drinnen in der Stadt das Volk verrate und wie man dort schon in allen Straßen Barrikaden baute, hörten sie [die Arbeiter] ihn ruhig an und fragten nur, ob die Geschichte denn jetzt auch wirklich ,ordentlich` wäre. Daß sie, als ihnen das bejaht und bewiesen wurde, sich beteiligen müßten, verstand sich wie von selbst. Sie arbeiteten indessen noch ein Stück kaltblütig weiter, ließen sich ebenso besonnen ihren Wochenlohn auszahlen [der 18.3. war ein Sonnabend, sagt Obermann] [...] und dann waren sie endlich bereit.[166]


Noch radikaler gab sich in der Folge Gustav Adolph Schlöffel, der eine Annäherung an die im Bürgertum besonders gefürchteten "Rehberger" versuchte und sein republikanisch bis frühsozialistisch ausgerichtetes, freilich nur in sechs Ausgaben erschienenes, Blatt "der Volksfreund" (dessen Erscheinen bald nach Schlöffels Verhaftung und Verurteilung Ende April/Anfang Mai eingestellt werden mußte) sogar kostenlos an diese verteilte, um sie politisch zu bilden.[167] Auch wenn diese und andere Agitationen recht öffentlichkeitswirksam waren, die Radikaldemokraten also überproportional zu ihrer Zahl öffentlich wahrgenommen wurden, verhielt sich die Mehrheit der Studenten ruhig. Als ein weiterer Beleg dafür sei hier der Jahresbericht der philosophischen und theologischen Fakultät zitiert:

Die Übungen des Seminars haben im Studienjahr 1847-1848 in derselben Weise wie früher stattgehabt, [besucht von] tüchtigen, fleißigen, talentvollen Männern, [...] die sich auch durch die den Studien höchst ungünstigen und unruhevollen Zeiten nicht haben abhalten lassen, an ihrer wissenschaftlichen Ausbildung zu arbeiten.[168]

 

6.1.2 Wien

Die Studenten Wiens waren mit den gegebenen Verhältnissen äußerst unzufrieden und formulierten ihre bis dahin zumeist verbal vorgebrachten Forderungen in einer "Adresse der Wiener Studentenschaft" vom 11. März verfaßt wurde.[169] In ihr wurden Preß- und Redefreiheit, Lehr- und Lernfreiheit, Gleichstellung der Konfessionen und die Schaffung einer allgemeinen Volksvertretung gefordert.[170]
In diesen Punkten stimmten die Studenten mit den Forderungen des Bürgertums überein. Sie richteten sich nicht gegen den Kaiser selbst: Dieser erfreute sich bei ihnen, nicht zuletzt wegen seines berühmten Satzes "Nein, ich lasse auf meine Wiener nicht schießen!"[171] großer Beliebheit. Als sich am 15. März eine Fahrt des Kaisers durch die Innenstadt ankündigte, "[zogen] die bewaffneten Bürger, Nationalgarden und Studenten [...], ohne einen besonderen Befehl abzuwarten, nach den Straßen [...] und bildeten [...] Spalier."[172]
Wie unter Punkt 4.2.2.2 bereits angedeutet, zeigte sich ein großer Unterschied zwischen dem Verhalten der Studenten Wiens und Berlins in ihrer Behandlung der unteren Bevölkerungsschichten. Viele Wiener Studenten (eine Mehrheit, verglichen mit der radikaldemokratischen Minderheit Berlins) sahen in den Tumulten der Vorstädte keinesfalls nur einen barbarischen "Pöbelaufstand". Sie zeigten Verständnis für die Forderungen der Massen. Zu erklären ist dieses Verhalten vielleicht durch die ähnliche soziale Lage, in der sich sowohl Arbeiter als auch große Teile der Studentenschaft befanden.[173]
Auch waren sich viele Studenten der großen Macht bewußt, die den notleidenden Massen der Vorstädte innewohnte. Schon vor Beginn der Märzunruhen hatten sie versucht, diese für ihre Sache zu gewinnen. So ist auch zu erklären, daß trotz der Schließung der Stadttore am 13. März um 13.30 Uhr ein Teil der Arbeiter aus den Vororten in die Innenstadt gelangt war und der "Volksversammlung" vor dem Landhaus beiwohnte, obwohl das Gros der Vorortbevölkerung erst nach 13.30 Uhr überhaupt von den Kämpfen in der Innenstadt erfuhr: die "Eindringlinge" waren rechtzeitig von Studenten informiert worden.[174]
In den Abendstunden des 13. März, nach Erstürmung des Landhauses, stimmte die Staatskonferenz, eine Versammlung sämtlicher Leiter der obersten Hofbehörden, ergänzt um die Erzherzöge, der Bewaffnung der Studenten und der Bildung einer allgemeinen Bürgerwehr (Nationalgarde) zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung zu. Verstärkt durch die Eindrücke aus den Vorstädten, sah man sich außerstande, den Volksaufstand niederzuschlagen. Man hoffte am Hofe, daß durch die Bewaffnung von "Bildung und Besitz" dies gelingen könnte.
Die studentische Legion bildete sich als Körperschaft kurz nach dieser Studentenbewaffnung. Sie ist mit den in Berlin gebildeten Studentencorps kaum zu vergleichen. Sie bestand aus ungefähr 5000 Mann und war aufgeteilt in einzelne Kompanien von durchschnittlich 150-200 Mann, die den jeweiligen Fakultäten der Universität[175] sowie dem polytechnischen Institut und der Akademie der bildenden Künste unterstellt waren.
Bemerkenswert ist das unterschiedliche Verhalten, das Nationalgarde und Studentenlegion kurz nach ihrer Bildung zeigten. Der erste Tagesbefehl, der beiden neu gebildeten Körperschaften gegeben wurde, lautete: "Kampf gegen das wilde, verbrecherische Treiben eines verworfenen Proletariats, dem nichts heilig ist, das nur im Umstürze aller sozialen Verhältnisse seinen Gewinn zu finden glaubt"[176] Die Ausführung des Befehls wurde von Studenten und Bürgern höchst unterschiedlich gehandhabt: Die Studenten zogen in die Vorstädte und versuchten dort, die Massen ohne die Anwendung von grober Gewalt zu Ruhe und Ordnung zurückzuführen. Man verhielt sich den Arbeitern gegenüber eher passiv und versuchte sogar, sich mit ihnen zu verbrüdern.
Wesentlich rabiater und brutaler verhielten sich die Bürger. Einige der Mitglieder der Nationalgarde zeigten sich gar besonders eifrig und machten es zu einer Art "Sport", Proletarier einzufangen. So heißt es in einem Polizeibericht, daß "das exzentrische Hausvisitieren einiger junger Leute der Nationalgarde und die unüberlegten vielen Arretierungen nicht selten ganz schuldloser Menschen, wobei oft körperliche Mißhandlungen vorfallen, [...] bereits zum Ekel und im Volke nicht mehr gebilligt [wird]."[177]
Als Hintergedanke des davon stark divergenten Verhaltens der Studentenlegion erscheint Ernst Viktor Zenkers Vermutung, die Studenten hätten durch ihr Handeln gehofft, mit den Arbeitern eine "Reserve der Freiheit" für die Zukunft zu gewinnen, nicht abwegig.[178] Die Studenten Wiens waren sich, anders die in Berlin, in ihrer Mehrheit der Macht der Arbeitermassen bewußt. Viele von ihnen zogen sogar kurz vor Beginn der Märzunruhen in die Vorstädte, um die Arbeiter zu einem Marsch in die Innenstadt zu bewegen. Ein Zeitzeuge berichtet hierüber:

Viele Studenten gingen schon am Nachmittage und spät abends in die Vorstädte und in die industriellen Vororte hinaus, um die Massen aufzuregen, sie in Fluß zu bringen, sie zu bewegen, am 13. März der Universitätsdemonstration ihren Beistand zu verleihen.[179]


Die Studenten Wiens empfanden keine Abscheu gegenüber dem "Pöbel", sie versuchten vielmehr, ihn für ihre Sache zu gewinnen.[180] Als "weitgehend ruhig und gesittet", Reformen eher von oben als von unten erwartend, wie das ihrer Berliner Kommilitonen (die ja beispielsweise auch öfters mit dem, nicht gegen den, dortigen Polizeipräsidenten von Minutoli berieten), läßt sich das Verhalten der Wiener Studenten kaum bezeichnen. Nicht nur während der Märzereignisse, sondern auch der weiteren Revolution von 1848 war der Universitätsbetrieb praktisch lahmgelegt, da es an reformfreudigen Professoren oder wenigstens Privatdozenten mangelte. "In diesem Mangel lag es auch, daß die Studierenden nach der Märzrevolution und trotz bald darauf erlangter Lehr- und Lernfreiheit die Vorlesungen nur spärlich besuchten und endlich ganz davon ausblieben"[181]

6.2 Arbeiter

6.2.1 Berlin

Eine Untersuchung der Trägerschaft der kämpferischen Auseinandersetzungen im revolutionären März Berlins ergibt ein eindeutiges Bild: unter den 303 im März Gefallenen befanden sich überwiegend Arbeiter, die Statistik erwähnt 115 Gesellen, 52 "Arbeitsleute und Proletarier" (d.h. Maschinenarbeiter, Arbeitsmänner, Seidenwirker usw.) 13 Lehrlinge und 34 "Diener und Kleinhändler" (letztere, d.h. die Kleinhändler, der oben angeführten "Grauzone" zwischen Kleinbürgern und Unterschichten angehörig.)[182] Zum einen ist dies eine natürliche Folge der Bevölkerungsstruktur, zum anderen sicherlich auch ein Resultat anderer Faktoren (so waren Gesellen u.a. jünger, somit womöglich risikobereiter im Kampf als Meister; zudem waren Arbeiter und gesellen im Gebrauch von Waffen - so sie denn überhaupt welche bekamen - ungeübter als Angehörige des Bürgertums).[183]
Insofern schien die im Bürgertum verbreitete Angst vor einer Aufruhr gerade der Arbeiter durchaus berechtigt, wie sie sich in Äußerungen wie der Prittwitz` über die Unsicherheit der Bürger nach Eintreffen der Revolutionsnachrichten aus Paris sowie dem deutschen Südwesten Ende Februar und Anfang März manifestierte:

[...] [A]m 28. Februar nachmittags wußte man bereits, daß die Republik proklamiert sei. Die Spannung, mit welcher die Nachrichten aufgenommen wurden, die Neugierde über die Einzelheiten des Umsturzes näher unterrichtet zu werden, war eine ganz ungemeine. [...] Die Stimmung wurde jetzt auch unheimlich, man fühlte sich unbehaglich in der eigenen Haut; die untersten Volksklassen nahmen eine in die Augen springende düstere Physiognomie an.[184]


Offenbar war die Erinnerung an die "Kartoffelrevolution" noch lebendig, man befürchtete Plünderungen und Gewalt. Als neue Befürchtung des Bürgertums kam, besonders nach den revolutionären Ereignissen in Paris, nun aber eine Angst vor politischen Forderungen der Arbeiterschaft hinzu. Besonders deutlich tritt diese Furcht im Leitartikel der "Vossischen Zeitung" vom 7. März zutage, in der der Redakteur Ludwig Rellstab einen verzweifelten Versuch unternahm, die Arbeiter zu beschwichtigen:

Laßt Euch nicht täuschen! [...] Die erste Bedingung zur einträglichen Arbeit ist Ordnung, Ruhe, Friede! Wie hoch die Arbeit bezahlt werden kann, das hängt nicht von der Willkür ab. Die Mittel, durch künstlich, erzwungene Ankäufe dem Uebel zu steuern, sind schnell erschöpft, und dann ist die Noth verdoppelt. Darum: Laßt Euch nicht täuschen! Haben die Männer der Umwälzung in Paris das Geheimnis gefunden, das Glück der Arbeiter plötzlich, durch einen Zauberschlag zu begründen, dann wollen wir es ihnen auf`s schleunigste nachahmen. Aber vorher wartet das Ergebnis ab! Es ist ein Glück für uns, daß sie, nicht wir, den gefährlichen Versuch machen! Darum laßt Euch nicht täuschen! Die Noth, das Unglück schickt Gott! Er schickt sie nicht dem Arbeiter allein, er schickt sie uns allen. Und niemals haben die anderen Stände sich mehr damit beschäftigt, dem Arbeiter seinen Beruf zu erleichtern, als jetzt. Darum nochmals: Laßt euch nicht täuschen![185]


Der Artikel wurde von seinen Adressaten, obgleich unter diesen die Zeitungslektüre nicht weit verbreitet war, durchaus wahrgenommen - sicher auch als Folge eines wachsenden Interesses an politischen Zusammenhängen in einer Zeit des Umbruchs.[186] In seinen Memoiren gab Rellstab später an, daß sein Artikel (trotz väterlich-wohlmeinender Absicht) auf wenig Gegenliebe seitens der Arbeiter stieß: "Die heftigsten Briefe voller Vorwürfe und Drohungen gingen bei dem Verfasser, bei der Redaction der Zeitung ein, ja es wurden einzelne erbitterte Demonstrationen gemacht!"[187] Angesichts des sehr realen Elends der Arbeiter und des relativ deutlich hervortretenden Unverständnisses der Dimensionen desselben ("Die Not[...] schickt Gott! [...] Er schickt sie uns allen!") mußten Rellstabs Beschwichtigungsversuche wie Hohn gewirkt haben.[188] Das Verlangen nach Veränderungen seitens der Arbeiterschaft wird sehr deutlich in einem Artikel der "Mannheimer Abendzeitung" (laut Wolff "dem radicalsten der damaligen Blätter") vom 10.März:

Die Stimmung im Volke ist eine dumpfe, Gewitterschwüle. Viele Arbeiter haben die Unterzeichnung der [Zelten-]Petition verweigert, weil sie von Petitioniren kein Heil sich erwarten. Die Arbeitslosigkeit ist im Wachsen [..] Wer die Stimmung des arbeitenden Volks, wer seine Gedanken, seine Pläne, seine Lage kennt, der weiß, daß ein Orkan im Anzuge ist, gegen den Frankreichs Sturm ein Hauch war. Es ist hohe, es ist die höchste Zeit, daß die Monarchie die Segel streicht und der Demokratie die Bahn eröffnet. Streicht sie die Segel, so wird sie ihr morsches Schiff noch einige Zeit flott halten. Wagt sie es fortzusteuern mit vollen Segeln, wie jetzt, so wird ihr Fahrzeug jählings vom Sturm erfaßt und zerschmettert werden.[189]


Mit ähnlicher Tendenz äußert sich Prittwitz:

[...] [E]inem längeren Bewohner von Berlin [wird] in jenen Tagen [ca. dem 9. Bis 12. März], selbst bei einer nur flüchtigen Aufmerksamkeit, die veränderte, herausfordernde, beinahe freche Haltung nicht entgangen sein, welche die unteren Schichten der Einwohnerschaft, namentlich aber die Gehilfen des Handwerkerstandes, nach und nach in immer steigendem Verhältnis annahmen. [...] Er wird Zeugnis ablegen können für den scharf sich aussprechenden Haß gegen das Militär; er wird vielleicht Zeugnis ablegen können für das Bestreben von jener Seite her, bei geeigneter Gelegenheit die Bemerkung zu den Ohren des Militärs, selbst der höheren Offiziere, zu bringen, daß sie nur von dem lebten, was das Volk im Schweiße seines Angesichts erworben habe und was demselben unrechtmäßig entzogen werde.[190]


Obwohl Klagen über die "Frechheit" der Unterschichten auch vor 1848 nicht selten waren, ist in Prittwitz` Äußerungen ein deutlich veränderter Grundton derselben spürbar. Es ging den Arbeitern zunehmend nicht mehr nur um das Recht, Böller abzubrennen, auf der Straße zu rauchen oder Kartoffeln zu einem angemessenen Preis kaufen zu können. Ohne dies überbewerten zu wollen (wie etwa in der unter 1.2 kritisierten DDR-Geschichtsschreibung), kann von einem wachsenden politischen Bewußtsein der Arbeiterschaft Berlin gesprochen werden, von einem Verlangen, nicht nur Symptome, sondern auch Ursachen des Elends zu bekämpfen. Die Verbreitung neuer Gedanken, u.a. durch den Handwerkerverein, war nicht folgenlos geblieben. Zunehmend traten, etwa in den Zelten-Versammlungen, Sprecher aus der Arbeiterschaft vor das Publikum.[191] Unter die Flut von Schriften besonders aus dem Bürgertum, die vornehmlich Reformen im liberalen Sinne forderten, mischte sich vom 10. bis 13. März auch eine "Arbeiter-Adresse":

[...] Der Staat blüht und gedeiht nur da, wo das Volk durch Arbeit seine Lebensbedürfnisse befriedigen und als fühlender Mensch seine Ansprüche geltend machen kann. Wir werden nämlich von Capitalisten und Wucherern unterdrückt; die jetzigen bestehenden Gesetze sind nicht im Stande, uns vor ihnen zu schützen. Wir wagen daher Ew. Maiestät untertänigst vorzustellen, ein Ministerium bestellen zu wollen, ein Ministerium für Arbeiter, das aber nur von Arbeitgebern und Arbeitern zusammengesetzt werden darf und deren Mitglieder nur aus beider Mitte selbst gewählt werden dürfen. Ein solches Ministerium ist nur im Stande den wahren Grund der drückenden Lage des Volkes kennen zu lernen, das Loos der Arbeiter zu verbessern, den Staat vor drohenden Gefahren zu schützen, Eigenthum und Leben Aller bevorstehende Verwüstungen nicht preiszugeben. [...][192]


Die genauen Urheber der Adresse sind nicht bekannt, und natürlich kann nicht ganz ausgeschlossen werden, daß sich Andere, etwa Studenten, hier (evtl. sogar mit absichtlich eingestreuten orthographischen Fehlern, wie Wolff sie feststellt) "im Sinne der Arbeiter" äußerten. Letztlich scheint es jedoch plausibler, die Authentizität der Adresse anzunehmen; frühere und spätere, verbürgte Forderungen aus der Arbeiterschaft nach einem Arbeiterministerium Pariser Musters (vgl. die oben angeführten Äußerungen Junys im Handwerkerverein) legen dies nahe. Angesichts der in der Adresse geäußerten politischen Ideen nimmt es nicht Wunder, daß die vergleichsweise geringen Konzessionen des Königs vom 18. März die Arbeiter nicht befriedigen konnten. Während im Vordergrund der sich an diesem Tage vor dem Schloß versammelnden Masse "nur die besseren Stände" standen und jubelten, sah die Lage dahinter anders aus: "Ganz im Hintergrund," so der Lehrer Wilhelm Angerstein, "[sah man] Proletarier und Arbeiter stehen, die, als sie die vergnügten Gesichter [der Bürger] ringsum sahen, sagten: das hilft uns armen Leuten doch alles nichts!"[193]
Dennoch kämpften am 18. März nach den unter 5.1 erwähnten Schüssen Bürger und Arbeiter Seite an Seite auf den Barrikaden, freilich mit völlig unterschiedlichen Zielen und aus unterschiedlicher Motivation. Während im Bürgertum die Empörung über militärische Maßnahmen gegen "unbescholtene Bürger" überwog und man vornehmlich zum Selbstschutz kämpfte und für etwas mehr Freiheit im Sinne der Märzforderungen, war unter der Arbeiterschaft die Hoffnung auf eine Republik nach siegreichem Kampfesende durchaus verbreitet, wie etwa eine von Paul Boerner geschilderte Anekdote andeutet:

In einer Nebenstraße der neuen Königstraße war eine Barrikade errichtet, von der aus man das Feuer einiger Militärs in einer nahen Barrikade lebhaft beantwortete. Hell brannte zu unserem Nachteil an der Straßenecke die Gasflamme, so daß man durch tiefes Dunkel geschützt von dort her schon zwei von uns ziemlich schwer verwundet hatte. Bei der Ausführung des Beschlusses, das Licht auszulöschen, hatte ich Gelegenheit, die eigentümliche, kaltblüthige Philosophie eines Arbeiters zu bewundern, dessen Worte wohl die Ansichten aller seiner Brüder enthielten. Die Laterne sollte nämlich zerschlagen und so auch die Gasflamme gelöscht werden, schon erhob ein anderer seine lange Pike, um diesen Plan zu verwirklichen. Jener einfache, zerlumpte Proletarier widersetzte sich ganz entschieden: ,Wenn wir nun Republik haben`, erklärte er mit voller Überzeugung, so gehört das alles der Gemeinschaft, wir müssen bezahlen, was zerstört ist.` Und trotz der dringenden Gefahr, trotzdem die Kugeln gar nicht anmuthig an seinem Kopf vorbei summten, stieg er mit vieler Würde auf eine Leiter, drehte ganz ruhig, als wollte er sich zum republikanischen Beleuchtungsbeamten empfehlen, den Hahn um, und unsere Absicht war erfüllt.[194]


Enthielt die "eigentümliche, kaltblüthige Philosophie" dieses unerschrockenen Mannes wirklich "die Ansichten aller seiner Brüder?" Einige Unterschiede zu früheren Unruhen lassen dies nicht unwahrscheinlich erscheinen. So kommt es in Berlin weder zum Maschinensturm wie in Wien, noch werden Bäckerläden und andere Geschäfte geplündert wie in der "Kartoffelrevolution." [195] Immer wieder wird, selbst von bürgerlicher Seite, das besonnene Kampfverhalten der Arbeiter gelobt, das in krassem Kontrast zur Brutalität des Militärs stand - möglicherweise tatsächlich die Folge eines Glaubens an weitreichende Ziele der Märzrevolution. [196] Die Wandlung der Arbeiterschaft hin zu einem größeren politischen Bewußtsein wird auch im Bericht eines von Wolff nicht benannten, bürgerlichen Referenten betont. Die Quelle steht in auffälligem Kontrast zur Schilderung des "Arbeiterlebens" durch Friedrich Saß, die unter 4.1.1 wiedergegeben wurde:

In den Vorstädten debattirten die Leute über die Vorzüge der Republik, über die Nothwendigkeit der Organisation der Arbeit, über die Zukunft der Brüderlichkeit und Gleichheit. In den gewöhnlichsten Kneipen höre ich einen Ton der Unterhaltung, höre ich in gewandter Sprache Doktrinen vortragen, wie ich sie kaum in Salons vernommen. Alles ist bewaffnet. Ein kriegerischer Geist weht durch die Arbeiter.[197]


Daß die revolutionären Hoffnungen der Arbeiterschaft wenig Aussicht hatten, zeigte sich bereits im März selbst. Der gemeinsame Kampf mit dem Bürgertum währte nur zwei Tage. Schon bald wurden die unterschiedlichen Ansichten als endgültig unvereinbar erkannt. Letztlich ist es die Aussichtslosigkeit der Arbeiterhoffnungen, die der Arzt Rudolf Virchow in folgendem Schreiben vom 24. März anspricht:

Schon beginnt unter der Bürgerschaft die Reaktion gegen die Arbeiter. Schon spricht man wieder vom Pöbel, schon denkt man daran, die politischen Rechte ungleichmäßig unter die einzelnen Glieder der Nation zu verteilen; schon wagt man, die Presse zu terrorisieren, und die Regierung beginnt allmählich wieder einen Ton anzustimmen, der dem Ton vor dem 18. März sehr nahe verwandt ist. Aber die Volkspartei ist wach, und sie ist auch mächtig.[198]

 

6.2.2 Wien

Der Ruf der Studenten nach Freiheit fand in den Wiener Vorstädten starken Widerhall. Die Fabrikarbeiter, deren Lebenssituation ohnehin trostlos war und die im Prinzip nichts zu verlieren hatten außer ihrem Leben, bezeugten ihren Unmut direkt mit gewaltsamen Ausschreitungen.[199] Ernst Violand berichtet hierzu folgendes:

[...] Zurück zu den Arbeitern, welche sich gegen Mittag ohne jede Aufforderung , ohne jeden Führer, aus bloß innerem Antrieb von den Vorstädten zur Stadt gewälzt hatten und in dieselbe nicht gelangt waren.[...] Nun umkreisten sie wie hungernde Wölfe die Stadtmauern, brannten die Spaliere nieder, zertrümmerten vor dem Burgtor die riesigen Gaskandelaber und machten bei den Toren Feuer an[200], um nach deren Verbrennung in die Stadt zu dringen. Ein großer Teil derselben, bestehend aus Männern, Weibern und Kindern, begab sich wieder in die Vorstädte zurück, dort verbrannten sie die Mautgebäude bei den Linien, da die dort zu zahlende Verzehrsteuer ihnen die Lebensmittel verteuerte, zertrümmerten die ihnen das Brot raubenden Maschinen und zogen dann zu den Wohnungen jener Fabrikherren in Fünf- und Sechshaus, welche sie stets am Lohn verkürzt und ihnen das Leben besonders verbittert hatten, steckten ihre Häuser in Brand und vernichteten deren Hab und Gut. Nur das Streben, Vergeltung zu üben, leitete sie.[201]


Diese Schilderung enthält die wohl wichtigsten Punkte, die das Verhalten der Wiener Arbeiter kennzeichnen: Sie versuchten zunächst, in die Innenstadt zu gelangen. Nachdem dieses Vorhaben scheiterte, kehrten sie zurück in die Vororte, und es kam zum "Maschinensturm". Die hierbei angerichteten Zerstörungen waren nicht ohne Hintergedanken: Es wurde nur das zerstört, was ihrer Meinung nach für ihr persönliches Elend verantwortlich zu sein schien. "Jenen Fabrikanten, welche milde gegen sie, nicht hartherzig waren, brachten sie donnernde Hochs, und sie arbeiteten mit aller Anstrengung, daß deren Häuser und Habseligkeiten nicht vom Feuer ergriffen wurden."[202]
Interessant in diesem Zusammenhang ist das Verhalten der kleinen Handwerksmeister, die der gesellschaftlichen "Grauzone" zwischen Kleinbürgertum und Proletariat zuzuordnen sind[203]: Sie sahen in der Zerstörung der Fabrikanlagen die Beseitigung lästiger Konkurrenz und leisteten deshalb auch den Arbeitern keinen größeren Widerstand, zumal diese keineswegs wahllos in ihren Zerstörungen waren. Besonders deutlich zeigte sich dieses Verhalten im Wiener Vorort Mödlingen: Nachdem die Arbeiter beteuerten, daß sie lediglich die zwei dort ansässigen Fabriken zerstören wollten, ließ man ihnen hierbei freie Hand.[204]
Anders als in Berlin erschien in Wien keine "Arbeiteradresse". Offenbar waren die Arbeiter dort noch weit weniger politisiert als ihre Berliner Pendants. Eine Ursache hierfür mag darin legen, daß mit dem "Hedemannschen Handwerkerverein" schon im Berliner Vormärz ein, Vorläufer des politischen Vereinswesens existierte, der als "Keimzelle der Arbeiterbewegung" Grundlagen eines politischen Bewußtseins legen konnte.[205]
Diese Lücke wurde in Wien zunächst durch die Studenten geschlossen: Während der Märzunruhen errichtete die akademische Legion ein Studentenkomitee, das sich nicht nur mit Anliegen der Studenten beschäftigte, sondern auch die Interessen der Arbeiter vertrat. Wie Ernst Violand beschreibt, reichte die Unterstützung der Arbeiter durch die Studenten wesentlich weiter als die der Berliner Gesellen und Arbeiter durch den Handwerkerverein:

In diesem Durcheinander aller Verhältnisse [wandten] sich alle Arbeiter und Landleute an die Studenten, und diese taten, was sie konnten, um [...] die Ordnung zu erhalten und zu helfen. Gab es Klagen gegen einen Arbeitsherren, so gingen die Studenten zu ihm und nötigten ihn [...] seine Schuldigkeit zu erfüllen.[206]


So dienten die Studenten den unteren Bevölkerungsschichten als Sprachrohr. Als ein Art "Gegenleistung" hierfür kann möglicherweise das Engagement der Arbeiter bei den Kämpfen der Märzereignisse gesehen werden: Handwerksgesellen und Arbeiter, ähnlich wie in Berlin, die überwiegende Mehrheit unter den Märzgefallenen gesehen werden, wobei die meisten Opfer in den Vorstädten zu beklagen waren. Von den 48 Toten stammte nur etwa ein Fünftel aus dem Bürgertum, der Rest bestand aus Handwerksgesellen und Arbeitern.[207]

7. Zusammenfassung und abschließende Bewertung


Als Resultat des hier durchgeführten historischen Vergleichs Wiens und Berlins auf mehreren Ebenen fallen zunächst einige Gemeinsamkeiten ins Auge: beide Städte hatten 1848 eine annähernd gleich große Einwohnerzahl, bei beiden resultierte das Bevölkerungswachstum vorwiegend aus Migrationsbewegungen. Beide Städte befanden sich zudem in einer Phase des wirtschaftlichen Umbruchs bzw. eines Strukturwandels, der auch eine Verschiebung ihres Sozialgefüges bewirkte. Es erscheint plausibel, daß gerade deswegen die (zunächst) Agrar- und (anschließend) Wirtschaftskrise der Jahre 1846-48 gravierende Auswirkungen auf die jeweiligen Bevölkerungen, und davon wiederum vorrangig auf die sozialen Unterschichten, hatte. Die wirtschaftliche und soziale Lage der Arbeiterschaft beider Städte war gleichermaßen schlecht (Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Armut).
Bei den Studenten hingegen fällt der Vergleich anders aus: als einer der offenkundigsten Unterschiede zwischen den Städten ist die Lebenssituation ihrer Studentenschaften zu verzeichnen. Das in Wien weitverbreitete Studentenelend (das, wenn nicht ihre Mehrheit, so doch einen beträchtlichen Teil betraf) fand in Berlin kein Gegenstück. Die Berliner Studenten waren fest im Bürgertum verwurzelt. Materielle Not war ihnen allenfalls aus Schilderungen, bestenfalls Beobachtungen, nicht jedoch aus eigener Erfahrung heraus bekannt. Viele ihrer Wiener Pendants hingegen, zu einem nicht geringen Teil selbst aus der Arbeiterschaft stammend, waren mit schlechten Lebensbedingungen vertraut - ein Unterschied, der sich offenbar unmittelbar in der gleichfalls stark differierenden Haltung beider Gruppen gegenüber der Arbeiterschaft niederschlug.
Besonders während der Märzereignisse wurde dies deutlich: nach Ausbruch der Kampfhandlungen in Wien baute sich zwischen den zwei dortigen "Kampfesebenen", nämlich den von Arbeitern dominierten Vororten und den bürgerlichen Stadtteilen innerhalb der Stadtmauern, ein Spannungsverhältnis auf. Gleichsam als "Wandler zwischen den Welten" des Bürgertums und der Arbeiterschaft befanden sich die Wiener Studenten in einer Sonderstellung, die sie zur Durchsetzung ihrer Interessen zu nutzen versuchten, indem sie mit der Arbeiterwut als "Trumpfkarte" drohten.
An der Vorgehensweise der Studenten nach der Bürgerbewaffnung, die in beiden Städten aus ähnlichen Motiven der Obrigkeit stattfand (Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung durch Kontrolle des "Pöbels") läßt sich dieser Unterschied verdeutlichen: in Berlin manifestierten die dort gebildeten Studentencorps die endgültige, auch nach außen hin sichtbare, Zuordnung zum Bürgertum und seinen Zielen. Abgesehen von einer klaren Minderheit (etwa der Moneckeschen "Radikalen-Rotte") galten der Mehrzahl der Mitglieder der Studentencorps die Arbeiter als Gegner.
In Wien dagegen setzten Bürgertum und Studenten die ihnen in Form der Bewaffnung vom Hof übertragene Verantwortung und Macht in voneinander verschiedene Handlungsweisen um. Die bürgerliche "Nationalgarde" bekämpfte die Arbeiter brutal, die Studentenlegion dagegen setzte auf eine weitgehend gewaltfreie Befriedung derselben und sogar eine Teilsolidarisierung - ein konsequentes Handeln angesichts der studentischen Überzeugung, daß "es bald wieder zu einem Kampfe mit dem Militär kommen werde, für den man der Mithilfe der Volksmassen sich versichern müsse." [208]
Obwohl die Funktion des Wiener Studentenkomittees als engagiertes "Sprachrohr der Arbeiter" (eine Einrichtung, die in Berlin kein Gegenstück findet) beweist, daß sich die Wiener Studenten durchaus auch aus sozialen Motiven (schlicht ausgedrückt, "Hilfsbereitschaft") der Arbeiter annahmen, geschah diese Annäherung keinesfalls aus reinem Mitleid. Politisches Kalkül, der Wille, die Arbeiter als Machtinstrument und Kampfmittel einzusetzen, spielte eine gewichtige Rolle.
Daraus darf man jedoch nicht ableiten, daß die politischen Ansichten der Wiener Studenten radikaler waren als die ihrer Berliner Kommilitonen. Auch die Wiener Studenten machten "vor dem Thron halt", sie wollten keine Republik. Tatsächlich ähnelten sie in ihren Überzeugungen weit eher der gemäßigt liberalen Mehrheit der Berliner Studenten als den dortigen "Radikaldemokraten"; und das, obwohl die Handlungen jener Berliner Studentengruppe (man denke zum Beispiel an den Gang Salis-Seewis` zu den Borsig-Arbeitern) auf den ersten Blick denen der Wiener Studenten zu entsprechen scheinen.
Es ist somit klar zwischen angestrebten Zielen und für möglich und nötig erachteten Mitteln zur Erreichung derselben zu unterscheiden: Trotz dezidiert nichtradikaler Ansichten - ein radikaldemokratischer Flügel wie in Berlin läßt sich in Wien nicht nachweisen - griffen die Wiener Studenten zu Mitteln, die in Berlin nur die Radikaldemokraten für sinnvoll erachteten, ohne die große Mehrheit ihrer Kommilitonen je davon überzeugen zu können.
Die Mehrheit der Berliner Studenten schien davon auszugehen, daß zur Erhaltung des Erreichten die Arbeiter in Schach gehalten werden müßten, sie sahen die "Beruhigung der Hauptstadt als erste Bürgschaft für den Sieg der Reformen."[209] Ein gezielter "Beschwichtigungskurs" der Berliner Obrigkeit ihnen gegenüber (man denke an den Aulabesuch des neuen Kultusministers samt Polizeipräsident, der unter 6.1.1 dargestellt wurde), offenbar motiviert durch Berichte über das Verhalten der Wiener Studenten, stärkte die gemäßigte "Ruhe-und-Ordnung-Fraktion" (insofern könnte man fast davon sprechen, daß die Berliner Obrigkeit geschickt die dortigen Studenten gegen die Arbeiter instrumentalisierte, während die Wiener Studenten die Arbeiter gegen die Obrigkeit instrumentalisierten).
Das unterschiedliche Verhalten der Wiener und Berliner Studentenschaften in den Märzereignissen, resultierend offenbar aus unterschiedlicher sozialer Herkunft und materieller Lage, ist jedoch nicht die einzige Erkenntnis aus dem durchgeführten historischen Vergleich: Zusätzlich weist gerade die Vergleichsperspektive darauf hin, daß die Berliner Arbeiterschaft schon während der Märzereignisse offenbar stärker politisiert war als dies oft in der Literatur angenommen wird. Dies darf nicht überbewertet werden. Es gibt nicht überwältigend viele Beispiele für selbständiges politisches Handeln der Berliner Arbeiterschaft - aber es gibt sie; dies fällt gerade im Gegensatz zu Wien auf. Einige von ihnen wurden unter 4.1.1 und 6.1 zitiert: Gespräche in Arbeiterkneipen über die Republik. Eine "Arbeiteradresse". Kämpferische Gesellenreden im Handwerkerverein, später auch Arbeiterreden "Unter den Zelten" und bei weiteren Volksversammlungen. Ein Arbeiter, der todesmutig eine Gaslampe ausschaltet anstatt sie zu zerschießen, um sie für die kommende Republik zu retten.
Von einem voll ausgebildeten "Klassenbewußtsein" der dortigen Arbeiter kann deshalb noch nicht gesprochen werden, ebensowenig wie in Wien. Politische Forderungen aber wurden dennoch erhoben. Möglicherweise ist es die Folge einer Art "Überkompensation" gegenüber Werken der marxistisch beeinflußten Geschichtsschreibung, daß die Politisierung der Berliner Arbeiterschaft schon während der Märzereignisse in der vorhandenen Literatur oft "heruntergeredet" wird.[210] Eine eingehendere Untersuchung des Phänomens "Arbeiterpolitisierung während der Berliner Märzereignisse" scheint lohnend.
Abschließend bleibt festzustellen, daß die Methode des historischen Vergleichs zwischen Städten und Regionen trotz aller Schwierigkeiten, die sie mit sich bringt, ein großes Potential birgt: zwar kann eine gewisse Generalisierung nicht vermieden werden, wenn man aus den so gewonnenen Beobachtungen Schlüsse zieht - doch schärft der Vergleich auf jeden Fall den eigenen Blickwinkel und gibt so, nach dessen Durchführung, neue Impulse für die weitere Forschung.

8. Bibliographie


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Bergmann, Dieter: Die Berliner Arbeiterschaft in Vormärz und Revolution 1830-1850. Eine Trägerschicht der beginnenden Industrialisierung als neue Kraft in der Politik, in: Otto Büsch (Hg.), Untersuchungen zur Geschichte der frühen Industrialisierung vornehmlich im Wirtschaftsraum Berlin/Brandenburg (Einzelveröffentlichungen der historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, Bd. 6), S. 458-461.
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[1] Analog zum Sprachgebrauch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeichnet der Begriff "Arbeiter" in dieser Arbeit vordringlich "unselbständige[r] Handarbeiter im Handwerks- oder Fabrikbetrieb", nicht also ungelernte Tagelöhner. Es kann jedoch im folgenden nicht darauf verzichtet werden, gelegentlich - auch dies analog zum Sprachgebrauch des 19. Jahrhunderts, über "Arbeiter im weiteren Sinne", dann weitgehend synonym zu "Sozialen Unterschichten" (außer Frauen und Kindern) zu sprechen. Ist dies der Fall, wird die zeitweilige Begriffsausweitung im Text angezeigt. Zur Definition des Begriffs "Arbeiter": Dieter Bergmann, Die Berliner Arbeiterschaft in Vormärz und Revolution 1830-1850. Eine Trägerschicht der beginnenden Industrialisierung als neue Kraft in der Politik, in: Otto Büsch (Hg.), Untersuchungen zur Geschichte der frühen Industrialisierung vornehmlich im Wirtschaftsraum Berlin/Brandenburg (Einzelveröffentlichungen der historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, Bd. 6), S. 458-461. Vgl. auch Anm. [50] dieser Arbeit.
[2] Jürgen Kocka, Weder Stand noch Klasse. Unterschichten um 1800, Bonn 1990.
[3] Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 19874, S. 602.
[4] Rüdiger Hachtmann, Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution, Bonn 1997 (Veröffentlichungen des Instituts für Sozialgeschichte e.V., hg. Von Dieter Dowe). Ebenfalls nützlich und für dies Arbeit herangezogen: Rüdiger Hachtmann, Die sozialen Unterschichten in der großstädtischen Revolution von 1848. Berlin, Wien und Paris im Vergleich, in: Ilja Mieck (Hg.), Paris und Berlin in der Revolution 1848, Sigmaringen 1995, S. 107-136. Der Titel dieses Aufsatzes ist allerdings irreführend: Wien wird darin nur sporadisch erwähnt.
[5] Etwa in der Frage "Bürgerrevolution" (Nipperdey) oder "Aufbegehren der Unterschichten" (Gailus).
[6] Manfred Gailus, Pöbelexzesse und Volkstumulte in Berliner Vormärz, in: ders. (Hg.), Pöbelexzesse und Volkstumulte in Berlin. Zur Sozialgeschichte der Straße (1830-1980), Berlin 1984, S. 1-41; Umfassender, leider aber zur Verfassung der Arbeit nicht verfügbar und daher hier nicht herangezogen: Ders., Straße und Brot. Sozialer Protest in den deutschen Staaten unter besonderer Berücksichtigung Preußens, 1847-1849 , Göttingen 1990; Bergmann, Arbeiterschaft, S. 455-511; Jürgen Bergmann, Das Berliner Handwerk in den Phasen der Frühindustrialisierung, Berlin 1973; Jürgen Bergmann, Das ,Alte Handwerk` im Übergang. Zum Wandel von Struktur und Funktion des Handwerks im Berliner Wirtschaftsraum in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, in: Büsch, Untersuchungen, S. 224-269.
[7] Für diese Arbeit davon herangezogen: Heinz Habedank et al., Geschichte der revolutionären Berliner Arbeiterbewegung, Band 1: Von den Anfängen bis 1917 (Schriften der Bezirksleitung Berlin der SED-Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung), Berlin 1987.
[8] Karl Obermann, Die Berliner Universität am Vorabend und während der Revolution von 1848, in: Willi Gröber/Friedrich Herneck (Hg.), Forschen und Wirken. Festschrift zur 150-Jahr-Feier der Humboldt-Universität zu Berlin 1810-1960, Bd.1: Beiträge zur wissenschaftlichen und politischen Entwicklung der Universität, Berlin 1960, S. 165-201; ausführlicher zur Geschichte der Universität, leider jedoch zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Arbeit nicht verfügbar: Max Lenz, Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Bd.1-3, Halle a.S., 1910-18.
[9] Heide Thielbeer, Universität und Politik in der Deutschen Revolution von 1848, Bonn 1983.
[10] Wolfram Siemann, Die deutsche Revolution von 1848/49, Frankfurt a.M., 1985 (Neue historische Bibliothek, hg. von Hans-Ulrich Wehler, edition suhrkamp, neue Folge, Bd. 266); Günther Wollstein, Deutsche Geschichte 1848/49. Gescheiterte Revolution in Mitteleuropa, Stuttgart 1986.
[11] Wolfgang Häusler, Von der Massenarmut zur Arbeiterbewegung. Demokratie und soziale Frage in der Wiener Revolution von 1848, München 1979.
[12] Klaus-Walter Frey, Die bürgerliche Revolution des Jahres 1848 an den Universitäten in Wien, Graz und Innsbruck unter dem Einfluß der freiheitlich-burschenschaftlichen Bewegung, jur. Diss. Würzburg 1983 (masch.).
[13] Abgesehen von der leichten Glorifizierung der Studentenschaft in der Schrift Freys.
[14] Veit Valentin, Geschichte der deutschen Revolution 1848-49, 2 Bde., Berlin 1930/31; Dieter Langewiesche, Die deutsche Revolution von 1848/49, Darmstadt 1983.
[15] Aus Gründen der Verhältnismässigkeit des Aufwands mußte von einer direkten Betrachtung dieser Quellen in Berliner Archiven leider abgesehen werden.
[16] Adolf Wolff, Berliner Revolutions-Chronik. Darstellung der Berliner Bewegungen im Jahre 1848 nach politischen, socialen und literarischen Beziehungen, 3 Bde., Berlin 1851-54. Weniger umfassend, dennoch als Quelle zum Thema überaus nützlich und mit ähnlichem ideologischem Hintergrund: Karl-August Varnhagen von Ense, Tagebücher, Bd.4, hg. von Ludmilla Assing, Leipzig 1862-63.
[17] Karl Ludwig von Prittwitz, Berlin 1848. Das Erinnerungswerk des Generalleutnants Karl Ludwig von Prittwitz und andere Quellen zur Berliner Märzrevolution und zur Geschichte Preußens um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Bearbeitet und eingeleitet von Gerd Heinrich, Berlin 1985 (Veröffentlichungen der historischen Kommission zu Berlin, Bd. 60 / Quellenwerke, Bd. 7).
[18] Die aus Gründen der Verfügbarkeit leider indirekt, nämlich aus den Werken Wolffs, Obermanns und Hachtmanns, zitiert werden müssen.
[19] Nicht umsonst zählt Hachtmann in seiner Zusammenfassung der acht Hauptkriterien der "Kultur der Armut" im Sinne Oscar Lewis` auch das Primat der "Mündlichkeit" auf. Vgl. dazu Anm. [51] dieser Arbeit.
[20] Hachtmann, Berlin 1848, S. 35.
[21] Heinrich Reschauer / Moritz Smets, Das Jahr 1848. Geschichte der Wiener Revolution, 2 Bde, Wien 1872.
[22] Maximilian Bach, Geschichte der Wiener Revolution im Jahre 1848, Wien 1898; Ernst Victor Zenker, Die Geschichte der Wiener Journalistik. Von den Anfängen bis zum Jahre 1848, Wien 1892; Ders., Die Wiener Revolution in ihren socialen Voraussetzungen und Beziehungen, Wien 1897.
[23] Ernst Violand, Die soziale Geschichte der Revolution in Österreich 1848 (1850), hg. v. Wolfgang Häusler, Wien 1984. Violand gehörte der akademischen Legion, dem politischen Zentralkomitee der Nationalgarde, dem Sicherheitsausschuß und dem Reichstag an und gehörte somit zum "Kern der Bewegung" - Häusler, S. 432 f.
[24] Karin Weimann, Bevölkerungsentwicklung und Frühindustrialisierung in Berlin 1800-1850, in: Büsch, Untersuchungen, S. 161-5. Die hier beschriebene Migrationsbewegung, der "ungeheure Zustrom arbeitswilliger und arbeitssuchender Menschen in die aufstrebende Industriestadt Berlin", war durch das Steinsche Oktoberedikt vielleicht erst ermöglicht worden, da es die Mitglieder der bislang erbuntertänige Landbevölkerung von ihren Verpflichtungen gegenüber ihren einstigen Herren befreite. - Wolfgang Ribbe (Hg.), Geschichte Berlins. Erster Band: Von der Frühgeschichte zur Industrialisierung, München 1987, S. 442-3.
[25] Eine Sozialstruktur dieser Gesamtbevölkerung im eigentlichen Sinne ist aus statistischen Gründen schwierig zu erstellen: das vorhandene Zahlenmaterial reflektiert strenggenommen eher die Erwerbsstruktur, da nur über die "Erwerbsfähigen" (ihre Zahl wird für 1846 mit rund 150.000 beziffert) wirklich gewissenhafte Statistiken geführt wurden. Auch Hachtmann ist sich dieser Problematik bewußt, er geht jedoch davon aus, daß die proportionalen Anteile an den Erwerbsfähigen ungefähr auch auf die soziale Schichtung der Gesamtbevölkerung zu übertragen sind. - Hachtmann, Berlin 1848, S. 70-1.
[26] Der Adel blieb jedoch nicht ganz ohne Einfluß auf die Erwerbsstruktur: So konkurrierten Adel und Bürgertum um Posten in der höheren Staatsverwaltung; das "Eindringen bürgerlicher Mittelschichten in die Staatsverwaltung [wurde] durch einen ,adeligen Rückstoß` (W. Conze) behindert." Der "Adelsanteil in den Zentralbehörden [...] wuchs [...] bis Mitte der vierziger Jahre auf die Hälfte aller Stellen." - Siemann, S. 24.
[27] Im Jahre 1846. Da die Anteile, wie die Statistik zeigt, 1849 kaum verändert sind und für 1847 und 1848 keine Zahlen vorliegen, wird auch im folgenden auf die Zahlen dieses Jahres zurückgegriffen. Wenn nicht anders angegeben, entstammen alle Zahlen dieses Abschnitts Hachtmann, Berlin 1848, S.71.
[28] Leider ist aus Hachtmanns Angaben nicht ersichtlich, ob er die verbeamteten Adeligen in dieser Zahl mit eingerechnet hat oder nicht - vgl. Anm. [26] dieser Arbeit.
[29] Siemann, S. 23.
[30] Lehrer, Geistliche, Journalisten, Literaten usw. hatten insgesamt einen Anteil von rund 2,11% an der Berliner Bevölkerung, Gastwirte und kleine Kaufleute rund 2,66%, wohlhabende Handwerksmeister 6,71% und mittlere sowie untere Beamte rund 2,01%. Der Rest der genannten 18,01% entfällt auf Rentiers und Pensionäre sowie Studenten und Auszubildende für bürgerliche Berufe. - Berechnungsgrundlage dieser Zahlen: Hachtmann, S. 71.
[31] Zenker, Revolution 1848, S. 76.
[32] Häusler, S. 87.
[33] G. Otruba / L.S. Rutschka, Die Herkunft der Wiener Bevölkerung (1957), S. 239, zit. nach Häusler, S. 86.
[34] Verdeutlicht wird die Wohnungsnot durch folgende Zahlen: Standen im Jahr 1827 den 289.382 Bewohnern Wiens noch 7856 Häuser gegenüber, so waren 1847 lediglich 8756 Häuser bei 412.513 Einwohnern. Zenker, Revolution, S. 270.
[35] Festschrift KKB 1870, S.85, zit. nach: Hans-Peter Helbach, Berliner Unternehmer in Vormärz und Revolution 1847-1848, in: Büsch (Hg.), Untersuchungen, S. 439. - Zu den zitierten "schnell sinkenden Getreidepreisen" sei angemerkt, daß es zu diesem Sinken erst nach der "Kartoffelrevolution" vom 21.April 1847 kam, welche ihres Namens zum Trotze eher billigeres Brot zum Ziel hatte und ihrerseits durch infolge von Spekulationen künstlich hochgetriebene Getreidepreise verursacht wurde (vgl. Punkt 4.1.1 dieser Arbeit) . - Hachtmann, Berlin 1848, S. 82 ff.
[36] Zum Handwerk sind hier sowohl größere Betriebe mit maximal 20 Beschäftigten, etwa im Zimmerei- oder Buchdruckerhandwerk, als auch Kleinstbetriebe der "Massenhandwerke" wie etwa Schumacherwerkstätten, gerechnet. - Hachtmann, S. 80. Von 1841 bis 1848 war der Anteil der von der Gewerbesteuer befreiten "proletaroiden Handwerksmeister" mit maximal einem Gesellen bzw. Lehrling von 75,55% auf 77,35% gestiegen. Die Konkurrenz der "Pfuscher", also nicht-zünftiger Meister, trug ihr Übriges zur Verelendung dieser Klientel bei. - Bergmann, Handwerk, S. 203.
[37] Bergmann, Arbeiterschaft, S. 463. Zu den Auswirkungen des Gewerbesteuer-Edikts von 1810: "fortan konnte jedermann ein Gewerbe betreiben, der eine polizeiliche Bescheinigung über einen rechtschaffenen Lebenswandel vorlegte und die Steuer im voraus bezahlte." Diese "radikale Liberalisierung des Gewerbelebens" verursachte in Berlin einen "Sturm der Entrüstung". - Hierzu und zu weiteren Auswirkungen der preußischen Reformen auf Berlin: Ribbe, S. 442-47.
[38] "Vossische Zeitung" vom 31. Januar 1848, zit. nach Hachtmann, Berlin 1848, S. 84.
[39] Hachtmann, Berlin 1848, S. 81.
[40] Ohnehin sollte dieser Entwicklungsprozeß erst Ende der 50er Jahre auf einem ersten Höhepunkt ankommen. - Bergmann, Arbeiterschaft, S. 461-62. Zu Strukturwandel und Mechanisierung in der Wirtschaft Berlins vgl. auch Ribbe, S. 540-573.
[41] Hachtmann, Berlin 1848, S. 78.
[42] Hachtmann, Berlin 1848, S. 80.
[43] Zur gesamtwirtschaftlichen Lage Österreichs im Vormärz siehe Julius Marx, Die wirtschaftlichen Ursachen der Revolution von 1848 in Österreich, Köln 1965, (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 51), S. 73-94.
[44] So stieg der Weizenpreis in diesem Zeitraum um rund 44%, der für Kartoffeln wegen der vermehrt auftretenden "Kartoffelfäule" gar um rund 244 %. Vgl. Zenker, Revolution, S. 263.
[45] Vgl. Zenker, Revolution, S. 61. Zur Berlin-Parallele vgl. Anm. [55] dieser Arbeit.
[46] Aufgrund der Einführung dieser Maschinen war es 1844 bereits in Prag zu Aufständen gekommen. - Häusler, S. 145.
[47] Da keine ausdrücklichen Zahlen über die Anzahl der im Maschinenbau Beschäftigten vorliegen, sei hier auf ein anderes Faktum hingewiesen: 1844 wurden nach Wien 365.696 Maschinen und Maschinenteile importiert, der Export lag bei lediglich 53.780 - Zenker, Revolution, S. 260.
[48] Hachtmann, Berlin 1848, S. 71.
[49] Horant Faßbinder, Berliner Industrieviertel 1800-1918, S.45.
[50] "Es ist für die Auffassung in dieser Zeit bezeichnend, daß man, wenn auch Tagelöhner, Landarbeiter und ungelernte Fabrikarbeiter gemeint waren, zu einer Formulierung wie ,Arbeiter im weitesten Sinne des Wortes` griff [...]. Die Grenzen zwischen Handwerksgesellen und Fabrikarbeitern und den ungelernten Tagelöhnern waren fließend. - Bergmann, Arbeiterschaft, S. 460. Vgl. auch Anm. [1] dieser Arbeit.
[51] Hachtmann, Berlin 1848, S. 35, 74. Als triebhaft, faul, exzessiv und sauf- wie rauflustig verschrien, stellte die "Hefe des Volkes" alles das dar, was das Bürgertum nicht sein wollte. Mit bürgerlichen Tugenden wie Ordnung, Sittlichkeit, Sparsamkeit und Fleiß war die "Kultur der Armut" (so ein Wort des Anthropologen Oscar Lewis), kaum vereinbar. Hachtmann faßt deren acht wichtigsten Elemente zusammen als "augenblicksbezogene Lebensweise", hohe Gewaltbereitschaft in Sozialbeziehungen, eine "kaum ausgeprägte Trennung von öffentlicher und privater Sphäre und die niedrige ,Scham- und Peinlichkeitsschwelle`", eine noch fehlende Verinnerlichung der z.B. für den Schichtbetrieb notwendigen, "exakte[n] Zeitökonomie", Mündlichkeit statt Schriftlichkeit, "Feindseligkeit gegenüber den Repressivorganen der Obrigkeit", "Ablehnung der offiziellen Kirche und der Geistlichkeit" sowie die "Akzeptanz bestimmter Alltagsvergehen" wie Holzdiebstahl oder öffentliches Rauchen. - Hachtmann, Unterschichten, S. 129-133.
[52] Friedrich Saß, Berlin in seiner neuesten Zeit und Entwicklung, Leipzig 1846, S. 18, zit. nach: Gailus, Pöbelexzesse, S. 9.
[53] Die folgenden Angaben zu Wohnsituation und Entlohnung, soweit nicht anders spezifiziert, aus: Habedank, Arbeiterbewegung, S. 10-16.
[54] Hachtmann, Berlin 1848, S. 80, Habedank, Arbeiterbewegung, S. 20.
[55] Noch schlechter bezahlt als die männlichen Arbeiter waren Frauen und Kinder, deren Beschäftigtenzahl allein in der Textilindustrie für 1849 mit 5-6000 angegeben wird - die tatsächliche Zahl dürfte noch weit höher gelegen haben. - Habedank, Arbeiterbewegung, S. 18.
[56] Ausführlicher zu den Rehbergern: Hachtmann, Berlin 1848, S. 437-460.
[57] Wohlgemerkt: kleine Bürgerhaushalte sind in diesem Durchschnitt inbegriffen.
[58] Günter Liebchen, Zu den Lebensbedingungen der unteren Schichten in Berlin im Vormärz. Eine Betrachtung an Hand von Mietpreisentwicklung und Wohnverhältnissen, in: Büsch, Untersuchungen, S. 287.
[59] Ausführlich zur Wohnsituation besonders in den "Familienhäusern": Johann-Friedrich Geist, Klaus Kürvers, Das Berliner Mietshaus 1740-1862, München 1980,S. 272-464.
[60] Habedank, Arbeiterbewegung, S. 16.
[61] Das positive Königsbild des "Pöbels" illustriert auch der fast zur Lynchjustiz gegenüber dem erfolglosen Königs-Attentäter Tschech führende "Volkszorn" im Jahre 1844. - Gailus, Pöbelexzesse, S. 4-5.
[62] Hachtmann, Berlin 1848, S. 86.
[63] Gailus, Pöbelexzesse, S. 22.
[64] Resultat: "Ein konsterniertes Bürgertum, ein beunruhigter König, zwei Tote im Volk, Verwundete, 152 Verhaftete," nicht aber mehr; eher also ein unpolitisches "Revolutiönchen". - Gailus, Pöbelexzesse, S. 23. Ähnlich (wenn auch weniger spektakulär) der "Rauchertumult" von 1845: "Eine Gruppe von ca. 200 Arbeitern zieht bei Feierabend ,rauchend und lärmend und sich so umfassend, daß sie die ganze Breite der Straße einnehmen`". Außer einer Schlägerei mit der Gendarmerie samt einiger Steinwürfe und dem zitierten Verstoß gegen das Rauchverbot geschah dabei nichts. - Gailus, Pöbelexzesse, S. 13.
[65] Immerhin hatten die "Revolutionäre" erreicht, daß in der Folge strengere Kontrollen gegen Preisspekulationen und Wucher bei Kartoffeln, Roggen und anderen Grundnahrungsmitteln eingesetzt wurden. Ausführlich zur "Kartoffelrevolution": Gailus, Pöbelexzesse, S. 23-35.
[66] Gailus, Pöbelexzesse, S. 29.
[67] Hachtmann, Berlin 1848, S. 86.
[68] Habedank, Arbeiterbewegung, S. 18.
[69] Hachtmann, Berlin 1848, S.100-101.
[70] Zudem hatte "der hohe Anteil wandernder Gesellen unter den Vereinsmitgliedern ... zur Folge, daß neue und nicht zuletzt frühsozialistische Ideen in der Mitgliedschaft zirkulierten." - Hachtmann, Berlin 1848, S. 100-101.
[71] "Deutsche Arbeiter Zeitung" (DArZ) vom 12. April 1848, zit. nach: Hachtmann, Unterschichten, S. 113. Junys Vortrag ist insofern bemerkenswert, als das er eines der ersten Beispiele einer genuin aus der Arbeiterschaft kommenden, auf soziale Veränderungen drängenden und ein politisches Bewußtsein offenbarenden, Äußerung ist.
[72] Hachtmann, Berlin 1848, S. 101-102.
[73] Ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl der Gesellen mit den Industriearbeitern, ein "diffuses Klassenbewußtsein" konnte schon im Vormärz festgestellt werden - ohnehin kamen die Mitglieder der Fabrikbelegschaften vielfach direkt aus dem Handwerk. (Hachtmann, Berlin 1848, S. 76).
[74] Habedank, Arbeiterbewegung, S. 19-26. "Wichtig ist, daß die Betroffenen glaubten, ein derartiges Elend wie im unmittelbaren Vormärz habe seit Menschengedenken nicht mehr geherrscht." - Hachtmann, Berlin 1848, S. 85-6.
[75] Varnhagen von Ense, Tagebücher, Bd. 4, zit. nach Hachtmann, Berlin 1848, S. 68.
[76] Soweit es aus den zugänglichen Daten hervorgeht, bildeten die erwachsenen Männer 1848 nicht einmal mehr 50% der Fabriksarbeiter. Die Mehrheit stellten Frauen und Kinder, ähnlich wie in Berlin. Vgl. Häusler, S. 92 f.; Anm. [55] dieser Arbeit.
[77] Violand, S. 71.
[78] Häusler, S. 131.
[79] Wie sehr die Bevölkerung unter dieser Steuer litt, zeigt ihr Verhalten während der Märzunruhen: Neben den Maschinen in den Fabriken wurden auch die "Mauthäuser", für die Arbeiter Wahrzeichen der verhaßten Steuer, zerstört.
[80] Vgl. Zenker, Revolution, S. 77 f.
[81] Zenker, Revolution, S. 82.
[82] Erst am 30. April 1848 wurde mit der "Wiener Typographia", einer Organisation der Wiener Buchdrucker, der erste "Arbeiterverein" gegründet. Ähnlich wie in Berlin war auch hier der Bildungsgedanke ein wichtiges Anliegen, was unter anderem in der Forderung nach einer "Arbeiter-Nationalbibliothek" zum Ausdruck gebracht wurde. Häusler, S. 312.
[83] Häusler, S. 95. Lediglich im Bereich der sozialen Fürsorge konnte 1842 der "Verein zur Unterstützung erkrankter Buchdrucker- und Schriftgießer-Gehilfen Wiens" legal ins Leben gerufen werden. Vgl. Karl Höger, Aus eigener Kraft! Die Geschichte eines österreichischen Arbeitervereins seit 50 Jahren, Wien 1892, zit. nach Häusler, S. 95.
[84] Häusler, S. 41-43.
[85] So schreibt der Berliner Schriftsteller Adolf Glaßbrenner, in krassem Kontrast zu der (freilich etwas später entstandenen) unter 4.1.1 dieser Arbeit wiedergegebenen Schilderung des wüst-fremden Berliner Wirtshauslebens durch Friedrich Saß, über die Wiener Wirtshausgeselligkeit: "In demselben Wirtshaus, wo Lakaien, Holzträgerinnen, Fiaker und Packknechte ihr Seidel Bier trinken, siehst du berühmte Künstler, Kaufleute, Beamte und reiche Kavaliere [...]" - Adolf Glaßbrenner, Bilder und Träume aus Wien, Berlin 1922, S. 46, zit. nach Häusler, S. 72-3.
[86] Hachtmann, S. 89-90. Obermann gibt die Studentenzahl für das Wintersemester 1847/48 drastisch höher mit 2074 an, da diese Zahl aber nicht überzeugend nachgewiesen wird und auch andernorts nicht auftaucht, wird aufgrund der generell sehr sorgfältigen Arbeit Hachtmanns hier aber dessen Zahl der Vorzug gegeben. - Obermann, Universität, S. 178.
[87] Zit. nach Hachtmann, S. 90. Tatsächlich war mit der Berliner Universität, die am 15.10.1810 ihren Lehrbetrieb aufnahm, zunächst eine "Bildungsstätte ganz neuen Typs, in der Wissenschaft als ständiger Lern- und Erfahrungsprozeß empfunden und vermittelt wurde, um die Studenten von Unmündigkeit und geistiger Abhängigkeit zu selbständiger kritischer Auseinandersetzung zu führen [...]" entstanden. - Ribbe, S. 449.
[88] Tatsächlich waren die meisten etablierten Berliner Hochschullehrer sogar "intoleranter und konservativer als ihre Kollegen an den meisten deutschen Universitäten." - Hachtmann, Berlin 1848, S. 362.
[89] Hachtmann, Berlin 1848, S. 90.
[90] Das Verbot wurde beschlossen, obwohl ein vorher von Eichhorn eingefordertes Gutachten der Universität zur Berechtigung Nauwercks, auch über Staatssysteme zu lehren, einen für letzteren positiven Bescheid ergeben hatte. Nach seinem Rücktritt blieb Nauwerck populär in Studentenschaft und liberalem Bildungsbürgertum. Von 1846-48 war er Berliner Stadtverordneter, 1848-49 sogar Vertreter der "äußeren linken" in der Paulskirche - Obermann, Universität, S. 170-5.
[91] So erschien 1847 ein Artikel, in dem Professor Carl Michelet die Kirchenpolitik Friedrich Wilhelms IV. kritisierte - erst nach einem Proteststurm aus Studentenschaft, Teilen des Lehrpersonals und Bildungsbürgertum wurde eine Gerichtsurteil deswegen ausgesetzt). - Obermann, Universität, S. 175.
[92] Die Kontrollbemühungen von staatlicher Seite legen nahe, daß auch die preußische Obrigkeit zu der Einschätzung gelangt war, daß "[d]ie Wirkung der Universitäten auf Weltanschauung und Bewußtsein der bürgerlichen Schichten [...] kaum zu überschätzen" sei. - Hachtmann, Berlin 1848, S. 90.
[93] Karl-August Dronke, zit. nach Hachtmann, Berlin 1848, S. 90. - Auch nach den Märzunruhen 1848 war es erst Hoffnung, nicht Gewißheit, daß, so die Berliner "Spenersche Zeitung": "[...] auf den Hochschulen statt des latinisierenden und graecisierenden Kastengeistes nun die freie Wissenschaft ihr Haupt erhebe [und] ächte deutsche Universitäten [entstünden], welche im Volke stehen und nicht mehr vorzugsweise Beamte aller Klassen, sondern freie wissenschaftliche Geister bilden." Spenersche Zeitung vom 30. März 1848, zit. nach Hachtmann, Berlin 1848, S. 363.
[94] Gegründet wurde sie 1365 von Herzog Rudolf IV. (genannt ,Der Stifter`), vgl. Der Brockhaus in fünf Bänden, achte, neu bearbeitete Auflage, Bd. 5, S. 582.
[95] Heindl, Waltraut: Staatliches System, Bildungsbürgertum und die Wiener Revolution; In: Jaworsky / Luft (Hg.), 1848/49 - Revolutionen in Ostmitteleuropa, München 1996, S.201.
[96] Die Berliner Universität hatte erst 1810 ihren Lehrbetrieb aufgenommen, Ribbe, S. 447.
[97] Violand, S.80 f.
[98] Professor der rationellen Politik und Nationalökonomie.
[99] Professor des Natur- Staats- und Völkerrechts.
[100] Violand, S.81.
[101] Hachtmann, Berlin 1848, S. 89-90.
[102] Die nicht unpolitische Gesinnung vieler Studenten zeigte sich beispielsweise bei der Antrittsvorlesung des erzkonservativen Philosophieprofessors Julius von Stahl, der am 26. 11. 1840 von Kultusminister Eichhorn ausgerechnet auf den ehemaligen Lehrstuhl Hegels berufen wurde. Die Studenten quittierten seinen Vortrag mit vernehmlichem Scharren und Zischen. - Obermann, Universität, S. 167.
[103] Varnhagen von Ense, Tagebücher, Bd. II, S.234 (12/1843).
[104] Jeder Student mußte bei seiner Immatrikulation einen vierseitigen Revers unterschreiben, in dem er sich verpflichtete, keiner Burschenschaft beizutreten, anderenfalls sein Studienplatz verloren sei.- Obermann, Universität, S. 168.
[105] Genauer wurde der Leseverein am 25. Juli 1843 gegründet, am 2. Oktober desselben Jahres aber bereits wieder verboten. Auch wiederholte studentische Proteste gegen dieses Verbot Ende 1843 und Anfang 1844 änderten an der ablehnenden Leitung der preußischen Regierung nichts: zu sehr fürchtete man (obwohl sich der Verein ganz allgemein der "Weiterbildung" verschrieben hatte), daß ein solcher Verein auch zum Treffpunkt für politische Diskussionen und über die politische Willensbildung zur "revolutionären Brutstätte" würde. - Hachtmann, Berlin 1848, S. 93-95; Obermann, Universität, S. 169-170.
[106] "Die Progreßler bemühten sich, die Studentenbewegung mit der allgemeinen politischen Bewegung in Verbindung zu bringen und die bestehende Kluft zwischen Bürgern, Arbeitern und Studenten zu beseitigen". Inwiefern genau dies geschehen sollte, wird in Obermanns Aufsatz leider nicht beschrieben. - Obermann, Universität, S. 169-172.
[107] Hachtmann, Berlin 1848, S. 98.
[108] Häusler, S. 175.
[109] Das Studiengeld lag bis 1848 bei 30 Gulden. Zum Vergleich: Ein niederer Beamter verdiente 500 Gulden im Monat.
[110] Heindl, S. 202.
[111] Füster war Priester und hatte an der Universität eine Professur für Religionswissenschaft und Pädagogik. Vgl. Häusler, S. 424.
[112] Füster, Anton: Memoiren vom März 1848 bis Juli 1849. Beitrag zur Geschichte der Wiener Revolution, Frankfurt a. M. 1850, zit. nach Zenker, Revolution, S. 92 f.
[113] Heindl, S. 203.
[114] Siemann, S. 58.
[115] Siemann, S. 61.
[116] Siemann, S. 67.
[117] Hachtmann, Berlin 1848, S. 127 - dort auch eine Erklärung des ungewöhnlichen Namens des Lokals.
[118] Siemann, S. 67.
[119] Darin gefordert wurden "unbedingte Preßfreiheit", "vollständige Redefreiheit", "sofortige und vollständige Amnestie aller wegen politischer und Preßvergehen Verurtheilten", "freies Versammlungs- und Vereinigungsrecht", "Verminderung des stehenden Heeres und Volksbewaffnung", "schleunige Einberufung des vereinigten Landtags", eine "Allgemeine Deutsche Volksvertretung," sowie "gleiche politische Berechtigung Aller, ohne Rücksicht auf religiöses Bekenntnis und Besitz." - Hachtmann, S. 127-8.
[120] Wollstein, S. 38.
[121] Siemann, S. 67.
[122] Wollstein, S. 38-9, Siemann, S. 67.
[123] Wollstein, S. 39.
[124] Die "Scharfmacher der Hofkamarilla" (Pleticha) werden vielfach - wohl nicht ganz zu unrecht - als brutale, erzreaktionäre ,Kriegstreiber` porträtiert. Zu dieser Fraktion gerechnet werden kann an vorderster Front der ,Kartätschenprinz` Wilhelm, zwei Jahre jüngerer Bruder des Königs Friedrich Wilhelm IV. und später ab 1857, als dieser schwer erkrankte, sein Vertreter. Nach Friedrich Wilhelms IV. Tod 1861 regierte Wilhelm I. bis zu seinem eigenen Tod 1888, ab 1871 auch als Kaiser des Deutschen Reiches. Neben Wilhelm wurden zur Kamarilla als Berater Otto von Manteuffel und die Brüder Leopold und Ernst von Gerlach gezählt.
[125] Wollstein, S. 40.
[126] Der tatsächliche Einfluß der Königsberater dürfte freilich kaum zu ermitteln sein. Ohne Frage hat die Kritik an der ,Hofkamarilla` in der Geschichte oft auch als versteckter Versuch der Aufrechterhaltung eines idealisierten Königsbildes herhalten müssen - der König als gut beratener, aber schlecht beratener Monarch.
[127] "Mit dem Rufe ,Verrath! Man schießt auf uns!` stürzten in wilder Hast die Menschenschaaren, welche so eben noch den Schloßplatz gefüllt hatten, und brachten mit furchtbarer Schnelligkeit die Kunde von dem, was sich [dort] ereignet hatte, in alle Theile der Stadt [...] [B]ald war die ganze Stadt Racheerfüllt gegen diesen neuesten Akt der militärischen Feindseligkeiten [...]
Ohne Sträuben, selbst von Seiten der Ruhe liebenden Bürger und Hauseigenthümer, wurde das Straßenpflaster aufgerissen, wurden die Waffenläden in einem Augenblicke geleert, wurden Beile, Aexte herbeigeholt, aus Wirtschaftsgeräten, Droschken, [...] Wollsäcken, Tonnen, Balken, Brunnengehäusen usw. von tausend Händen Barrikaden gebaut, [...] Pflastersteine auf die Dächer gebracht, [...] wurde mit einem Worte die ganze Bevölkerung in einen kampfbereiten Körper umgewandelt." - Wolff, Revolutionschronik, Bd. I, S. 133.
[128] Hachtmann, Berlin 1848, S. 178.
[129] "Die Bevölkerung Berlins hielt in beeindruckender Weise zusammen, neben den jugendlichen Kämpfern taten sich ,Handwerker, Arbeiter und Tagelöhner` hervor. Das auf der anderen Seite stehende, Artillerie bedenkenlos einsetzende Heer fraternisierte nicht." - Wollstein, S. 41.
[130] Zum vollen Wortlaut: Wolff, Revolutionschronik, Bd. I, S. 201-2.
[131] Was Wollstein, nicht ganz unplausibel, zu der Bemerkung veranlaßt, mit ihm sei ein "Sündenbock" fortgeschickt worden, um "den König zu entlasten." - Wollstein, S. 41.
[132] Wollstein, S. 41-2, 48. Zusätzlich verweist Wollstein darauf, daß als Reaktion darauf demokratisch gesinnte Handwerker und Arbeiter eine "Volkswehr" notdürftig bewaffneter Handwerker und Arbeiter aufstellten.
[133] Siemann, S. 71: "Friedrich Wilhelm machte [mit dem Umritt und der Proklamation] Konzessionen an das öffentliche Vokabular [...]. Er gewann Zeit und vermied weiteres Blutvergießen." zum vollen Wortlaut des Aufrufs: Wolff, Revolutionschronik, Bd. I, S. 299.
[134] Die demokratische Strömung in Bildungsbürgertum und Arbeiterschaft war damit freilich noch nicht versiegt. Hierfür kann exemplarisch die Gründung des "Politischen Clubs" (später "Demokratischer Club") am 22. März durch Literaten, Handlungsdiener, Ärzte, Gewerbetreibende und Arbeiter stehen - Keimzelle eines später durchaus einflußreichen Zusammenschlusses der Linken.
[135] Erstmals wurde das höchste Regierungsamt (das des Ministerpräsidenten) durch einen Bürgerlichen (den Präsidenten der Kölner Handelskammer, Camphausen) bekleidet, sein Finanzminister war der Textilkaufmann David Hansemann - ein "Pyrrhussieg des liberalen Bürgertums" (Siemann), da Umwälzungen von diesem Kabinett keinesfalls zu befürchten waren. Freilich waren diese in weiten Teilen des Bürgertums auch gar nicht gewünscht, und man beschied sich damit. Zwischen März und Dezember 1848 wurden darüber hinaus sechs mal Minister dieses Kabinetts ausgewechselt, "jedesmal einen Schritt näher zur Gegenrevolution" - Siemann, S. 71.
[136] Zur Rückkehr des Militärs z.B. Wollstein, S. 44.
[137] Häusler spricht hier von einem sogenannten "Maschinensturm". Häusler, S.139ff. Dieser fand in Berlin kein Gegenstück, vgl. Anm. 195 dieser Arbeit. - Zur der Lokalisierung der Berliner Kampfhandlungen vgl. Punkt 5.1, Anm. [128] dieser Arbeit.
[138] Vgl. Punkt 5.1, Anm. 117 dieser Arbeit.
[139] Ein Verein des politischen Bildungsbürgertums, in dem schon früh der Wunsch nach Reformen laut wurde.
[140] Siemann, S. 64 f.
[141] Bach, S. 1-90.
[142] Zit. nach: Wollstein, S. 30.
[143] Die Arbeiter waren freilich bei dieser Versammlung in der Minderzahl. - Wollstein, S. 30.
[144] Diese Forderung war deshalb so bedeutend, da die Zensurauflagen in Österreich extrem streng waren. Julius Marx schreibt in seinem Werk "die Österreichische Zensur im Vormärz" hierzu: "[...] Jedenfalls war die österreichische Zensur die umfassendste, die man sich denken kann. Von der Grabinschrift bis zum Lexikon wurde alles Geschriebene oder Gedruckte, vom Manschettenknopf bis zum Kupferstich, jede Abbildung geprüft." - Marx, S. 55 ff.
[145] Hierunter waren auch Hochrufe auf den Kaiser und die liberalen Mitglieder des Kaiserhauses. An eine Absetzung oder gar Vertreibung des Hofes dachte man zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise.
[146] Bach, S. 8 f.
[147] Wollstein bezeichnet sie als "`Taufrede` der Revolution in Ungarn" - Wollstein, S. 29. Die vollständige Rede Kossuths ist zu finden in: Obermann, Karl: Flugblätter der Revolution, S. 84 ff.
[148] Eine eingehende Schilderung der Ereignisse findet sich unter Punkt 5.2. dieser Arbeit.
[149] Zit. nach: Richard Wilhelm Polifka, Die Revolution von 1848 im Spiegel der "Wiener Zeitung", Wien 1948, S. 24.
[150]Auch dies war keine Volksbewaffnung im Sinne der Märzforderungen: Obwohl es in dem Gedränge auch einigen Arbeitern gelang, sich zu bewaffnen, blieb die Bewaffnung im wesentlichen begrenzt auf Bürger und Studenten. Vgl. Reschauer, Bd.1, S. 281.
[151] Der Fürst floh in der Nacht zum 15. März heimlich aus der Stadt. - Reschauer, S.398.
[152] Reschauer, S. 388.
[153] Häusler, S. 143.
[154] Voller Wortlaut bei Reschauer, S. 418.
[155] Thielbeer, S. 109.
[156] Diese Einschätzung teilte auch die preußische Regierung selbst. Am 16.Oktober 1847 beispielsweise schrieb der Regierungsbevollmächtigte Ladenberg an Kultusminister Eichhorn: "Ein schnelles und strenges Einschreiten, die sofortige Festnehmung [sic!] der wenigen eigentlich Schuldigen und ernste Warnung der Irregeleiteten führten zur nachhaltigen Unterdrückung des Unwesens auf hiesiger Universität. Seit damals [1843/33] ist ähnliches nicht wieder vorgekommen, und wäre es der Fall, würde man sofort mit aller Strenge dagegen vorgehen." - Universitäts-Akten Berlin, Lit.V, Nr. 7, Vol. I, Bl. 22, zit. nach Obermann, Universität, S. 175.
[157] Hachtmann, Berlin 1848, S. 145.
[158] Thielbeer, S. 95.
[159] Prittwitz, Berlin, S. 83.
[160] Obermann, Universität, S. 186-88.
[161] Thielbeer, S. 93.
[162] Was dessen Frau, Prinzessin Augusta, dazu veranlaßte, dem Kronprinzen ins englische Exil folgende Zeilen zu schreiben: "In Berlin zeigen sich die Studenten als Deine eifrigsten Verteidiger, weshalb ihnen auch [der Nachfolger Eichhorns im Kultusministerium] Schwerin in meinem Namen für die Erhaltung des Palais danken wird, die sie allein zustande gebracht haben." - Zit. nach Obermann, S. 187. Freilich, so betont Thielbeer, ist diese Einschätzung nicht ganz richtig: "Die Loyalität der Akademiker galt der preußischen Monarchie, nicht dem Kronprinzen [...]" - Thielbeer, S. 94.
[163] Thielbeer, S. 93. - Unter den Gefallenen vom März 1848 in Berlin fanden sich denn auch "nur" zwei Studenten. - Siemann, S. 69.
[164] Wolff, Revolutionschronik, Bd. I, S. 154-57.
[165] Boerner, Erinnerungen, I, S. 127, zit. nach Obermann, Universität, S. 186.
[166] Boerner, Erinnerungen, I, S. 130, zit. nach Obermann, Universität, S. 184.
[167] Obermann, Universität, S.191.
[168] GstA, Rep. 76Va, Sekt. 2, Tit. X, Nr. 1, Bd.III, Bl.266, zit. nach Hachtmann, S. 36.
[169] Nach Ansicht Karl-Walter Freys führte diese Adresse "zum offenen Ausbruch der Unruhen am 13. März [...] und [zur] Bildung einer akademischen Legion am 14. März 1848. - Frey, , S. 60 f.
[170] Reschauer, S. 147.
[171] Reschauer, S. 150.
[172] Eine Szene, die an das Verhalten der gemäßigt liberalen Studenten Berlins wären des "Umritts" Friedrich Wilhelms IV. am 21. März erinnert. - Reschauer, S. 411 f. Vgl. Punkt 5.1, Anm. [133] dieser Arbeit.
[173] Vgl. Punkte 4.2.2.2 sowie 4.1.2 dieser Arbeit.
[174] Vgl. die Beschreibung der "Volksversammlung" vor dem Landhaus unter Punkt 5.2 dieser Arbeit sowie Anm. [143].
[175] Ausgenommen hiervon war lediglich die theologische Fakultät.
[176] F. Peyer, Wiener Chronik (1850), März Nr.15, zit. nach: Häusler, Massenarmut, S. 154.
[177] Die aus Bürgern gebildete Wiener Nationalgarde verhielt sich offenbar ähnlich dem Berliner Militär, vgl. Anm. [196] dieser Arbeit. Zum Verhalten der Nationalgarde: K. Glossy, Wiener Studien (1933), zit. nach: Häusler, S. 150.
[178] Zenker, Revolution, S. 115 f. Ähnlich Violand, S. 69: "Wahr ist, daß auch die Bürger nach Preßfreiheit schrieen, aber ihnen allein wäre sie nicht bewilligt worden [...] und was hätten selbst die todesmutigen Studenten vermocht, wenn sie nicht das Proletariat mit ehernen Fäusten umgeben hätte. Eine Revolution gelingt nur dem armen Volke in Hämdärmeln vereint mit der begeisterten Jugend."
[179] Häusler, S. 139 ff. Der unter 6.1.1 zitierte Marsch Salis-Seewis` am 18. März zu den Borsigschen Arbeitern vor Berlins Stadttoren war dagegen eher eine Einzelaktion.
[180] In diesem Zusammenhang ist auch ein Ereignis, daß sich erst später, nämlich am 26. Mai 1848 abspielte, von Bedeutung: Zu diesem Zeitpunkt drohte der akademischen Legion die Auflösung. Auch in diesem Fall zogen die Studenten, ausgerüstet mit 30.000 Flugblättern, in die Wiener Vororte, um die dort lebende Bevölkerung für ihre Interessen zu mobilisieren, was ihnen auch in diesem Fall gelang. - Violand, S. 115 f.
[181] Das Zitat steht in auffälligem Kontrast zu den Punkt 6.1.1 dieser Arbeit beschließenden Äußerungen der theologischen und philosophischen Fakultäten der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität. - Reschauer, Bd.2, S. 25.
[182] Siemann, S. 69.
[183] Hachtmann, Berlin 1848, S. 173-182.
[184] Prittwitz, Berlin, S. 17-8.
[185] Ludwig Rellstab, "Laßt Euch nicht täuschen," in: Vossische Zeitung vom 7. März 1848, zit. Nach: Wolff, Revolutionschronik, Bd. I, S. 55-6.
[186] Bergmann: "In einem Gewerbezentrum wie Berlin waren für soziale Unruhen, politische Aufklärung und die Empfänglichkeit für neue Ideen die besten Voraussetzungen gegeben." - Bergmann, Arbeiterschaft, S. 463.
[187] Wolff, Revolutionschronik, Bd. I, S. 56.
[188] Es wird auch kaum beschwichtigend auf die Arbeiter gewirkt haben, daß ausgerechnet um diesen Zeitpunkt die Borsigschen Werke 400 von ihren damals 1200 Beschäftigten entlassen mußten, die Egellschen 100 von 150. Insgesamt waren zudem Mitte März etwa 5-6000 Gesellen arbeitslos. - Hachtmann, Berlin 1848, S. 132.
[189] Mannheimer Abendzeitung vom 10. März 1848, zit. Nach: Wolff, Revolutionschronik, Bd. I, S. 53. - Als interessanter Kontrast dazu sei hier ein weiterer Artikel aus der Vossischen Zeitung vom gleichen Tage zitiert: "Glücklicherweise herrscht bei uns überall, abgesehen von der geistigen Aufregung, welche natürlich unter den vorliegenden Zeitumständen nicht zu vermeiden ist, die größte Ordnung und Ruhe. [...] Insbesondere verhalten sich unsere Arbeiter bisher durchaus ruhig und die Aufregung beschränkt sich meistenteils auf die gebildeten Klassen. [...] Unsere Straßen sind nie ruhiger und leerer gewesen als gerade jetzt." Offenbar suchte man so das beunruhigte Bürgertum zu beschwichtigen. - Vossische Zeitung vom 10. März 1848, zit nach: Wolff, Revolutionschronik, Bd. I, S. 53.
[190] Prittwitz, Berlin, S. 45-6.
[191] Hachtmann, Berlin 1848, S. 138.
[192] "Adresse der Arbeiter" vom 10./13. März 1848, zit. nach: Wolff, Revolutionschronik, I, S. 58. Offenbar hatte die Berufung des Pariser Arbeiters Albert Martin am 26. Februar des Jahres an die Spitze des neuen Ministeriums für Arbeit großen Eindruck auf den oder die Verfasser der Adresse gemacht.
[193] Zit. nach Hachtmann, S. 154-5.
[194] Boerner, Erinnerungen, I, S.151, zit. nach: Hachtmann, Berlin 1848, S.166-7.
[195] Zum Maschinensturm: Hachtmann, Unterschichten, S.120, dort Anm. 19; zu nicht stattfindenden Plünderungen z.B. Hachtmann, Berlin 1848, S.167: Als durch ein Versehen ein Backwaren-Verkaufsstand umgeworfen wurde, nahmen die anwesenden Arbeiter nicht etwa die Gelegenheit wahr, die auf das Pflaster kullernden Pfefferkuchen zu stibitzen, sondern legten sie, in direktem Kontrast zu den aus der "Kartoffelrevolution" übermittelten Verhaltensmustern, ordentlich zurück. Auch Varnhagen von Ense bestätigt, daß "nichts geplündert oder zerschlagen" wurde. - Varnhagen von Ense, Tagebücher, Bd.4, S. 290.
[196] Zur Brutalität des Militärs: Hachtmann, Berlin 1848, S. 159-162.
[197] Zit. nach: Wolff, Revolutionschronik, I, S. 346.
[198] Brief Virchows vom 24. März an seinen Vater, zit. nach Bergmann, Arbeiterschaft, S. 492.
[199] Frey, S. 81.
[200] Angeblich soll der Anblick dieses "Feuerkranzes" ein derart bedrohlichen Anblick geboten haben, daß er mitverantwortlich für den Rücktritt Metternichs wurde. Vgl. Siemann, 65 f.
[201] Violand, S.93 ff.
[202] Violand,.S.93 ff.
[203] Vgl. Pkt. 2.1 dieser Arbeit.
[204] Häusler, 150 f.
[205] Vgl. Pkt. 4.1.1 dieser Arbeit.
[206] Violand, S. 100.
[207] Häusler, S. 149.
[208] Reschauer, S. 384. - Die Szene vom 14. März (vor der Erstürmung des Zeughauses durch die Arbeiter Wiens) aus der dieses Zitat entnommen wurde, lautet ausführlicher zitiert: "Im Zeughaus selbst [waren] nur etliche fünfzig Bewaffnete anwesend [...], die sich natürlich viel zu schwach fühlten, um der aufgeregten Masse gegenüber mit Bitten oder gar mit Drohungen etwas auszurichten. Auch waren unter ihnen einige sogar dafür, daß man so rasch als möglich alle vorräthigen Waffen an das Volk vertheile, in der Ueberzeugung, daß es bald wieder zu einem Kampfe mit dem Militär kommen werde, für den man Mithilfe der Volksmassen sich versichern müsse. Zu diesem Zwecke schon hielt man es für nothwendig, daß die Arbeiter bei Zeiten mit Waffen versehen werden. Diese Ansicht vertraten vorzugsweise die im Zeughause anwesenden Studenten, während die Bürger gegen die Bewaffnung der Arbeiter heftig Einsprache erhoben, in der Besorgnis, daß sich dann die blutigen Auftritte vor der Mariahilfer-Linie auch in der inneren Stadt [...] wiederholen könnten."
[209] Thielbeer, S. 92.
[210] So fragt man sich, warum gerade die am Ende von 6.2.1 zitierte Quelle über das veränderte "Kneipenverhalten" der Arbeiter in keinem der für diese Arbeit genutzten Werke der Fachliteratur herangezogen wurde, obwohl sie im häufig als Quelle genutzten Werk Wolffs gedruckt vorliegt - Fast ist man versucht anzunehmen, daß sie dort schlicht nicht "ins Konzept" paßte, deshalb nicht ernst genommen wurde.